Politik

Diese drastischen Folgen hat es für Sportler, sich politisch zu engagieren

Sport bietet eine Reichweite, mit der man für etwas einstehen kann. Das geht meist nicht ohne Konsequenzen – wie diese fünf Beispiele zeigen.
Die Allianzarena wird in Regenbogenfarben ausgeleuchtet, die für die LGBT-Community stehen, um im Sport ein Zeichen der Inklusion zu setzen.
IMAGO/ Sven Simon 

Gegen die "Allgemeinen Verhaltensgrundsätze" der UEFA verstößt, wer Sportveranstaltungen für sportfremde Kundgebungen benutzt. So begründete der europäische Fußballverband die Ermittlungen gegen Manuel Neuers Regenbogenbinde, die er während der EM-Spiele gegen Portugal und Frankreich trug. Sport soll also nicht politisch sein. Die Ermittlungen wurden inzwischen eingestellt. Neueste Volte: Die UEFA verbietet es München, die Allianz-Arena beim Deutschland-Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten.

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Was die UEFA vergisst, ist, dass Sport schon immer politisch war. Die immense Menge an Menschen, die Sportereignisse erreichen, die Höhe an Geldern, die fließen, die Auswahl der Länder, in denen Sportveranstaltungen ausgetragen werden oder der Bau von Stadien unter menschenverachtenden Bedingungen – all das ist politisch. Wir haben Sportler gesammelt, die sich trotz der Konsequenzen für etwas eingesetzt und ihre Plattform genutzt haben.


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Black-Power-Protest während den Olympischen Spielen 1968

1968 ging das Bild der amerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos um die Welt. Während der Olympischen Spiele in Mexiko nutzten sie ihre Podestplätze beim 200-Meter-Lauf für ein politisches Statement. Als während der Siegerehrung die US-Amerikanische Hymne ertönte, senkten sie ihre Köpfe und erhoben jeweils eine Faust. Beide trugen einen schwarzen Handschuh. Sie wollten mit diesem Black-Power-Gruß auf Rassismus in den USA und die Bürgerrechtsbewegung aufmerksam machen. Auf ihrer Trainingsjacke trugen beide einen Anstecker des "Olympic Project for Human Rights". Der zweitplatzierte Australier, Peter Norman, wollte sich mit der Aktion solidarisieren, als die US-Amerikaner ihn vor der Siegerehrung in ihre Pläne einweihten. Wie die beiden anderen Gewinner trug Norman dann auch einen solchen Anstecker auf dem Siegertreppchen. 

Die Empörung war groß. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage, entschied, dass die beiden US-Amerikaner umgehend aus dem Team der USA entfernt werden sollen. Das war keine Überraschung. Brundage war vor den Olympischen Spielen 1936 nach Berlin gereist und konnte in Nazi-Deutschland keine Verstöße gegen den Olympischen Geist feststellen. Das Team protestierte, doch als mit der Entfernung der gesamten Leichtathletikmannschaft gedroht wurde, wurden Carlos und Smith aus dem Team entfernt und nach Hause geschickt.

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Norman musste nicht direkt abreisen. Die Konsequenzen kamen dann einige Jahre später. Obwohl er sich für die Olympischen Spiele in München qualifizierte, wurde er vom Australischen Team nicht mitgenommen.

Take a Knee gegen Polizeigewalt

Die USA nehmen ihren Patriotismus sehr ernst. Nicht zu stehen, während die Hymne gesungen wird, ist für manche Amerikaner unverzeihlich. Das wusste der NFL-Quarterback Colin Kaepernick, als er sich dazu entschied, vor den Spielen bei der Nationalhymne zu knien, was das Statement umso stärker machte. Er kniete im Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus. Fans waren wütend, allen voran der Präsident selbst. Donald Trump bezeichnete Sportler, die wie Kaepernick die Flagge nicht respektieren, als "Hurensöhne". Kaepernicks Vertrag wurde nicht erneuert. Das ist nun schon fünf Jahre her. Mittlerweile hat er mit "Know Your Rights" eine Organisation gegründet, die schwarze Menschen in den USA unterstützt. Er wurde vom Star-Athleten zur Social-Justice-Ikone. Die NFL, die ihn vor fünf Jahren nicht mehr dabei haben wollte, ruderte mittlerweile zurück. Roger Goodell, Commissioner der NFL, sagt, dass er es unterstütze, sollte Kaepernick ein Comeback machen. Er ermutigte Teams, ihn unter Vertrag zu nehmen.

