Politik

Attila Hildmann ist der am schlechtesten vorbereitete Verschwörungstheoretiker Deutschlands

Gegen die "Pharmamafia", gegen die "Kommunistin Merkel" oder doch gegen China – wer die Angriffe seiner Lakaien wegsteckt, stellt fest: Hildmann ist erstaunlich einfach schachmatt zu setzen.
Attila Hildman spricht in ein Mikrofon vor einem Dollarschein. Der Verschwörungstheoretiker kann seine kruden Thesen bei Nachfragen kaum belegen
Symbolfoto: Attila Hildmann: imago images / Klaus Martin Höfer | Dollarschein: imago images / CHROMORANGE

Attila Hildmann kann sich einfach nicht entscheiden. Ob das Coronavirus jetzt wirklich ein von China gesteuerter, perfider Plan ist oder doch nur ein linksversiffter Fake der "Kommunistin Merkel" – der ins Verschwörerische abgeglittene Fernsehkoch hat beides schon behauptet und geht nach wie vor dagegen auf die Straße.

So auch am Samstag, den 27. Juni. Hildmann hat an diesem Tag einen missglückten Autokorso gegen Corona-Maßnahmen in Berlin organisiert, der unter anderem die Black Lives Matter-Demo an der Siegessäule hupend umkreisen sollte. Das hat nicht so richtig geklappt: Durch die Absperrungen konnten die Autos nur einen Viertelkreis um die Goldene Else fahren, berichtet der Tagesspiegel.

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Nach Demo-Ende am Messegelände filmen einige Journalisten Hildmann. Erst will Hildmann gerne noch in eine Kamera erzählen, warum er da ist – "für Menschenrechte, gegen ne Pharmamafia, gegen Großkonzerne, die Deutschland verraten haben" –, dann allerdings kippt die Stimmung und Hildmann konzentriert sich lieber auf die Presse. "Ihr seid Faschisten", sagt Hildmann zu dem Journalisten, der als einziger einen Mundschutz trägt, "und wir werden eure Namen finden, und dann gucken wir mal weiter." Der Verbindungspolizist, der die Demo sichert, sieht in dieser Drohung offenbar keine unmittelbare Gefahr und lässt Hildmann weiter stänkern.


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Das ist fatal, denn wie in einem anderen Video von diesem Nachmittag deutlich wird, sieht der AfD-nahe YouTuber Stefan Bauer das als Einladung, den filmenden Journalisten minutenlang zu bedrängen. Zwischendurch schlägt ein anderer Teilnehmer dem Journalisten auf die Kamera. Erst aus einer anderen Perspektive (ab Minute 11:55) wird deutlich, dass der Täter von der Polizei sofort isoliert wird.

Nach der Demo wiegelt die Berliner Polizei Kritik am Einsatz per Twitter ab: "Wir haben die Pflicht, Versammlungen ungeachtet ihres Themas & die Pressefreiheit zu schützen. Provokantes oder aggressives Verhalten aus Versammlungen heraus wird immer auch strafrechtlich bewertet. Wir lassen den Fall mit in die Vorbereitung künftiger Einsätze einfließen."

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Jeder, der zweimal nachhakt, kann Hildmann ins Straucheln bringen

Klar wird jedoch an diesem Tag auch, auf welchem wackeligen ideologischen Boden Hildmann steht – und das selbst gemessen an Anhängern von Verschwörungsfantasien. Natürlich kann auch Hildmann nicht erklären, wie das jetzt eigentlich klappen soll mit der supergeheimen Massenimpfung, wenn selbst er und Detlef D!Soost darüber informiert wurden.

Und warum er – gemeinsam mit halstätowierten Skinhead-Freunden im barbiepinken King-of-The-Grill-Top und Pro-AfD-YouTubern – immer noch jede Woche auf der Straße demonstrieren darf, obwohl Hildmann selbst davor warnt, dass "das Regime" mindestens 18 Monate Lockdown geplant hätte.

Man konnte an diesem Tag den Eindruck bekommen, dass Anhänger Hildmanns bereits von seinen kruden Telegram-Thesen radikalisiert wurden – ein gefährliches Spiel, das auch Xavier Naidoo beherrscht. Doch wenn man es schafft, seinen Mitdemonstranten so höflich und bestimmt zu begegnen, wie es der bedrängte Journalist am Samstag hingekriegt hat ("Bitte halte Abstand!"), bleibt von Hildmanns ideologischem Gerüst schon nach ein oder zwei interessierten Nachfragen kaum mehr etwas übrig. Das zeigt zum Beispiel ein Video, in dem ein Demo-Teilnehmer Hildmann auf einer Hygienedemo im Frühjahr vor dem Bundestag dafür zusammenfaltet, dass er sich mit Rassisten und Antisemiten abgibt. "Ich nehm's in Kauf, als Migrant von den Rassisten hier angegriffen zu werden, um dich zu stellen!", brüllt er Hildmann an. Der erwidert: nichts.

