Bild oben: zwei von Alex Solmans außergewöhnlichen Flyern mit Ben UFO (links) und der Pudel Gang
Darf man über Techno eigentlich auch Witze machen? Immerhin schauen all diese einsamen DJs doch immer so hart und ernst. Alex Solman ist das so ziemlich egal. Im Gegenteil: Der Grafiker und Zeichner “vergreift” sich sogar noch mit Vorliebe und großer Lust an den grimmigen Zeitgenossen. Und die freut’s.
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“Manchmal nehme ich ein Booking im Pudel nur an, um einen von Alex’ Flyern zu bekommen”, lässt sich etwa FaltyDL über die abstrakten Arbeiten zitieren, mit denen Solman seit Jahren die Veranstaltungen im Hamburger Golden Pudel Club bewirbt. Dabei zerfallen Künstler*innengesichter auch gerne mal in Kreise oder scharfe kubistische Kanten. Oder sie verfließen ineinander (wahlweise) zu einem großen Personenstrauß, Bierdosen und den Hamburger Stadtmusikanten (sic). So sieht man das sonst bei keinem anderen Club auf der Welt. Die DJs und Produzent*innen wiederum verbreiten fröhlich die Flyer unter ihrer internationalen digitalen Gefolgschaft.
Zwar hat die Pudel leider gerade noch immer brandschadenbedingte Zwangspause, Solman zeichnet allerdings auch für andere Partys. Acts wie Demdike Stare, Helena Hauff und Sleaford Mods haben ihn zudem bereits engagiert. Für die ikonografischen Cover der “FACT Mixes“-Serie ist er ebenfalls verantwortlich. Und jetzt ist bei Monkeytown Records unter dem Titel Die Welt ist eine Pudel. Illustrationen ein dicker Band mit seinen lustigsten, schönsten, kurzum: besten Sachen herausgekommen. Und in Hamburg sind gerade gemeinsame Arbeiten mit den anderen lokalen “Promo Boys” – Thomas Baldischwyler und Stefan Marx – im Âme Nue zu sehen.
Anlass genug, Alex Solman (mehr oder minder direkt) zu fragen: Wo kommt der ganze Wahnsinn eigentlich her? Und magst du nicht auch für uns was zeichnen, bitte? Hat er gemacht. Hier unser Interview:
Noisey: Alex, die schwierigste Frage zuerst. Wenn ich richtig gezählt habe, hast du neun Arten, Flyer zu zeichnen bzw. zu arbei…
Alex Solman: Neun? Das ist mir neu.
Ich wollte noch unsere Grafiker*innen nach den Fachtermini fragen, aber ich nenne sie mal: realistische Abstraktion, kubistisch, runde Cut-ups, Filzstift, Arbeiten mit Materialien …
Nicht zu vergessen: die total schlampige Kritzelei!
Und einige andere. Wie entscheidest du, was du bei einer neuen Arbeit verwendest?
Erst mal schauen, was das Artist-Gesicht hergibt. Wenn das nicht viel ist, gibt es vielleicht zumindest eine gute Story. Dann wird der Flyer eher etwas bildhaft. Bei Veranstaltungen mit einem Motto versucht man wiederum, dieses umzusetzen. Wobei, manchmal suche ich das Motto auch selbst. Die Idee prägt jedenfalls den Stil.
Wie sieht das konkret aus?
Ende April sollen Idle Hands was im ://about blank in Berlin machen. Ich hatte zwar Englisch LK, aber doof, wie ich bin, meinte ich, idle würde “eitel” heißen – statt “müßig”. Da war die Idee kaputt. Als ich bereits lange überfällig war, blickte ich auf meine Hände, meine faulen Hände, die aussahen wie zwei Faultiere. Aus diesen zwei Händen mit Faultiergesichtern wurden die Idle Hands. Das ging dann ziemlich schnell.
OK. Das hier ist jetzt die erste “Zeichnen-Frage”, bei der wir später so tun werden, als hätte ich sie dir gerade gestellt. In Wahrheit hast du die Antwort zu Hause bei dir gezeichnet – und ich bei der Einleitung geschummelt. Also: Magst du was trinken? Was ist dein Lieblingsgetränk?
Ich weiß nicht, ob sie das hier haben, Moment bitte … Nein, haben sie nicht. Jedenfalls: Noch öfter als Getunke und Faultierhände zeichnest du Porträts.
Das Gesicht gibt da eigentlich schon vor, ob es Pinsel mit Tusche, Fineliner mit Lineal oder doch der Edding wird. Und ob man das Gesicht in Kanten zerteilt, oder es eben einfach rund ist. Bei einem “FACTmix”, wo man manchmal Duos und Trios hat, ist das immer extrem schwierig. Den einen bekäme man mit drei Strichen hin, der andere ist ein 150 Kilo Typ mit Babyface, der dritte hat fizzilige Haare …
Was wäre dir lieber?
Wenn alle die gleichen Brillen oder zumindest das gleiche Make-up tragen würden. Wobei du heute ohnehin einen Techno DJ und einen Indierocker auch nicht mehr optisch voneinander unterscheiden kannst.
“Ich habe mit meinen Flyern den Wahnsinn verdaut, den ich sonntags betrunken im Pudel erlebe.”
Wolltest du schon immer Zeichner und Grafiker werden?
