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Motherboard sortiert das Internet: Die fünf längsten Twitch-Streams und Gaming-Sessions

Ihr habt mal ein ganzes Wochenende durchgezockt? Niedlich: Diese Gamer sind nach 50 Stunden noch nicht einmal warmgelaufen.
Bild: YouTube-Kanal "Neal Erickson"

"Spiel nicht so lang, sonst bekommst du viereckige Augen", drohte noch jede Mutter eines pubertierenden Gamers – meist ohne den gewünschten Erfolg. Videospiele sind, heute mehr noch als früher, geradezu darauf ausgelegt, einen vereinnahmenden Sog zu entfalten, um die dröge Realität eine Zeitlang aufs Abstellgleis zu verfrachten. Dieser Eskapismus ist nicht exklusiv auf Videospiele abonniert, ihnen aber tiefer in den Genen verankert als jedem anderen Medium.

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Dank Streaming-Plattformen wie Twitch kann inzwischen längst die ganze Welt daran teilhaben, wie Gamer stundenlang in Videospielen versinken. Dabei ist das Phänomen des Spielemarathons kein neues – man denke nur an die Inflation der LAN-Partys in den 90er Jahren. Seit es kommerzielle Videospiele gibt, versuchen leidenschaftliche Gamer, die Grenzen ihres Körpers auszuloten und möglichst lang am Stück zu spielen. Nur: Ein großes Echo erhielten diese Versuche erst mit der Verbreitung von Livestreaming-Angeboten. Binnen weniger Jahre erhielt die Szene einen bis dato ungesehenen Popularitätsschub, der wiederum zu einer enormen Professionalisierung der Teilnehmer führte. Bewegten sich Rekorde bis in die späten 2000er hinein um die 50-Stunden-Grenze, wurden diese Bestmarken seither schlagartig und regelmäßig pulverisiert.

Das Ausdauergeheimnis: kalt duschen, kurze Sportübungen, sich von seiner "Frau ein paar Ohrfeigen verpassen" lassen.

Inzwischen sind Spielemarathons derart omnipräsent, dass es schier unmöglich geworden ist, in der Masse an Rekordversuchen noch den Überblick zu wahren. Grund genug für uns, das Überangebot im Internet ein wenig zu sortieren. Nur ist das leichter gesagt als getan: Twitch selber hat auf unsere Anfrage nach einer solchen Liste nicht reagiert. Doch davon lassen wir uns nicht aufhalten: In den vergangenen Tagen haben wir für euch die abgelegensten Ecken des Internets durchforstet, seitenlange Reddit-Threads gewälzt und uns durch Twitchs Livestream-Archiv gewühlt. Ein offizielles Ranking seitens der Social-Video-Plattform gibt es nämlich nicht und das, obwohl die tagelangen Streams regelmäßig Tausende Zuschauer anlocken.

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Hier sind sie also: Die fünf längsten Dauerdaddeleien seit Erfindung des Energydrinks – auch wenn es nicht zu jeder einen begleitenden Livestream gibt, wollen wir euch die Geschichten hinter den Aktionen nicht vorenthalten.

Platz 5: 120 Stunden – Geteiltes Leid…

Wann wurde gezockt: März 2012

Was wurde gezockt: Resistance-Trilogie (PS3)

Wie lang wurde gezockt: 120 Stunden und 7 Minuten

Offizieller Rekord: Ja

Als sich die Freunde Christopher Gloyd und Timothy Bell am 12. März 2012 vor die PlayStation 3 setzten, hatten sie ein festes Ziel vor Augen: Sie wollten sich ihren Rekord zurückerobern. Bereits ein Jahr zuvor hatten sie sich ihren ersten Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde erspielt.

Im Mai 2011 zockten die Kanadier 45 Stunden das Xbox-360-Spiel Halo: Reach und stellten damit eine neue Bestzeit im Genre der Ego-Shooter auf, nur um wenig später dabei zuzusehen, wie ihre Zeit deutlich überboten wurde. Also traten sie erneut an – mit Erfolg: Unterstützt vom größten kanadischen Videospiel-Einzelhändler, EB Games, gelang es dem Duo, den alten Höchstwert nicht nur zu übertreffen, sondern nahezu zu verdreifachen. Nach 120 Stunden und 7 Minuten waren Christopher und Timothy zwar müde, aber glücklich: Sie hatten es erneut geschafft. Doch auch dieser Rekord sollte nur von kurzer Dauer sein.

