Deutschlands Amateurfunker sind die kommunikativsten Nerds der Nation
Portalbelbetrieb im Uedemer Hochwald, Rufzeichen DL1EIC/P. Bild (Ausschnitt): Bernd Wiebus; FlickR. Lizenz: CC BY 2.0

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Deutschlands Amateurfunker sind die kommunikativsten Nerds der Nation

Auch im Social-Media-Zeitalter gibt es noch immer Menschen, die mit ihren Freunden bevorzugt über eine 100 Jahre alte Technologie kommunizieren.

Auch im Social-Media-Zeitalter gibt es noch immer Menschen, die mit ihren Freunden bevorzugt über eine 100 Jahre alte Technologie kommunizieren. Deutschlands Amateurfunker nutzen für ihr Hobby aufwendig und eigenhändig optimierte Funksysteme, in denen sie sich statt mit Namen mit individuellen drei- bis achtstelligen Rufzeichen ansprechen, während sie mit Peilsendern ausgedehnte Fuchsjagden und Orientierungsläufe durch Wald und Wiesen veranstalten.

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Obwohl Nerds mit Computern inzwischen viel mehr Möglichkeiten haben sich mit ihren Bastel-Skills auszutoben, gibt es deutschlandweit noch immer zahlreiche Treffen, Wettkämpfe und Läufe auf denen Amateurfunker zusammenkommen. Dort fachsimpeln sie nicht nur über ihr liebstes Hobby, sondern pflegen nach den Funkaktionen auch den gemütlichen Austausch in einer eingeschworenen Hobby-Szene.

Manche sind mit viel Ehrgeiz und Training dabei. Es ist aber auch ok, wenn man nur aus Spaß und ohne Ambitionen auf eine Goldmedallie mitmacht.

Was Funkamateure dazu bringt, stundenlang in den Äther zu lauschen, ist dabei ganz unterschiedlich. Bei manchen ist die Motivation für ihr Hobby, mit ihrem Equipment einfach möglichst weite und viele Funkverbindungen aufzubauen. Andere wiederum experimentieren und entwickeln ganz neue Geräte und basteln maßgeschneiderte Funksystem.

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Dann gibt es noch diejenigen, die Amateurfunk mit Natur und Sport verbinden, wie mir der Funker Philip Le erklärt: „Wir Amateurfunkpeiler nehmen unsere Funkgeräte auf Wanderungen mit oder verstecken und suchen die Sender im Rahmen einer Fuchsjagd im Wald."

Vorbereitungen für die Fuchsjagd: Der Antennendraht für die Zielbake wird von der Haspel abgewickelt. Bild: Philipp Le

Um besser zu verstehen, was die Magie des Amateurfunkens ausmacht, habe ich mit Gerald Eichler, selbst begeisterter Funkamateur, gesprochen, nach dem er gerade von einem der Orientierungsläufe (aka. Fuchsjagden) in Magdeburg zurückgekommen war. „Es ist die Kombination aus Technik, weltweiter Kommunikation mit kleiner Leistung, Nähe zur Natur (zum Beispiel beim Bergfunk) und sportlichem Wettkampf, die dieses Hobby für mich so spannend macht." Seine Augen leuchten, während seiner ausgiebigen Schilderung: „Ich habe auf einer Reise nach Island Verbindungen in 24 Länder gehabt. Unter anderen mit der deutschen Forschungsstation Neumeyer III in der Antarktis."

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Philipp Le, der den Magdeburger Lauf auch ausgerichtet hat, kann da nur zustimmen. Er legte im Alter von 19 Jahren die Lizenzprüfung bei der Bundesnetzagentur ab. Diese ist erforderlich, um vom einfach CB-Funker (der CB-Funk, auch „Jedermannsfunk" genannt, bezeichnet eine öffentliche, kostenfreie Sprech- und Datenfunkanwendung) zum Funkamateur aufzusteigen. Damit hat man dann sein eigenes Rufzeichen, die Erlaubnis zum Selbstbau und Modifizieren von Funkgräten und zur Teilnahme an Wettkämpfen.

MOTHERBOARD: Philipp, warum hast du damals mit dem Funken begonnen?
Philipp Le: Mein Onkel besaß CB-Funkgeräte. Damals begeisterte mich, dass man mit solchen Geräten über mehrere Kilometer mit anderen Menschen sprechen konnte. Irgendwann fragte ich mich, wie so etwas funktioniert und stieß mit ungefähr 15 auf den Amateurfunk. Dass Selbstbau von Sendeanlagen erlaubt ist und damit Technik begreifbar wird, ließ mich nicht mehr los.

Hier werden die Ergebnisse elektronisch ausgewertet. Bild: Philipp Le

Wie es der Zufall wollte, stand gerade ein Amatuerfunkpeilwettbewerb nahe meines Heimatdorfes an. Dort wurde ich endgültig von dem ARDF-Virus infiziert (ARDF bedeutet Amateur Radio Direction Finding, die auch in Deutschland gängige Bezeichnung für Amateurfunkpeilen) und trat dem Deutschen Amateur Radio Club e.V. bei.

Was macht für Dich die Faszination des Funkens aus?
Eigentlich bin ich gar nicht so oft am Funkgerät. Ich probiere lieber Dinge aus und freue mich, wenn etwas funktioniert. Zur Zeit beschäftige ich mich damit, welche Ausrüstung geeignet ist, um auch unterwegs funken zu können. Es gehört dazu, dass man auch mal selbst etwas zusammen baut, beispielsweise eine Antenne.

