Um fair zu sein, jede Hitzewelle entschleunigt – aber nicht nur wie üblich die Arbeitskraft, sondern offensichtlich auch manche Denkprozesse. Anders lässt sich nicht erklären, wie eine neue, besonders dämliche Verschwörungstheorie aus Kreisen der AfD zu Stande gekommen ist. Die werfen der ARD eine Manipulation bei der Wettervorhersage vor.
Dass die Medien falsche Vokabeln benutzen würden, wenn es um das hiesige Wetter geht, brachte bisher überwiegend Jörg Kachelmann zum Brodeln, der sich auf Twitter darüber auslässt, dass “Hitzesommer” eigentlich “Dürre” heiße und diverse Wetterberichte wissenschaftliche Fakten nicht richtig deuteten. Jetzt aber verbreiten Rechte im Internet, dass in der Vorhersage auch die falschen Farben (Dunkelrot!) auftauchen würden, um zugunsten der Grünen die “Klimahysterie” anzuheizen.
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Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte hat als erstes seinen Aluhut ausgepackt. Und obwohl das Material eigentlich gut isoliert, schlagen ihm die andauernd hohen Temperaturen wohl doch auf den Kopf. Er vermutet, dass die Tagesschau ihre Farbpalette dramatisch verändert habe.
“Schon 22 Grad werden heute von der Tagesschau in feurig orangen Farbtönen dargestellt”, schreibt Nolte in einem Post auf Facebook und fragt, ob das noch Berichterstattung sei oder schon Manipulation, wenn nicht zumindest optisches Framing. Dazu teilt Nolte zwei Karten der Nachrichtensendung aus den Jahren 2009 und 2019, die eine Wettervorhersage für den 4. Juni zeigen. Die Überschrift: “Fühlen Sie sich manipuliert?”
Der Post wird mehrfach geteilt, bevor Nolte ihn löschen lässt. Aber die Grafik geht weiter rum. Auch Marco Tullner, CDU-Bildungsminister (Betonung auf Bildung) in Sachsen-Anhalt, teilt sie und schreibt: “Warum wurden eigentlich die Wetterkarten von grün auf glutrot, bei selben Temperaturen, umgestellt?”
Die Antwort gibt es seit Mittwoch im Faktenfinder der Tagesschau, der den Unterschied zwischen einer Temperatur- und einer Wetterkarte erklärt.
“Was die AfD-Verbände und verschiedene Nutzer […] nicht beachtet haben: Es werden Karten miteinander verglichen, die unterschiedliche Dinge zeigen”, heißt es dort. Die obere Karte zeigt, welche Temperaturen erwartet werden. Die Farbgebung orientiert sich dabei an Dunkelrot, für sehr heiß, bis zu kaltem Blau. Auch wichtig für die Einfärbung der Karte ist die Relation zur Jahreszeit. Im Januar wären 10 Grad Außentemperatur vergleichsweise warm, wohingegen es im Juni ungewöhnlich kühl wäre. Nicht jede Temperatur habe deshalb eine eigene Farbe. Eine Wetterkarte, also die Grafik aus 2009, zeige etwas ganz anderes. Nämlich ob es regnet, bewölkt ist oder in welchen Teilen die Sonne scheint. “Diese Informationen werden mit einer neutralen Karte hinterlegt. Das war übrigens auch bereits 2009 so”, schreibt die ARD im Faktenfinder.
Die AfD kann also nicht nur schlecht mit Zahlen umgehen und falsche Fakten verbreiten, sondern hätte auch eine Extrastunde im Kartenlesen dringend nötig. Nolte räumt auf diese Erkenntnisse ein, dass sein Vergleich grafisch falsch war, bleibt aber dabei, dass seine Botschaft wichtig sei. Aus den eigenen Reihen bekommt er dafür Zuspruch. Vielleicht sollten kollektiv die Aluhüte abgesetzt werden, damit die übertrieben heiße Luft aus diesen Köpfen weichen kann.
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