Platz 4: 135 Stunden – Die wohl beste (und längste) Werbung, die sich ein Unternehmen wünschen kann

Wann wurde gezockt: November 2012

Was wurde gezockt: Call of Duty: Black Ops 2 (Xbox 360)

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Wie lang wurde gezockt: 135 Stunden, 50 Minuten und 10 Sekunden

Offizieller Rekord: Ja

Eine Auszeichnung als Mitarbeiter des Monats dürfte Okan Kaya sicher gewesen sein: Nicht nur hatte der Australier mehr als das Dreifache der Arbeitszeit einer normalen 40-Stunden-Woche geackert. Nach fünfeinhalb durchgespielten Tagen war er zudem neuer Guinness-Weltrekordhalter in der Kategorie "längster Videospiel-Marathon eines Ego-Shooters" und hatte mit der Liveübertragung via UStream zugleich eine ideale Werbekampagne für seinen Arbeitgeber veranstaltet. Das in Sydney ansässige Unternehmen 4Cabling hatte seine Büroräume für den Versuch zur Verfügung und die notwendige technische Infrastruktur bereitgestellt – nichts leichter als das für IT-Spezialisten, die ihr Geld mit dem Einrichten und Verwalten professioneller Netzwerke verdienen.

Während seines erfolgreichen Rekordversuchs bewies Kaya zudem, dass er nicht nur lang, sondern vor allem äußerst gut spielen kann, kletterte er doch bis auf Platz 37 der "Call of Duty: Black Ops 2"-Rangliste. Grund dafür dürften auch die laut offiziellen Guinness-Regularien erlaubten Pausen sein. Pro Stunde ist es Rekordanwärtern gestattet, zehnminütige Unterbrechungen einzulegen, die zudem beliebig lang angesammelt werden können. Dadurch war es dem Gamer möglich, kurze Zeitspannen zu schlafen, um einen kleinen Teil seiner Energie zu regenerieren.

Platz 3: 136 Stunden – Für die Horde!

Wann wurde gezockt: Dezember 2013

Was wurde gezockt: World of Warcraft (PC)

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Wie lang wurde gezockt: 136 Stunden

Offizieller Rekord: Nein

Bereits vor seinem inoffiziellen Rekordversuch war Ryan "rlenk" Lenk eine kleine Twitch-Berühmtheit und berüchtigt für seine "No sleep"-Streams. Regelmäßig levelte der "World of Warcraft"-Spieler seine Rollenspiel-Charaktere in einem einzigen Anlauf von der Anfangs- auf die (damalige) Maximalstufe 90. Ohne nennenswerte Pausen oder Schlaf absolvierte er damit eine Aufgabe, die normale Gamer mehrere Wochen kostet. Diese Streams waren jedoch eher als Zeitvertreib gedacht; lange fehlte es rlenk an einem konkreten Ziel. Das änderte sich, als der Australier Okan Kaya im November seinen medienwirksamen Rekordversuch abhielt und eine neue Bestmarke im Dauerzocken aufstellte. Endlich konnte der schlaflose Streamer seine Übertragungen auf einen bestimmten Zweck konzentrieren.

Bis der 22-Jährige seinen Plan in die Tat umsetzte, dauerte es jedoch einige Zeit. Erst ein Jahr nach Kayas Guinness-Rekord begann rlenks auf 136 Stunden angesetzter Livestream. Es reichte nicht einmal für die Hälfte: Nach 55 Stunden nahm Twitch den Rekordversuch aus Gesundheitsgründen des Zockers vom Netz. Der US-Amerikaner ließ sich davon indes nicht abschrecken und startete bereits wenige Tage später einen erneuten Anlauf, der diesmal von Erfolg gekrönt sein sollte. Da der WoW-Zocker sich im Vorfeld allerdings gegen die Anmeldung des Versuchs bei Guinness entschieden hatte, ist seine Bestzeit lediglich eine inoffizielle. Weniger beeindruckend macht sie das freilich nicht.

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Platz 2: 138 Stunden – Die Tanz-Marathonikin

Wann wurde gezockt: Juli 2015

Was wurde gezockt: Just Dance 2015

Wie lang wurde gezockt: 138 Stunden und 34 Sekunden

Offizieller Rekord: Ja

"Vor elf Jahren, als ich noch 105 Kilo auf den Rippen hatte, ging ich mit einem Donut in der Hand an einer Arcade-Videospielhalle vorbei und sah eine ‚Dance Dance Revolution'-Maschine." Heute ist Carrie Swidecki 35 Kilo ärmer und mehrere Gaming-Rekorde reicher. Den wohl beeindruckendsten hat sie im Juli 2015 aufgestellt: Nachdem sie bereits zuvor mehrere Guinness-Einträge für die längsten Gaming-Marathons in einem Tanzspiel ergattern konnte, sicherte sie sich schließlich auch die genreübergreifende Bestzeit. Geschlagene 138 Stunden und 34 Sekunden hielt sie durch und hält damit bis heute den offiziellen Weltrekord der längsten Gaming-Session.

