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In den USA wird auch über unsere Netzneutralität entschieden

Warum haben wir keinen Einfluss auf die Entscheidung der FCC, obwohl sie Auswirkungen für Internet-User weltweit hat?
Ein Protest für Netzneutralität im November 2014 vor dem Weißen Haus in Washington. Bild ​Stephen Melkisethian | ​Flickr | ​CC BY-SA 2.0

​Der Countdown läuft: Wenn die US-amerikanische Regulierungsbehörde FCC in diesen Minuten über die Netzneutralität abstimmt, dann entscheidet sie auch für oder gegen unser freies Internet.

Denn die Netzanbieter wollen sich nicht mehr im Stile alter Telefonunternehmen damit begnügen, unter gleichen Bedingungen das gleiche Produkt zu liefern. Und wir? Haben auf die heutige Abstimmung so gut wie keinen Einfluss. Doch wenn das fünfköpfige Komittee der Regulierungsbehörde FCC heute seine Entscheidung trifft, dann entscheidet sie trotz aller räumlichen Distanz auch über unsere Netzneutralität—ein staubtrockenes, aber wichtiges Thema für uns alle, das letztlich nichts mehr bedeutet als folgendes: Daten werden grundsätzlich gleich behandelt, ohne Rangfolge und Priorität transportiert.

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Zwar sitzt das Parlament in den Vereinigten Staaten, doch das Internet ist, wie wir wissen, global. Wie die Abstimmung also ausgehen wird, können wir zwar live verfolgen, aber kaum beeinflussen—auch wenn sich im Vorfeld dagegen schon viel kreativer Protest regte, etwa in Form einer 20.000 Blatt starken Faxflut an die FCC. Doch obwohl wir in diesem Fall zum unbeteiligten Zuschauer degradiert wurden, dann sollten wir die Entscheidung und ihre Auswirkungen zumindest verstehen.

Dise Damen und Herren des fünfköpfigen FCC-Rats treffen in den nächsten Minuten eine sehr wichtige Entscheidung. Bild: ​FCC

Die republikanischen FCC-Mitglieder wollen den aktuell zur Abstimmung stehenden Plan schon seit Tagen blockieren, da ihnen der Entwurf für eine strikte Netzneutralität zu weit geht. In den neuen Plänen ist, im Gegensatz zu früheren Entwürfen, klar geregelt, dass es keine bezahlte Privilegierung für bestimmte Content-Arten geben darf. Die zwei republikanischen FCC-Mitglieder fordern deshalb eine Verschiebung und einen Monat der öffentlichen Diskussion des 332 Seiten dicken Papiers.

Außerdem in der Kritik steht, dass Obama das Papier auf den Weg gebracht hat—Republikaner sehen in der hochgradig polarisierten politischen Landschaft der USA darin eine untragbare Einschränkung ihrer demokratischen Rechte (wem dieses Argument zu weit hergeholt erscheint, erinnere sich an die gern bemühte angebliche Verbindung Obamacare—Sozialismus).

Obwohl sich Barack Obama im vergangenen November öffentlich für die Netzneutralität aussprach, befürwortet Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen beispielsweise eine bevorzugte Behandlung von bestimmten Daten wie die von fahrerlosen Autos.

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Wird aber ein bestimmter Datensatz bevorzugt behandelt, bedeutet das auch immer eine Benachteiligung auf Kosten Anderer. Sogar schon heute wird das egalitäre Prinzip ausgehöhlt; so verkaufen Provider ihren Kunden Netzwerkbandbreiten, die sie bei voller Auslastung nie einhalten könnten.

Und spätestens, seitdem wir einen Großteil nicht nur unserer persönlichen Daten, sondern auch unsere Kulturprodukte online in die ​Cloud verlagern, wird alles das bandbreitenbedürftig, was zuvor lokal bei uns auf der Festplatte gespeichert war. Selbst wer Siri oder Cortana nach der nächsten Apotheke fragt, schickt Sprachdaten zum Abgleich an einen Server. Ob Daten also gleichbehandelt werden, ist nicht nur ein Thema für Torrent-User, sondern vergleichbar mit gedrosselter Stromzufuhr am Monatsende. Eine Aushöhlung des Prinzips führt letztlich zur Zensur der Zukunft.

Netzneutralität ist der Grundpfeiler eines freien, neutralen und sicheren Internets, sagt auch der Erfinder des HTML, Tim Berners-Lee—und fordert gesetzlichen Schutz dafür.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb wir keinen Einfluss auf die Abstimmung haben: Denn auch der Technologiesektor hinter dem Internet ist kein demokratischer Apparat. Hier ein Beispiel live von der Abstimmung:

FCC Wi-Fi is blocking photo uploads. In a delightfully ironic twist, our liveblog is brought to you by Verizon http://t.co/nQtpO1c5YE

— Dieter Bohn (@backlon) February 26, 2015

Hierzulande hat sich die Telekom mit ihren Drosselverträgen schon seit Mai 2013 von dem Prinzip der Datenegalität verabschiedet. Ausgenommen von den angezählten Daten sind natürlich und gar nicht rein zufällig die eigenen Dienste wie Telekoms Streamingdienst „Entertain"—die werden nicht in das Datenvolumen reingerechnet und zählen somit nicht zum Verbrauch.

Der Provider wird nicht der einzige bleiben, der bei einer negativen Abstimmung einen Freibrief bekäme, das Internet nach eigenen Interessen und Profitwünschen zu gestalten. Auf kurz oder lang bedeutet das: Wir müssen nicht nur für den Internetzugang zahlen, sondern auch für Dienste wie Youtube extra drauflegen.

Die Alternative dazu ist die Netzneutralität: Sie gebietet, die Netzkapazität analog zu den wachsenden ausgetauschten Datenmengen immer weiter zu erhöhen und alle Daten—und somit auch alle Nutzer—gleichberechtigt zu behandeln. Damit unser Cyberspace unabhängig bleibt—​beeinflusst, überwacht und verkauft sind wir und unsere Daten ja schon sowieso längst—darf das Internet nicht an der wichtigsten Stelle selbst zum Markt werden: dem Informationsaustausch.

Bislang wurden in den USA alle Gesetzesentwürfe zur Verankerung der Netzneutralität abgelehnt. Der heutige Tag wird über die Zukunft des Internets und unserer Nutzung entscheidend sein.