Alexander Isak hat mit Zlatan nichts gemeinsam—bis auf das Talent

Dortmund hat es schon wieder getan. Nicht nur, dass sie erneut einen hochtalentierten Teenager an sich binden konnten (für kolportierte neun Millionen Euro). Sie haben sich außerdem—wie schon bei Ousmane Dembélé im letzten Sommer—gegen so namhafte Nebenbuhler wie Real Madrid durchsetzen können. Doch nicht nur in Spanien war man heiß auf den „neuen Zlatan”. Beim Spiel zwischen IFK Göteborg und AIK Solna saßen Scouts von sage und schreibe 69 ausländischen Vereinen im Stadion. Doch wie tickt Alexander Isak, der in Schweden einen Rekord nach dem nächsten geknackt hat und diese Saison sowohl zum besten Newcomer der Allsvenskan als auch zum Fan-Liebling gewählt wurde? Kleiner Spoiler vorweg: Er ist alles, aber nicht der neue Zlatan. Denn verschiedener könnten beide kaum sein.

Angefangen damit, dass Isak im Gegensatz zu Zlatan nicht in einem mit Kriminalität und Perspektivlosigkeit kämpfenden Problembezirk wie Rosengård aufgewachsen ist, sondern im beschaulichen und grünen Stockholmer Unterbezirk Ulriksdal. Dort trat Isak schon als Sechsjähriger in den Verein AIK Solna ein, dem er bis zu seinem frisch vollzogenen Wechsel nach Dortmund die Treue gehalten hat. Nicht so Zlatan: „Wenn man ihn nicht einsetzte, dann ging er und spielte einfach für ein anderes Team”, zitiert die SportBild Zlatans ersten Trainer Ivica Kurtovic. „Er wechselte hin und her. Er konnte schon damals regelrecht ausrasten, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte”, so Kurtovic weiter.

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Will man Isak mit maximal zwei Attributen beschreiben, wären leise und bescheiden geeignete Kandidaten. Denn genau dieses Bild bekommt man vom 17-Jährigen, wenn man in der schwedischsprachigen Presse Interviews mit langjährigen Begleitern, Mitspielern und Jugendtrainern durchforstet. Und leise und bescheiden sind nicht unbedingt Charakterzüge, für die Zlatan Ibrahimovic bekannt geworden ist.

Beide haben gemeinsam, dass sie hochgeschossene Offensivspieler sind. Doch während Zlatan schon immer mehr über die Physis gekommen ist, ist Isak vor allem ein feiner und pfeilschneller Techniker. Worauf sich die Dortmund-Fans freuen können, ist ein Spieler, dem unglaublich viel Spielverständnis nachgesagt wird.

Zlatan hat schon als Jugendlicher ungern von anderen (älteren) Spielern als seine Vorbilder gesprochen, wahrscheinlich weil er sich schon damals für King Kotelett gehalten hat. Nicht so Isak, der immer wieder betont hat, wie wichtig seine ersten Erfahrungen bei den Profis für seine Entwicklung waren: „Wenn Spieler wie Henok (Goitom, Anm. d. Red.) oder Nisse (Nils-Eric Johansson, Anm. d. Red.) sehen, dass ich etwas falsch mache, sagen sie mir das. Sie helfen mir sehr und unterstützen mich.” Ein Zlatan aber hat schon als jugendlicher Spieler keine Hilfe gebraucht, geschweige denn, dass er sie wirklich angenommen hätte.

Wer die Doku „Zlatan. Ihr redet – ich spiele” der beiden Gertten-Brüder gesehen hat, weiß, dass der Junge aus dem Malmöer Ghetto vor allem eines wollte: spektakuläre Tore schießen. Ganz anders zitiert der Expressen einen Jugendtrainer von Isak: „Er hat im U19-Team fantastische Leistungen geboten, war dabei aber nie auf euphorische Momente aus. Stattdessen haben ihn Fleiß und Gründlichkeit dahin gebracht, wo er heute steht.” Das alles klingt nach einem für sein Alter verblüffend reifen Spieler, der geduldig arbeitet und kein egoistischer Showman ist.