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"I'm not going to the fucking white house"

Megan Rapinoe polarisiert. "I'm not going to the fucking white house", sagte die Stürmerin der US-amerikanischen Fußballnationalmannschaft ganz lässig in einem Video aus 2019. Sollte ihr Team die WM gewinnen, würde sie den Präsidenten nicht besuchen wollen. Trump konterte mit drei wütenden Tweets, in denen er die Fußballspielerin dazu aufforderte, ihr Land, die Flagge und das Weiße Haus zu respektieren. Rapinoe ist bekannt für ihre Kritik an Donald Trump. Für sie ist er demnach ein Sexist, Rassist, engstirnig und ein schlechter Mensch. 

Auch schon vor 2019 hat sie sich politisch engagiert. Nur Tage nachdem Kaepernick während der Hymne kniete, tat Rapinoe es ihm gleich. Sie war die erste weiße Sportlerin, die Kaepernick in seinem Protest unterstützte. Ihre Aktion hatte Konsequenzen. Die Medien zerfleischten sie, Anmeldungen für ihr Fußballtrainingslager wurden zurückgezogen und ein Restaurant in ihrer Heimatstadt nahm Bilder von ihr von der Wand, weil sich ein Gast beschwerte. Mit ihrem Aktivismus hat sie aber trotzdem nicht aufgehört. Die Hymne singt sie immer noch nicht mit.

Nawalny und Eishockey

Der russische Eishockeyspieler Artemi Panarin, der bei den New York Rangers in der NHL spielt, nutzte im Januar seine Reichweite auf Instagram, um sich gegen Putin auszusprechen. In einem Post forderte er die Freiheit für den inhaftierten oppositionellen Politiker Alexei Nawalny. Kurz darauf wendete sich sein Ex-Trainer Andrei Nazarov an die russische Presse und warf dem Spieler vor, 2011 in Lettland eine 18-jährige gewaltvoll angegangen zu sein und ihr 40.000 Euro für ihr Schweigen gezahlt zu haben. Egor Paraskun, ein russischer Sportjournalist, geht von einer Hetzkampagne aus. Solche Vorwürfe sollten natürlich nicht einfach ignoriert werden. In diesem Fall darf jedoch nicht außen vor gelassen werden, wer sie erhoben hat. Nazarov ist ein Putin-Sympathisant, der Fans mit Hockeyschlägern verprügelt und Schuld daran war, dass ein Teamarzt im Krankenhaus landete. Beweise für den Übergriff sind bisher noch keine aufgetaucht. Auch der lettischen Polizei liegt keine Anzeige vor. Panarin hat sich nach den Vorwürfen eine Auszeit genommen, stand nach mehreren Wochen aber wieder auf dem Eis.

Manuel Neuers Regenbogenbinde

Im August 2019 twitterte die UEFA im Hinblick auf die EM 2020 noch: "There are still lots of people, and many within the LGBTQ community, who don't feel included or welcome within football. We think it's important to remind them that they absolutely are." So wichtig scheint es dann aber trotzdem nicht gewesen zu sein. Eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben ist nämlich fast schon zu viel Inklusion in den Augen der UEFA. Denn als der deutsche Torwart Manuel Neuer eine solche während der EM-Spiele im Juni gegen Portugal und Frankreich trug, leitete die UEFA Ermittlungen ein. Eigentlich müsse die von der UEFA bereitgestellte Binde getragen werden, erklärte DFB-Sprecher Jens Gittner. Peinlich ist es trotzdem, vor allem während des Pride Months. Lange dauerte es nicht bis die UEFA die Überprüfung wieder einstellte. Auf Twitter fasste der DFB das Statement zusammen: "In dem Schreiben wird die Regenbogenbinde als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für 'good cause' bewertet." Ob das aus Überzeugung geschah, ist sehr fraglich. Den Antrag der Stadt München,  beim Deutschland-Spiel gegen Ungarn das Stadion in Regenbogenfarben anleuchten zu dürfen, lehnte die UEFA ab.

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