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"Gute Frage. So tief bin ich überhaupt nicht in dem Thema drin."

Man könnte Hildmann sogar als den am schlechtesten vorbereiteten Anhänger von Verschwörungsmythen bezeichnen – sobald jemand nachhakt, kommt er schneller ins Straucheln, als er seinen Telegram-Pin eintippen kann. In einem Podcast der (mittlerweile eingestellten) Reihe "100% Realtalk" ist Hildmann bei den ebenfalls Verschwörungsfantasien nicht abgeneigten Rappern MC Bogy und B-Lash zu Gast und doziert über die New World Order. B-Lash möchte wissen, woher Hildmann die gerade vorgetragene Zahl von 500 Millionen Menschen hat, auf die die Weltbevölkerung angeblich reduziert würde.

"Das, äh, steht auf einem 1980 erbauten Denkmal in Amerika, das sind die Georgia Guidestones", sagt Hildmann in die beiden leeren Gesichter von Bogy und B-Lash, "das müsst ihr euch so vorstellen, das ist wie so'n Monument, wie ne Pyramide, und da stehen auf diesen Steinen sozusagen die Grundregeln für eine neue Weltordnung. Und man geht davon aus, dass das eben diverse Geheimgesellschaften sind, die dieses Ziel seit Jahrzehnten verfolgen …"

"Ganz kurz, Bruder, warte", unterbricht ihn B-Lash. "Das kann doch auch der Bürgermeister damals installiert haben. Der kann doch da einfach irgendwelche Steintafeln draufgeballert haben, Bock drauf gehabt haben, da irgendwas zu meißeln. Letztendlich: Wo kommen die Anhaltspunkte her, dass das irgendwie elitengesteuert ist?"

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Hildmann wirkt getroffen: "Das ist ne gute Frage. So tief bin ich überhaupt nicht in dem Thema drin."

Mit Attila Hildmann umgehen heißt, ihm einfache Fragen zu stellen

Der Ausschnitt aus dem 100% Realtalk-Video zeigt deutlich, wo Hildmanns Schwäche liegt. Man kann ihn argumentativ sehr einfach überwältigen. Ohne Wutbürger im Rücken, ohne sein Angeber-Auto, ohne seinen liebsten Kommunikationskanal Telegram, in dem er alleine über die Verbreitung seiner Theorien bestimmt, wird Hildmann in einem ernsten Gespräch klein und berechenbar. In 1:1-Interviewsituationen, in denen er einfachen Fragen zur Quellenlage begegnen muss, wirkt Hildmann oft schlicht und ratlos – was ihn fast schon sympathisch macht, würde es nicht um hasserfüllte Ideologien gehen, die er verbreitet.

Den echten Schmerz über einen wahrgenommenen Verrat, den fast alle Anhänger von Verschwörungsmythen in sich tragen, trägt Hildmann außen vor sich her – in einer Unsicherheit, die sich in Wut und Panik äußert.

Denn es läuft gerade auch abseits von Straßenprotesten nicht ideal für Hildmann. Gerade wurde sein Telegram-Kanal von Aktivisten gehackt, die 2.000 Mitglieder aus dem Chat schmissen. Screenshots belegen, wie Hildmann reagiert, als ihm die Kanal-Administration entgleitet: "Ich versteh hier gar nichts mehr!", tippt er in Großbuchstaben. Am Sonntag, den 28. Juni, veröffentlicht er ein Video, in dem er Anonymous-Aktivisten droht. Würden die einen Fuß auf sein Grundstück setzen, "gibts nen einkalten Daisho [ein Getränk, das Hildmann vertreibt]! Mehr will ich dazu nicht sagen!" Souverän geht anders.

Am Rande der Demo am Samstag fährt er den Journalisten Tobias Huch noch an, er wisse genau, wer er sei – und wer sein Auto verwanzt hätte. Wie bei Xavier Naidoo gilt: Auslachen ist keine Lösung. Aber vielleicht hätte jemand einfach mal genau wie B-Lash fragen sollen, wo denn da die Anhaltspunkte sind.

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