In der Schule war ich gut im Kunst LK, aber Malen stand nicht so hoch im Kurs. “Ja, Frau Solman, zeichnen kann der Alexander, aber in Mathe ist er eine Null. Was soll aus dem mal werden?” Der Satz saß. Später habe ich in einer Werbeagentur gearbeitet, da habe ich viel gekritzelt und am liebsten Storyboards gemacht. Die Agentur ist dann allerdings mit der Dotcom-Blase kaputt gegangen.
Und dann bist du im Pudel und damit in Hamburg gelandet?
Eigentlich wollte ich mit dem Zeichnen aufhören und so was wie Bauarbeiter werden, aber mein Freund Marco Haase alias T.Raumschmiere, für den ich damals die Cover machte, hat mich an den Pudel vermittelt. Am Anfang war es noch ein Monatsflyer, dessen Front ich zeichnete. Comichafter Stil, mit dem ich all den Wahnsinn verdaute, den ich sonntags betrunken in diesem Laden erlebt habe. Ralf, Tim, die Leute … da war einiges zu verarbeiten als frisch zugezogener Provinzler.
Zeichnenzwischenfrage, die zweite: Wenn Hamburg eine einzige Person wäre und die besitzt so ein Dorian Gray-haftes Gemälde, wie würde das deiner Meinung nach aussehen?
Heute bist du für viel reduziertere Arbeiten bekannt.
Weil ich anfing, auch für einzelne Leute und Veranstaltungen was zu machen. So kam es, dass Name und Datum bereits unten auf dem Bild verewigt wurden. Ich habe mir immer gedacht: Mach ein gutes Bild, dann kriegen die Leute auch mit, was es für eine Veranstaltung ist. Anstatt da nur immer Namen hinzupacken wie bei anderen Flyers und Plakaten.
Tatsächlich haben deine Sachen einen ziemlich hohen Wiedererkennungswert, auch weil du die Leute teilweise recht deformierst.
Ich zerlege die Leute schon richtig. Bislang hat aber noch nie jemand gesagt: “Das nimmst du zurück!” Wer im Pudel spielt, weiß auf was für einen merkwürdigen Deal er sich einlässt: Er bekommt kaum Geld, dafür aber einen Mordsschädel und diesen typisch speckigen Humor. Diese Hamburger Fähigkeit im Pudel, auch mal über sich lachen zu können, hat mich in den ersten Jahren dort gehalten. Man nimmt die Kunst ernst, sich selbst aber nicht.
Wie siehst du dich denn selbst als Künstler?
Ich bin immer noch nicht so gut mit Gesichtsproportionen, aber mittlerweile will ich das auch gar nicht mehr sein. Verbuchen wir das mal als künstlerische Freiheit.
Konnten eigentlich deine Pudel- und MFOC-Kollegen Tim und Ralf auch darüber lachen, als du damit begonnen hast, sie als diese auf wenige schmeichelhafte Art und Weise zu zeichnen?
Das war ja ein Prozess, und Tim und Ralf machen es einem wahnsinnig einfach. Tim: die Brille, die doppelte Stirnfalte und ‘ne Kippe. Ralf: die zwei Zähne und drei Haare, die er sich über die Glatze kämmt. Das wurde sofort akzeptiert.
Wie siehst du euch drei denn an dem Tag, an dem du in Zeichnerpension gehst?
Nun durchlebt der Pudel seit dem Brand im Februar 2016 ja noch immer eine Zwangspause. Wie geht es dir damit?
Das letzte Jahr war finanziell schon schwer. Ich habe deshalb angefangen, meine Schallplatten zu handeln. Ich war bin ja Teil vom Pudel und habe auch eine Zeit lang an der Tür gearbeitet. Das hat mir dann erstmal die Fixkosten gesichert. Für das Uebel & Gefährlich und die Berliner Veranstaltungsreihe “You Don’t Really Know Me” zeichne ich auch bereits seit Jahren. Und eben Plattencover.
Der Club wird dennoch schmerzlich vermisst.
Das Gute ist, dass der Pudel erstmal gesichert ist und wir jetzt versuchen werden, ihn als Laden für jeden zu erhalten. Eine Bastion, die uns so schnell niemand mehr wegnehmen kann. Wir werden nicht auf Cocktails und 12 statt 3 Euro Eintritt umschwenken.
Wie weit seid ihr denn?
Mittlerweile wurde der Boden gemacht, die Anschlüsse gelegt und man ist bereits an den Holzarbeiten. Ich soll mir etwas für die Tresengestaltung einfallen lassen. Es geht voran. Nach anderthalb Jahren ist es auch mal gut.
Zeichnenfrage Nummer vier, die letzte: Wie stellst du dir die wiedereröffnete Pudel vor?
OK. Noch drei abschließende Fragen zu deiner Arbeit: Bist du ein eher selbstkritischer Künstler?
Ich bin gerne unzufrieden. Das liegt auch daran, dass es für mich immer schnell gehen muss. Ich sitze 5 Minuten bis maximal 5 Stunden an einem Flyer.
Lieblingsarbeitszeit?
Ich arbeite am liebsten vormittags und zu viel Kaffee darf ich dabei auch nicht trinken. Alkohol sowieso nicht, auch wenn das manche berühmte Maler anders gesehen haben.
Deine eigene Problemzone?
Mein Gesicht. (lacht)
Ach, komm. Danke, Alex!
Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.
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