Doch anders als vorherige Rekordanwärter konnte es sich die begeisterte Tänzerin nicht auf der Couch gemütlich machen: Die im Rhythmusspiel Just Dance 2015 gezeigten Tanzschritte funktionieren nicht auf Knopfdruck, sondern müssen mit realen Bewegung imitiert werden. Um sich die entsprechende Kondition anzutrainieren, spielt Swidecki im Schnitt 50 Stunden pro Woche. Der Eintrag im Guinness-Buch war dabei nie ihr oberstes Ziel, vielmehr möchte die Grundschullehrerin mit ihren exzessiven Tanzeinlagen für ausreichend körperliche Ertüchtigung von Kindern werben und zeigen, dass diese durchaus mit Spaß verbunden werden kann.

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Platz 1: 144 Stunden – Good Morning, Vietnam!

Wann wurde gezockt: November 2015

Was wurde gezockt: CS:GO, Starcraft 2, Dota 2, Civilization 5 und mehr (PC)

Wie lang wurde gezockt: 144 Stunden

Offizieller Rekord: Nein

Womöglich hätte er sich das noch einmal genauer überlegen sollen: Weil ihn der logistische Aufwand und die Kosten eines offiziellen Rekordversuchs abschreckten, entschied sich Neal "Koibu" Erickson im November 2015 dagegen, das Guinness-Buch oder andere Stellen zu kontaktieren, die seinen Gaming-Marathon hätten notariell beglaubigen können. Sein 144-stündiges Unterfangen ist allerdings ausreichend dokumentiert, um den in Vietnam lebenden Gamer dennoch zum Spitzenreiter dieser Liste zu erklären.

Wie die meisten seiner Kollegen konnte auch Koibu diese Leistung nicht einfach aus dem Stehgreif abrufen. Mehrfach hatte der Gamer auf seinem Kanal ausufernde Twitch-Streams veranstaltet: 48, 72, 90 und sogar 120 Stunden blieb er bereits live und schlaflos am Rechner, jedes Mal hatte er sich unterschiedlich intensiv auf seine Vorhaben vorbereitet. Für seinen bislang längsten Versuch musste er allerdings besonders tief in die Trickkiste greifen; in einem später abgehaltenen Reddit-Q&A ging Koibu näher auf seine Tipps und Kniffe zum ausgedehnten Wachbleiben ein. Demnach achtete er sehr auf eine gesunde Ernährung und verzichtete weitestgehend auf Stimulanzien wie Kaffee, die zwar kurzzeitig den gewünschten Effekt erzielen, mittelfristig aber eher schaden würden. Ebenso legte er regelmäßige Pausen ein, um kalt zu duschen, kurze Sportübungen zu absolvieren – oder sich von seiner "Frau ein paar Ohrfeigen verpassen" zu lassen. Auch Sonnenlicht spielte bei seinem Marathon eine kaum zu unterschätzende Rolle. Laut Koibu würde der menschliche Körper automatisch in ein Tief fallen, sobald er sähe, wie die Sonne wieder aufginge. Erst dann nämlich würde der Organismus begreifen, wie lang er tatsächlich schon wach sei.

"Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Beleg dafür, dass der Verzicht auf Schlaf für längere Zeitspannen gesundheitsschädlich ist, sofern man ausreichend Vorbereitungen trifft", glaubt Koibu. Seine bisherigen Marathons mögen ihm zwar zumindest nicht widersprechen. Ein Beleg für diese steile These sind sie deshalb aber längst nicht. Ohnehin kratzt seine Bestzeit nicht einmal an offiziellen Schlaflosigkeits-Rekorden: Je nach Quelle liegen diese zwischen 276 und absurden 449 Stunden. Es besteht also noch reichlich Luft nach oben. Theoretisch.

Der Kampf gegen die Rekordstreams

Social-Video-Plattformen beäugen den Trend der stundenlangen Livestreams übrigens mit Argwohn. Nach mehreren tragischen Todesfällen ist Marktführer Twitch etwa dazu übergegangen, Live-Rekordversuchen ohne Vorwarnung den Saft abzudrehen, um ähnliche Vorfälle zu vermeiden. Völlig eliminieren lässt sich das Risiko jedoch nicht: Erst im Februar dieses Jahres starb ein mehrfacher Familienvater während eines 24-stündigen Streaming-Marathons.

Auch die Szene selbst hat reagiert. Während frühere Versuche oft unter teils haarsträubenden Bedingungen abgehalten wurden, sind eine gesunde Ernährung, regelmäßige Pausen, ausreichend Bewegung und eine ausführliche Vorbereitung inzwischen kaum mehr wegzudenken. Nur dadurch war es Gamern möglich, ihre Rekorde in immer neue Höhen zu schrauben.