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Geflügel

Euer nächstes Hühnchen in London könnte euer letztes sein

Ein neuer Bericht hat enthüllt, dass acht von zehn Hühnchen in britischen Supermärkten mit hoch gefährlichen Bakterien verseucht sind. Schlimmer noch: Die britische Regierung hat die Angelegenheit monatelang unter den Teppich gekehrt.
Photo via Flickr user stevegarfield

An alle Briten und Großbritannien-Urlauber: Momentan ist ein wirklich sehr ungünstiger Zeitpunkt, euch mit Hühnchen im Supermarkt einzudecken. Also Finger weg!

Denn einem Bericht der britischen Regulierungsbehörde Food Standards Agency (FSA) zufolge sind acht von zehn frischen Hühnchen in britischen Supermärkten mit Campylobacter-Bakterien verseucht, das im Zusammenhang mit schweren Lebensmittelvergiftungen steht. Eine Infektion mit dem Bakterium kann zu Magen- und Darmkrämpfen, Durchfall, Bauchschmerzen und Fieber führen und in seltenen Fällen sogar tödlich enden. Das Schlimmste ist aber, dass die FSA scheinbar schon seit vielen Monaten von den Vorwürfen wusste.

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Die Testergebnisse sind wirklich schockierend, und ich bin keine Person, die das Wort schockierend leichtfertig in den Mund nimmt.

Ein letzte Woche im Guardian erschienener Artikel hat enthüllt, dass Tim Smith—ein ehemaliges Mitglied der FSA, der in den Vorstand von Tesco gewechselt ist—seinen früheren Arbeitgeber darum gebeten hat, auf eine Veröffentlichung des Berichts zu verzichten. Und scheinbar ist dieser Wunsch nicht auf taube Ohren gestoßen: Denn die ersten Ergebnisse, die man eigentlich schon im Juni bekanntgeben wollte, wurden letztendlich erst im November veröffentlicht. Dann erst gelangte an die Öffentlichkeit, dass 64 Prozent der untersuchten Hühnchen von Tesco mit den Bakterien verseucht waren.

Die skandalöse Untätigkeit der FSA hat viele Kritiker auf den Plan gerufen. Einer der schärfsten ist Tim Lang, Professor für Lebensmittelpolitik an der Londoner City University, der als Lebensmittelexperte schon für zwei britische Ministerien gedient hat (Gesundheit und Umwelt). Als der Bericht im letzten Monat endlich veröffentlicht wurde, griff Lang zur Feder und verfasste einen beißenden Kommentar im Guardian, in dem er die britischen Verbraucher dazu aufrief, solange kein Geflügel mehr zu kaufen, bis auf die Kontaminationsgefahr angemessen reagiert wird. „Die Testergebnisse sind wirklich schockierend, und ich bin keine Person, die das Wort schockierend leichtfertig in den Mund nimmt", so Lang weiter.

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Die FSA wurde vor 14 Jahren als Reaktion auf die großen Salmonellen-Wellen der 80er- und 90er-Jahren in Großbritannien ins Leben gerufen. Ziel war es, die britische Lebensmittelindustrie umzustrukturieren. Besonders die Fleischindustrie sollte im Fokus der Reformer stehen, um das Vertrauen der britischen Verbraucher zurückzugewinnen. Doch der jüngste Vorfall würde eindeutig zeigen, so Lang, dass die FSA in ihrer Mission gescheitert ist.

„Das Problem der Salmonellen konnte größtenteils aus der Welt geschafft werden, dafür haben wir es jetzt mit Campylobacter-Bakterien zu tun. Doch wenn eine schlechte Nachricht umgehend von der nächsten abgelöst wird, kann man wohl kaum von Fortschritt reden", schreibt Lang. Er nimmt sich auch die Regierung zur Brust, weil sie es augenscheinlich versäumt hat, die Lebensmittelindustrie dergestalt zu reformieren, dass sich britische Verbraucher wirklich sicher fühlen können. „An alle Politiker dieses Landes und besonders die unserer Regierung: Wann machen Sie endlich was gegen diese unhaltbare Situation?"

Die britische Regierung betont indes, dass sie ihrerseits den FSA-Bericht auf keinen Fall aufgrund von Einflussnahme durch Tim Smith erst mit Verspätung veröffentlicht habe, sondern aus dem einfachen Grund, dass die Stichprobengröße der untersuchten Supermärkte nicht ausreichend war. Gleichzeitig bedauere man, dass dadurch „ein falsches Bild entstanden sein könnte."

Lang kauft das aber nicht ab. „Ich kann den britischen Verbrauchern nur Folgendes nahelegen: Meldet euch zu Wort, zeigt euch entrüstet, handelt und, vor allem, haltet euer Geld zurück, bis ihr euch wieder auf die Qualität in Supermärkten verlassen könnt", schreibt er.

Glücklicherweise ist Hühnerfleisch eh keine geschmackliche Offenbarung. Falls ihr also über die Feiertage nach England düsen wolltet, habt ihr jetzt einen Grund mehr, euer Gespartes in Rindersteak zu investieren.

Oberes Foto: Steve Garfield | Flickr | CC BY 2.0