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Restaurant Confessionals

Wie es ist, als Chefkoch auf einer Mega-Yacht zu arbeiten

Chefköche mit einem Alkoholproblem war ein Muster, das sich in meiner Zeit als Koch auf einer Mega-Yacht relativ schnell abzeichnete. Aber wenn man auf so kleinem Raum gemeinsam lebt und arbeitet, besteht die Hälfte des Jobs darin, mit den anderen...

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal bewegen wir uns aus der Welt der Restaurants im traditionellen Sinne heraus und begeben uns an Bord einer Luxusyacht.

Viele Leute in der Branche verstehen nicht, wie ich an diesen Job kam. Ich mauserte mich in acht Monaten vom der Küchenhilfe zum Chefkoch auf einer Mega-Yacht.

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Jeder findet es verrückt. Man bekommt normalerweise nicht einfach einen Job auf einem 85 Meter langen Segelboot, wenn man davor nicht mindestens drei Jahre lang in einer Michelin-Sterneküche gearbeitet hat.

Nachdem ich die Schule abgeschlossen hatte, reiste ich nach Antigua, um Arbeit auf einem Boot zu finden. Ich ging von Hafenbar zu Hafenbar und fragte den Leuten Löcher in den Bauch. Schließlich schaffte ich es, mich in eine Käse- und Weinverkostung für Köche und Kapitäne zu schmuggeln. Ich hatte gehört, dass eine Mega-Yacht eine freie Stelle hatte und stellte mich dann einfach dem Chefkoch vor, nachdem ich den Namen der Yacht auf seinem Hemd gelesen hatte.

Am nächsten Tag gab er mir eine Tour durch das Boot. Er fand Gefallen an mir und ich bekam den Job. Ich fing als Küchenhilfe an und wusch Teller und Töpfe. Salate für die 13 Crew-Mitglieder zuzubereiten, war das Höchste der Gefühle. Ich hatte absolut gar nichts mit dem Essen zu tun, das die Chartergäste serviert bekamen.

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Schnell stellte sich heraus, dass der Chefkoch ein cholerisches Arschloch und zudem Alkoholiker war. Mit ihm zusammenzuarbeiten, war hart und ich habe dabei gelernt, dass man keiner dieser wütenden Köche sein muss. Es ist zum Beispiel in Ordnung, wenn sich jemand ein Stück Wassermelone aus dem Kühlschrank holen möchte. Wenn man auf so kleinem Raum gemeinsam lebt und arbeitet, besteht die Hälfte des Jobs darin, mit den anderen auszukommen.

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Chefköche mit einem Alkoholproblem war ein Muster, das sich relativ schnell abzeichnete. Mein neuer Chefkoch, einer supernetter Schotte, stand irgendwann am Morgen einfach nicht mehr auf und so musste eben ich für alle Gäste kochen. Daraufhin sagte mein Boss zu mir: „Schauen wir mal, wie du dich anstellst, wenn du für den Rest dieser Charter verantwortlich bist." Und so wurde ich von der Küchenhilfe zum Koch für Gäste, die für eine Woche mehrere hunderttausend Dollar bezahlten. Der Druck war eh nicht groß.

Chefköche mit einem Alkoholproblem war ein Muster, das sich relativ schnell abzeichnete. Mein neuer Chefkoch, einer supernetter Schotte, stand irgendwann am Morgen einfach nicht mehr auf und so musste eben ich für alle Gäste kochen.

Wie die meisten Mega-Yachten verbringen wir die Winter in der Karibik und die Sommer im Mittelmeerraum. Entweder chartern amerikanische Geschäftsmänner und ihre Familie das Schiff mehrere Wochen am Stück oder der Besitzer und seine Frau sind an Bord. Wenn wir nur mit den Besitzern unterwegs sind, ankern wir an sehr ruhigen Orten in wunderschönen Buchten weit entfernt von den beliebten Yachthäfen, wo es keine Häuser oder sonst etwas gibt.

So schön die ruhigeren Buchten auch sind, das macht es natürlich viel schwieriger, an Nahrungsmittel zu kommen. Eine der Herausforderungen liegt darin, genügend frische Produkte für die Crew, die ständig Hunger hat und hart arbeitet, an Bord zu haben. Große Boote arbeiten mit Agenten in den Häfen zusammen, die massenhaft Zutaten beschaffen, aber weil unsere Crew kleiner ist, erwartet der Kapitän, dass ich das Einkaufen erledige. Manchmal ist ein kleiner Laden mit wenig Auswahl außer ein paar schimmligen Ingwerwurzeln und Kochbananen das Nächstgelegene. In solchen Momenten denke ich mir: Fuck! Aber so wollen es die Besitzer der Yacht eben—als wären sie „Rucksacktouristen", nur in einer luxuriösen Umgebung.

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Die Lagerung ist ein weiteres Problem. Das Boot ist eine klassische Nachbildung eines Rennbootes,deshalb ist nirgendwo besonders viel Platz. Ich bin es gewöhnt, mein Mehl und mein Putzmittel im Kielraum zu verstauen—man muss sein Zeug einfach überall lagern, wo man Platz findet.

Wenn die Yacht gechartet wird, ist das meistens eine sehr intensive Zeit. Ich fühle mich teilweise wie im Rausch, aber es ist auch belastend. Ich verlasse vielleicht ein Mal in zehn Tagen das Boot und gehe mit der Crew im Hafen etwas trinken, wenn ich mit dem Abendessen für die Gäste zeitig fertig werde. Ansonsten bleibt keine Zeit für gar nichts: nicht auf das Handy schauen, keine E-Mail verschicken, nicht masturbieren. Gar nichts. Wenn wir Gäste an Bord haben, muss ich mich zu 100 Prozent der Arbeit widmen.