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Am Ende wird ohnehin in geselliger Runde gemeinsam Bier getrunken und sich unterhalten.

Trotz all der Unterschiede zwischen den Funkern steht bei fast allen Gemeinschaft und Austausch im Vordergrund. Ich habe durch das Funken schon so viele Menschen in ganz Deutschland kennen gelernt, die durch ihr Hobby verbunden sind und in Kontakt bleiben.

Wie läuft so eine Fuchsjagd genau ab?
Zunächst einmal muss ein Distrikswettbewerb in der Vereinszeitung angekündigt werden, damit er gültig ist.

Wenn Datum und Ort feststehen, muss eine Karte für das Gelände besorgt werden. Falls nicht ein Orientierungslaufverein oder ähnliches eine Karten besitzt, muss der Ausrichter selbst eine erstellen. Das ist nicht so einfach, oft muss eine Karte erst über Jahre wachsen und ständig erweitert werden. Dann ist zu klären, wem die Gebiete gehören und ob eine Erlaubnis eingeholt werden muss. Schließlich kann die Strecke geplant werden, also die Orte, an denen die Sender versteckt werden.

Das Auslegen am Wettkampf-Morgen erfordert oftmals trotzdem ein bisschen Kreativität. Sobald alle Sender an ihrem Platz sind, starten die Teilnehmer in bestimmten Abständen. Die Zeit wird am Ziel elektronisch erfasst. Bei nationalen und internationalen Wettkämpfen gelten festgeschriebene, sehr strenge Regeln. Bei unserem lokalen Lauf konnten wir aber Kategorien und Zeitlimits frei festsetzen.

Welche Voraussetzungen müssen die Teilnehmer erfüllen? Und was führt zur Disqualifikation?
An und für sich kann jeder mitlaufen. Manche üben den Sport ziemlich ehrgeizig aus und trainieren dementsprechend. Es ist aber völlig in Ordnung, wenn man nur aus Spaß und ohne Ambitionen auf eine Goldmedallie mitmacht. Man muss sich dabei nur an die Regeln halten. Im Gelände darf man sich nicht mit anderen Läufern unterhalten oder ihnen Tipps geben. Das führt sofort zur Disqualifikation. Auch bei kleineren Wettbewerbe herrscht schon echter Konkurrenzkampf, aber nur während des Laufes.

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Am Ende wird dann schnell wieder gemeinsam Bier getrunken und erzählt.

Letzte Vorbereitungen der Läufer vor dem Start. Hier werden die Karten ausgeteilt. Bild: Philipp Le

Blick auf den versteckten Sender. Der Sender ist die schwarz-gelbe Box. Die rote ist das elektronische Zeiterfassungssystem. Bilder: Philipp Le

Was ist das Spannendste, das Du bislang beim Funken erlebt hast?

Als ich zusammen mit einem Freund durch den Harz wanderte, nahmen wir unsere Funkgeräte mit. Die Herausforderung bestand darin, auf bestimmten Gipfeln Funkkontakte mit anderen Leuten abzuwickeln. Diese Gipfel sind Teil des SOTA-Programms. SOTA steht für Summits On The Air—jeder aktivierte Gipfel bringt Punkte. Mit einer Leistung von 5 Watt, das entspricht in etwa einer Fahrradlampe, versuchten wir unser Bestes. Da das Wetter ständig wechselte, war ungewiss, ob wir die nötige Anzahl an Funkkontakten erreichten, um in die Wertung zu kommen.

Auf dem Brocken hingegen war es so einfach, dass wir mit der Ausrüstung 100 Kilometer weit kamen und noch ordentlich absahnen konnten.

Hat sich das Hobby Funken in deinen Augen in den letzten Jahren verändert?
Der Amateurfunk geht mit dem Puls der Zeit. In den letzten Jahren hat sich vor allem die digitale Technik verbreitet. Minicomputer bieten die Grundlage für Bastelprojekte, Funkempfänger arbeiten komplett digital und verbreiten das Empfangen ins Internet—so kann jedermann Mithören.

Das Internet wird mehr und mehr als Unterstützung beim Funken genutzt. In sogenannten Clustern geben Funkamateure bekannt, dass sie gerade auf einer bestimmten Frequenz senden. Andere können sie dann explizit anrufen. Dafür wurden sogar schon Apps fürs Smartphone entwickelt. Darüber hinaus kann sogar der Funkverkehr mit Hilfe von Gateways über das Internet getunnelt werden, so dass die Reichweite steigt.

Auf der Karte sind die GPS-getrackten Routen zweier Teilnehmer der Fuchsjagd durch den Herrenkrugpark zu sehen. Bild: Philipp Le

Das kann auch Herr Eichler bestätigen: „Die Technik wird ständig leistungsfähiger und dabei immer kompakter. Heutzutage lässt sich Funken ganz einfach mit anderen Outdoor-Aktivitäten oder Sportarten verbinden. Das ist gerade für junge Leute spannend, die nicht auf die allgegenwärtige Technik verzichten können, aber trotzdem nach einem Hobby an der frischen Luft suchen."

Also, liebe Nachwuchs-Geeks: Wer ein bisschen was von Technik versteht, wer bereit ist hinter die Gadgets zu schauen, die unsere Kommunikationsgesellschaft geprägt haben und wer noch ein nerdiges Hobby sucht, bei dem man ganz nebenbei auch körperlich fit wird: nichts wie ran an die Funkgeräte!