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Kevin Großkreutz

Wir haben mit einem Paartherapeuten über Großkreutz' Wiedersehen mit seiner alten Liebe BVB gesprochen

Der Dortmunder Junge Kevin Großkreutz wird heute zum ersten Mal wieder gegen den BVB spielen. Ein Paartherapeut (und Fußball-Fan) erklärte uns, dass das Aufeinandertreffen sehr wohl unangenehme Gefühle in Kevin hervorrufen wird.
Foto: Imago/Annegret Hilse

Heute Abend trifft Kevin Großkreutz im Dress des VfB Stuttgart auf seine große Liebe, den BVB. Wie wir alle wissen, ist die Love Story letztes Jahr abrupt zu Ende gegangen, weil Dortmund mit ihm Schluss gemacht hat. Um die Trauer schnellst möglich zu überwinden, ist Kevin dann in die Türkei geflüchtet, nur um dort noch mehr Frustration und Enttäuschung zu erleben.

In wenigen Stunden sieht er zum ersten Mal seine Ex wieder. Wie wird es ihm gehen? Welche Reaktionen wird das Aufeinandertreffen bei ihm auslösen? Wird er je über die Borussia hinwegkommen? Fragen, die nach einem Paarberater förmlich schreien. Wir haben mit Mike Bomheuer—psychologischer Coach und Paartherapeut—einen Profi in Beziehungssachen (und Fußball-Fan) aufgetrieben und mit ihm über dieses schmerzhafte Wiedersehen gesprochen.

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VICE Sports: Wird das Aufeinandertreffen von Kevin Großkreutz mit seiner alten Liebe Borussia Dortmund einen psychologischen Prozess in Gang setzen?
Mike Bomheuer: Ja, das wird es. Das Wiedersehen mit seinem alten Verein wird starke Reize beim Spieler Großkreutz auslösen—spätestens beim Handschlag mit seinen früheren Mitspielern. Doch auch die Atmosphären im Stadion, mit ihren visuellen und auditiven Reizen, wird zu einer Reaktion führen. Außerdem wird das sogenannte „emotionale Gedächtnis" getriggert. Dabei werden alte Gefühle, die er mit der Borussia über all die Jahre aufgebaut hat, unterbewusst wieder ausgelöst. Was natürlich heißt, dass neben all dem Positiven auch sein Scheitern und die Trennung von Dortmund in Erinnerung gerufen werden. Das löst eine Stressreaktion aus.

Wie wird sich diese Stressreaktion auswirken?
Stress führt dazu, dass Stresshormone wie Noradrenalin ausgeschüttet werden. Die braucht der Körper, um besondere Kräfte zu mobilisieren. In Sachen Kampfgeist ist das eine gute Sache.

Es hat aber auch negative Konsequenzen?
Genau. Der Mensch wird nämlich in extremen Stresssituationen auf sein Stammhirn reduziert, sprich, die Ratio wird ausgeschaltet. Ohne Ratio agiert unser Stammhirn und das kennt nur Flucht oder Angriff. Uns fehlt also gewissermaßen ein kühler Kopf. Auf den Fußball bezogen kann man davon ausgehen, dass es Großkreutz bei all dem Stress an Spielverständnis fehlen wird. Er wird sich nicht richtig ins Spiel einbinden können, wird eher egoistisch agieren. Darum sagen auch viele Trainer: ‚Ich lass den nicht gegen seine alte Mannschaft spielen'. Dass das nach hinten losgehen kann, haben wir ja bei Draxler auf Schalke gesehen.

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Kann man Großkreutz' Jahre beim BVB mit der ersten Liebe im wirklichen Leben vergleichen?
Es ist bei Verlustsituationen psychologisch egal, ob es um die erste Liebe, den ersten Verein oder die erste Lehrerin geht. Es geht in allen Fällen um eine Art Trauerbewältigung. Und aus meiner Erfahrung als Paartherapeut kann ich Ihnen sagen: Es braucht Zeit. Aber die große Liebe ist auch gleichzeitig immer ein Referenzwert. Und bei all den Emotionen und Erfolgen, die Großkreutz über die Jahre beim BVB erlebt hat, ist der natürlich hoch.

Wird Großkreutz je über sie hinwegkommen können?
Nur schwer. Vielmehr befürchte ich bei Großkreutz, dass er in den nächsten Jahren stets mit einer latenten Unzufriedenheit durch die Fußballwelt dümpeln wird.

Hat das enttäuschende Intermezzo bei Galatasaray die Loslösung noch erschwert?
Davon ist auszugehen. Wenn ich meine große Liebe verliere, aber dann schnell eine neue Frau kennenlerne, kann die Trauerbewältigung beschleunigt werden. Doch bei Großkreutz hat das gescheiterte Türkei-Intermezzo die Frustration eher noch verstärkt. Großkreutz ist das typische Beispiel eines sogenannten Handlungstypen, die lieber irgendetwas machen, als gar nichts zu machen, auch wenn am Ende dann rauskommt, dass sie mal lieber vorher in Ruhe nachgedacht hätten. Der ganze Türkei-Wechsel war auch eine klassische Überreaktion, der war nicht wirklich gut durchdacht, weder von ihm noch von seinem Spielerberater. Und das Ganze hat ihn in letzter Konsequenz natürlich noch frustrierter gemacht. Um auf die Paarberatungsebene zurückzukommen: All die Misserfolge und Frustrationen der letzten Monate machen es natürlich deutlich schwieriger, über seine erste große Liebe, Borussia Dortmund, hinwegzukommen.

Mit welcher persönlichen Erwartungshaltung wird Großkreutz ins Spiel gehen?
Ich könnte mir gut vorstellen, dass er eine besonders gute Leistung bringen will, um ganz klar seinem alten Arbeitgeber gegenüber deutlich zu machen, welcher Verlust es war, „mit ihm Schluss zu machen". Und natürlich wäre es auch der feuchte Traum eines jeden Spielers, in solch einem Spiel das entscheidende Tor für seinen neuen Verein und gegen seinen alten zu schießen. Auch wenn ihm das in letzter Konsequenz in der Seele wohl sogar leidtun würde.

Man könnte also von einer inneren Zerrissenheit sprechen?
Genau. Aber ich glaube nicht, dass das so kommen wird. Vielmehr glaube ich, dass er am Ende ziemlich frustriert das Spielfeld verlassen wird.