Ich wache jeden Morgen um 7:00 Uhr auf. Als erstes presse ich frischen Orangensaft und bereite eine Wurst- und eine Obstplatte für die Gäste vor. Als nächstes kommen die Frühstücksbestellungen dran—meistens Eier.

Wenn ein Fischer mit seinem Boot vorbeikommt und mir tollen, frischen Fisch verkauft, ist das für mich das Paradies. Das schenkt mir Energie—wegen der frischen Produkte, zu denen ich Zugang habe, zahlt es sich für mich aus.

Oft muss ich fürs Mittagessen an Land Lebensmittel einkaufen gehen. Die Vorstellung, auf einem Markt vorbeizuschauen, klingt toll, aber wenn man in Eile ist, ist es furchtbar. Man versucht überall nach Rechnungen zu fragen, aber keiner stellt Rechnungen aus. Ich kaufe 50 Bananen von dieser dicken karibischen Frau, die nichts von einer Rechnung wissen will und ich kann nicht mit ihr streiten.

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Nach den Mittagessen denke ich schon wieder über den kommenden Tag nach. Hähnchen marinieren, das Salted Caramel-Eis im Auge behalten (wenn die Frau des Besitzers nicht alles aufgegessen hat). Dann mache ich zwei Stunden Pause, in denen ich schwimmen gehe oder Game of Thrones oder sonst irgendetwas Dämliches im Fernsehen anschaue, um abschalten zu können. Gegen 17:00 Uhr bin ich vollkommen fertig, habe den sechsten Espresso intus, die Stone Roses dröhnen aus den Lautsprechern und ich bin gerade mitten dabei, das Abendessen zuzubereiten.

Wenn ein Fischer mit seinem Boot vorbeikommt und mir tollen, frischen Fisch wie einen zehn Kilo schweren Zackenbarsch verkauft, ist das für mich das Paradies. Das schenkt mir Energie—wegen der frischen Produkte, zu denen ich Zugang habe, zahlt es sich für mich aus. Kürzlich besuchte ich einen Markt und fand all diese Früchte, die es zu Hause im Supermarkt gar nicht gibt. An den Ständen werden Chayoten, kleine Babybananen und riesige Pampelmuse, die wie salzige Grapefruits schmecken, verkauft.

Wenn man an solch außergewöhnliche Produkte kommt, muss man auch wissen, wie man sie richtig zubereitet. Meine Gerichte sind meistens sehr einfach, ich möchte die guten Zutaten nicht missbrauchen. Auf einem Markt in Montenegro fand ich Steinpilze, die so groß wie meine Hand waren, und wilde Heidelbeeren, die ich mit Thymian zu einem Carpaccio zubereitete. Manchmal schmeckt es den Gästen so gut, dass sie rufen: Koch, komm nachher hier hoch, lass uns zusammen einen trinken! Darum geht es, wenn man auf einer Yacht kocht und so möchte man seine Gäste sehen.

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Nichtsdestotrotz existiert auf Yachten immer noch die dekadente Kultur, Zutaten aus weit entfernten Orten einfliegen zu lassen. Die Russen machen das immer noch. Jedes Mal, wenn sie in der Karibik sind, wo es die leckersten Meeresfrüchte gibt, lassen sie Kabeljau von der Nordsee oder Hummer aus Maine einfliegen. Ich schätze mich glücklich, dass ich für ein Ehepaar arbeite, das mich feuern würde, wenn ich so etwas machen würde.

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Einer der besten Essensmomente habe ich auf der griechischen Insel Skyros erlebt, als ich ein Spanferkel am Strand kochte. 12 Stunden lag ich neben dem Feuer und drehte das Ferkel auf dem Spieß mit der einen Hand, während ich in der anderen ein Bier hielt. Am Ende des Tages sah ich selbst wie das Ferkel aus—voll mit Bier. Das war fantastisch.

Ich lerne ständig dazu. Mein Boss schickte mich nach Thailand in einen Kochkurs und in der Nebensaison arbeite ich in seinem Sternerestaurant. Es kann schon dekadent sein, aber es ist auch sehr viel Arbeit. Mehrere Monate arbeite ich mehr oder weniger durchgehend, fühle mich emotional von meinen Freunden abgekoppelt und versuche, mein Gehalt zu sparen, damit ich es, wenn ich Zeit habe, ausgeben kann. Aber ich habe auch die Freiheit, spontan zu beschließen, dass ich nach Hause fliege und ein riesiges Krabbenfestmahl für 40 Freunde zubereite.

Ich verdiene 4000 Euro pro Monat und arbeite neun Monate im Jahr. Dazu bekomme ich Trinkgeld, wie zum Beispiel kürzlich, als ein Geschäftsmann und seine Familie aus London her und wieder zurückflogen und mir 1000 Euro Trinkgeld für zehn Tage gaben. In diesem Job ist das nicht einmal so viel. Aber alles in allem, glaube ich, werde ich wahrscheinlich nie mehr mehr Geld verdienen.

Aber ich kenn auch einen Typen, ein Weltklassekoch, der für einen norwegischen Besitzer arbeitet und 100.000 Euro pro Jahr verdient, und das obwohl er nur zwei Monate arbeitet. Wir werden sehen.

Aufgezeichnet von Stevie Mackenzie-Smith.