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Dabei hätte auch Isak schon Grund gehabt abzuheben. Jüngster Ligatorschütze in der Geschichte von AIK, jüngster Torschütze in der schwedischen Nationalmannschaft aller Zeiten, Derbyheld und zweimaliger Torschütze beim 3:0-Erfolg gegen Djurgården (an seinem 17. Geburtstag). Jetzt also Dortmund, die im Vergleich mit Zlatans erstem Verein im Ausland—Ajax Amsterdam anno 2001—die bessere Adresse im europäischen Fußball ist. Zudem war Ibra mehr als zwei Jahre älter, als er von Malmö FF in die Eredivisie wechselte.

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Was Dortmund beruhigen sollte, ist die Tatsache, dass Alexander Isak es gewohnt ist, mit Älteren zu trainieren—und einfach ein sehr smarter Bursche ist. Tobias Ackerman, Chefscout bei AIK, geriet im Interview mit dem schwedischen Online-Magazin Cafe.se beim Thema Isak regelrecht ins Schwärmen. Auf die Frage, wie Isak damit klarkommt, nur von älteren Mitspielern umgeben zu sein, antwortet Ackermann: „Sehr gut. Er ist vom Intellekt her unfassbar weit und hat keinerlei Probleme damit, sich anzupassen. In der Kabine sehen ihn nur wenige als einen 17-Jährigen an.”

Dass Isak schon immer ein bisschen anders war, und das in einem den BVB wohl beruhigenden Sinne, wird auch aus folgender Anekdote deutlich. Ackerman berichtet von einem Jugendturnier in Krakau, zu dem Isaks Mannschaft eingeladen war. An Stelle von Lausbubenstreichen hatte der elfjährige Isak ganz andere Dinge im Kopf. „Er hatte ein Polnisch-Wörterbuch mit. So einer ist er. Er will in allem besser werden. Wir fahren nach Polen und er hat ein Wörterbuch mit, um auf Polnisch grüßen zu können. Die anderen hatten das Lustige Taschenbuch mit—wenn überhaupt.” Zlatan war hingegen nicht als besonders lernwillig bekannt und wechselte—ähnlich wie seine Jugendklubs—mehrfach die Schule.

Das, was Isak auszeichnet, ist seine Charakterstärke, seine in sich gefestigte Persönlichkeit. Noch einmal zitieren wir Ackerman, der Isaks Werdegang bei AIK aus nächster Nähe verfolgt hat: „Das Interessante ist, dass er heute dieselben Dinge tut wie damals als Zehnjähriger. Er hat sich in seinem Wesen nicht verändert.” Ebenso sein Spielstil sei gleich geblieben. „Worin er als Zehnjähriger gut war, darin ist er auch noch heute in der Allsvenskan gut.” Was Isak übrigens genauso sieht: „Ja, in meinem Leben haben sich gewisse Sachen verändert, was sich aber nicht verändert hat, bin ich.” Genau hier liegt dann aber auch eine der wenigen Parallelen zwischen Isak und Zlatan: Schon der junge Ibra soll ein arroganter Querkopf mit unfassbar starkem Willen gewesen sein, hat sich also ebenso wie Isak charakterlich nur wenig verändert.

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Jetzt beginnt also ein ganz neues Kapitel für Alexander Isak, während in Dortmund ein bereits begonnenes Kapitel—das Setzen auf hochtalentierte Perspektivspieler—weitergeschrieben wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass Isak gleich die Bundesliga einreißen wird. Andererseits hat er auch in seiner Allsvenskan-Premierensaison die Erwartungen um ein Vielfaches übertreffen können. Aber klar, die schwedische Liga ist Lichtjahre von der Bundesliga entfernt, den Qualitätssprung wird auch ein Jahrhunderttalent bemerken—übrigens auch finanziell, denn bis vor wenigen Monaten hat Isak noch 500 Kronen verdient. Das sind umgerechnet rund 50 Euro. Im Monat, übrigens.

Aber auf zwei Sachen kann sich der BVB einstellen. Isak ist vom Kopf her weitaus älter, als man bei seinem Geburtsdatum denken würde. Und er ist kein neuer Zlatan. Letzteres—trotz aller Meriten und Wunderwerke von Ibrakadabra—ist keine schlechte Nachricht für Borussia Dortmund.