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Diese 800 Mio. Jahre alte Luft könnte die Geschichte unseres Planeten verändern

„Unsere Ergebnisse liefern die Antwort auf eine große Frage: Was kam zuerst—das Leben oder der Luftsauerstoff?“
Bild: Unsplash | Pixabay | Public Domain

Atembare, sauerstoffreiche Luft ist in unserem Universum ein wertvolles Gut. Doch zu verstehen, wie genau die wunderbare Luft unserer Atmosphäre, die uns das Leben erst ermöglicht, entstanden ist, bedeutet für Wissenschaftler noch immer eine „bekanntermaßen schwierige Herausforderung"—so ein Paper, das im Jahr 2014 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. Immerhin können die Forscher nicht einfach mal eben in die Vergangenheit zurückreisen und die Werte in der prähistorischen Atmosphäre messen. Stattdessen haben sich die Forscher bisher auf indirekte Hinweise auf vergangene Sauerstoffgehälter verlassen müssen.

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Nun konnte eine von dem Geowissenschaftler Nigel Blamey geleitete Studie diesen Millionen Jahre alten Stolperstein endlich ein für alle Mal aus dem Weg räumen. Zusammen mit einem internationalen Team hat der Forscher von der Brock University in Kanada die Grundlage für eine neue Methode gelegt, mit der mindestens 800 Millionen Jahre alte Luftproben freigesetzt werden konnten, welche bis in die geologische Epoche des Neoproterozoikum zurückreichen.

In ihrem gerade veröffentlichten Paper „Paradigm shift in determining Neoproterozoic atmospheric oxygen", das auch in der

August-Ausgabe der Fachzeitschrift Geology

erscheint, legen Blamey und seine Kollegen dar, dass uralte Luft, die in mikroskopisch kleinen Bläschen in Halit—die Fachbezeichnung für Steinsalz—eingeschlossen ist, freigesetzt und mit speziellen Geräten analysiert werden kann.

Luftbläschen im Halit. Bild: Nigel Blamey et al

„Es wurde schon sehr viel darüber diskutiert, wie hoch der Sauerstoffgehalt in der Luft vor 800 Millionen Jahren oder länger wohl gewesen ist", erklärte Blamey. „Wir haben nun eine direkte Methode entwickelt, um den Inhalt dieser eingeschlossenen, fossilen Gase in der Atmosphäre zu ermitteln und herausgefunden, dass der Sauerstoffgehalt damals etwa halb so hoch war wie heute."

Um sich einen ordentlichen Atemzug der fast eine Milliarde alten Luft zu genehmigen, positionierte die Forschungsgruppe Halit-Kristalle aus Südwest-Australien in einer Vakuumkammer und zerschlug sie. Dadurch wurde die Luft, die zu Urzeiten unseres Planeten in der Atmosphäre zirkulierte, freigesetzt.

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„Es ist eine direkte Messung der Atmosphäre der damaligen Zeit, und nicht nur eine Interpretation", betonte der Geowissenschaftler Uwe Brand, einer der Mit-Autoren der Studie.

Die freigelassenen atmosphärischen Zeitkapseln wurden daraufhin von einem hochempfindlichen Gerät, einem sogenannten

Quadrupol-Massenspektrometer

, eingesogen, welches den Sauerstoffgehalt des Gasgemisches ermittelte. Nachdem Blameys Team 31 dieser fossilen Proben aus dem Neoproterozoikum gemessen hatte, stellten die Forscher fest, dass der durchschnittliche Sauerstoffgehalt bei 10,9 Prozent lag. Damit war er

fünf Mal so hoch

wie in bisherigen Schätzungen über die Beschaffenheit der Urzeit-Erdatmospähre angenommen.

Eine Tabelle, die die Oxygenierung über das Neoproterozoikum abbildet. Bild: Nigel Blamey et al

Das aktuelle Ergebnis stellt vorherrschende Modelle über die Sauerstoffanreicherung unseres Planeten in Frage und legt nahe, dass Sauerstoff bereits 100 bis 200 Millionen Jahre früher als angenommen ein Zehntel der Atmosphäre ausgemacht haben könnte (aktuell liegt der Sauerstoffgehalt in der Luft bei 21 Prozent).

Diese Erkenntnis hat wiederum Auswirkungen für die Evolution allen Lebens auf der Erde, das untrennbar mit der Oxygenierung verbunden ist. „Unsere Ergebnisse liefern die Antwort auf eine große Frage: Was kam zuerst—das Leben oder der Luftsauerstoff?", sagte Brand.

„Das Letztere stimmt."

Atmet also genussvoll unsere unvergleichliche, sauerstoffreiche Luft ein, denn es hat Milliarden von Jahren gedauert, bis sie sich auf die lieblichen 21 Prozent eingependelt hat.