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Wir haben die Grünen gefragt, warum sie gerade so abkacken

Wer könnte uns das besser erklären als der Bundesgeschäftsführer Michael Kellner – auch bekannt als der Typ, den schon die 'heute-show' verarscht hat.
Foto: Imago, Rüdiger Wölk

Die Themen der Grünen würden gerade nicht als der "heiße Scheiß der Republik" gesehen, sagte Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Partei, nach der Wahl im Saarland. Dort sind die Grünen gerade aus dem Landtag geflogen. Man kann jetzt sagen: OK, im Saarland wohnen weniger Menschen als in Köln – nicht einmal eine Million – und die Wahl dort interessiert kaum jemanden (außer den amerikanischen Präsidenten Trump, der bei Merkel anrief und ihr zum Wahlsieg der CDU gratulierte). Aber nicht nur im Saarland, sondern auch bundesweit fallen die Grünen in manchen Umfragen auf sieben Prozent – teilweise unter die AfD. Das muss wehtun.

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Die Themen der Partei im Programmentwurf für die Bundestagswahl im Herbst lesen sich so: "Wir kämpfen um Europas Zusammenhalt", "Wir machen das Internet frei und sicher" oder "Wir begrünen unsere Wirtschaft für Umweltschutz und neue Jobs". Interessiert die Menschen das alles nicht mehr? Schnappt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz der Partei Wähler weg? Oder kümmert in Zeiten der Neuen Rechten der Umweltschutz einfach keinen?

Wer könnte uns besser erklären, warum die Grünen straucheln, als Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer – und auch bekannt als der Typ, der schon in der heute-show verarscht wurde. Zur Erinnerung:

VICE: Wie fanden Sie die Aussage von Katrin Göring-Eckardt, die Themen der Grünen seien nicht der "heiße Scheiß der Republik"?
Michael Kellner: Ich habe gelacht. Ich finde es gut, wenn wir so reden, dass man uns versteht. Man kann auch mal etwas zugespitzt formulieren.

Bundesweit liegen die Grünen in Umfragen nur noch bei sieben Prozent. So heiß scheinen Ihre Themen tatsächlich nicht zu sein.
Doch. Donald Trump hat gerade beschlossen, die Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgängers Obama zurückzudrehen. Er will wieder auf Kohle und Öl setzen und leugnet die Klimakrise – obwohl das ewige Eis schmilzt. Da wird es tatsächlich heiß! Und damit ist klar: Dafür brauchen wir starke Grüne, auch hierzulande. Die CO2-Emissionen sind gestiegen, Deutschland erfüllt seine eigenen Klimaschutzziele nicht.

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Haben Sie keine Angst, dass Sie die fünf Prozent nicht schaffen könnten, um überhaupt in den Bundestag zu kommen?
Nein. Wir haben im Saarland unser Wahlziel nicht erreicht, das ist eine Niederlage. Aber wir machen uns bundesweit keine Sorgen. Dazu sind unsere Themen, unser Spitzenduo und unsere Positionen zu stark.

Vielleicht interessiert die Menschen in einer Zeit mit Brexit und AfD der Bienenschutz einfach nicht.
Bienen sind lebenswichtig. Wenn ich mir anschaue, was es heißt, wenn Bienen und andere Insekten verschwinden, dann müssen wir uns dafür stark machen, dass Bienenkiller wie Glyphosat verboten werden. Aber die Existenzfrage Klimaschutz betrifft auch andere Bereiche wie die Wirtschaft: etwa in der Frage, wie wir verhindern, dass die deutsche Automobilindustrie in die Binsen geht.

Machen sich die Grünen jetzt etwa für Autos stark?
Wir machen uns für zukunftsfähige Arbeitsplätze und sauberen Verkehr stark. Es ist eine vertane Chance, wenn die Automobilindustrie in Deutschland international den Anschluss verpasst und nicht genügend auf Innovation und neue Energieformen setzt.

Wie sehr hassen Sie Martin Schulz?
Gar nicht. Im Gegenteil! Martin Schulz' Kandidatur hat ja den Effekt, dass die Bundestagswahl spannend wird.

Aber er nimmt ihnen die Themen weg. In ihrem Wahlprogramm geht es um Europa und die Ehe für Alle – genau wie bei der SPD. Warum also die Grünen wählen?
Wir sehen es bei der Ehe für Alle, wo wir beide die gleiche Position vertreten. Im Unterschied zu uns ist die SPD seit fast vier Jahren in der Bundesregierung – aber es geschieht einfach nichts. Dafür braucht es die Grünen. Und zu Europa: Es ist eine zu große Aufgabe, als dass eine Partei sie alleine bewältigen kann. Und Umwelt- und Klimaschutz gibt es nur mit uns.

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Kellner mit Gesine Agena und Volker Beck | Foto: imago | Mike Schmidt

Trotzdem nimmt die SPD Ihnen im Moment Wähler ab.
Das ist Teil des sportlichen Wettbewerbs, den wir gerne annehmen. Deshalb heißt es Wahlkampf. Das Ergebnis sehen wir am 24. September.

In Österreich und den Niederlanden stehen die Grünen gegen rechte Kräfte, sind sozusagen die Speerspitze der Gutmenschen – und damit erfolgreich. Warum positionieren sich die Grünen in Deutschland nicht so klar?
Genau das machen wir. Ein Teil der Gesellschaft sehnt sich gerade zurück in ganz finstere Zeiten, deshalb sehen sie die Grünen als Angriffsobjekt. Wir stehen für Freiheit und Offenheit und haben da schon viele Erfolge errungen.

Ist das dann nicht gerade im Wahljahr das größere Thema als die Bienen?
Es ist unsere Aufgabe, uns gegen autoritäre Strömungen wie Le Pen, Trump und den Brexit stark zu machen. Aber der Bienenschutz ist da kein Widerspruch. Wir sagen: Nein, wir wollen die Lebensgrundlagen hier schützen und auch morgen noch gut leben. Mit Bienen und ohne rechte Hetzer.

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