Alexander Östlund: Der beinharte EM-Verteidiger, der zum bärtigen Instagram-Model wurde

Vor gut zehn Jahren war alles noch anders. Manchester City steckte noch im Tabellenkeller der Premier League fest, Hansa Rostock spielte noch in der Bundesliga und Ruud Gullit war Trainer bei Feyenoord Rotterdam. Dass der Europameister von 1988 eines Tages den tschetschenischen Verein Terek Grosny betreuen würde, hätte damals noch niemand gedacht. Damals, das heißt in der Winterpause der Saison 2004/2005, als Feyenoord der Meinung war, dass man auf dem Transfermarkt lieber nochmal zuschlagen sollte. Einer der Hoffnungsträger war der Schwede Alexander Östlund. Es ist die Geschichte eines weitestgehend enttäuschenden Fußballers, der mittlerweile als (nerviges) Hipster-Model posiert.

Enttäuschender Fußballer deswegen, weil der ehemalige Feyenoord-Rechtsverteidiger bis heute als einer der größten Fehleinkäufe der Vereinsgeschichte gilt. Das dürfte ihm aber ziemlich schnuppe sein. Denn Östlund verdient mittlerweile sein Geld als langhaariges Model, das seinen zahlreichen Instagram-Followern Einblick in sein neues Leben gibt. Ein Leben voller artsy Fotos, Tattoos, Jagdausflügen, Privatjets und einer innigen Freundschaft mit Zlatan Ibrahimović.

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Foto via Instagram @alexanderostlund

Ein paar Monate, bevor er zu Feyenoord wechselte, spielte Alexander Östlund mit der schwedischen Nationalmannschaft bei der Euro 2004. Gegner im Viertelfinale war die Niederlande. Und sein Gegenspieler war ein gewisses Supertalent namens Arjen Robben. Östlund machte gegen Arjen einen guten Job, konnte aber auch nicht verhindern, dass Schweden ausschied. Östlund spielte zu der Zeit noch bei Hammarby IF, aber wusste, dass er sich durch gute EM-Auftritte für größere Vereine empfehlen könnte.

Coach Ruud Gullit und sein technischer Direktor Mark Wotte schauten sich Östlund nach der EM noch ein paar Mal live im Stadion an. Und waren begeistert. Vielleicht haben sie sich aber auch von seinem spektakulären Äußeren blenden lassen: wilder Bart und noch wildere Mähne. Der damals 26-Jährige unterschrieb einen Vertrag über viereinhalb Jahre. Wotte äußerte sich über die Neuverpflichtung aus Schweden in einem Interview wie folgt: „Er ist ein typisch schwedischer Verteidiger. Einer mit Bart und Haaren im Nacken, der 90 Minuten die Außenlinie bevölkert. ” Doch die erste Enttäuschung gab es schon bei seiner Präsentation. Östlund kam mit Kurzhaar-Frisur an.

Was damals schon bei Östlund auffiel, war die beeindruckende Anzahl von Tattoos. Heute hat er davon noch viel mehr. Auf seinem Körper findet sich anno 2016 fast mehr Tinte als in mancher Tageszeitung. Manche seiner Tattoos sind kompliziert, andere eher simpel gehalten, wie beispielsweise der Regenschirm auf seiner Brust. Mit großer Sicherheit eine Anspielung an das bescheidene Klima in Schweden. In einem Interview mit Voetbal International sprach er über die Bedeutung seiner Tattoos:

„Jedes Tattoo hat eine eigene Geschichte, und ich habe sie alle selber entworfen. Ich habe ein Tattoo von einem alten weisen Mann mit Bart, der bei Kerzenlicht etwas schreibt. So sehe ich mich an meinem Lebensabend sein. Ein Mann, der nach einem erfüllten Leben glücklich seine Memoiren schreibt. Ich habe auch einen Drachen mit chinesischen Schriftzeichen. Das steht für eine Person, der auch in schweren Zeiten gute Taten vollbringt und stark bleibt. Und den Namen meiner ersten Tochter, Nelly Nicole, habe ich mit dem Converse-Logo verschmolzen, weil ich das mag.” Deep.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Foto via Instagram @alexanderostlund

Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft bei Feyenoord stand Östlund in den Schlagzeilen, was aber nicht mit irgendwelchen fußballerischen Meriten zu tun hatte. Im Spiel gegen AZ Alkmaar bekam er vom damals gefürchteten Raubein Barry van Galen einen Schlag ins Gesicht. Das Foto von Östlund, wie er blutüberströmt und mit rotem Fleck direkt neben dem Feyenoord-Logo am Spielfeldrand behandelt wurde, unterfütterte seinen Ruf als furchtloser Kämpfer. Nicht ohne Grund nannten ihn seine Landsleute Attila.

Doch auch der letzte Feyenoord-Fan musste schon bald einsehen, dass Östlund bis auf eine Menge Kampfgeist nicht viel zu bieten hatte. Ja, der Schwede flitzte vehement die Außenlinie entlang. Doch tat er das zumeist so wild und unkontrolliert, dass der Ball schnell wieder verloren war. Am Anfang seiner Karriere spielte Östlund noch offensiver und schoss mit seinem Siegtor den schwedischen Hauptstadt-Klub AIK 1998 sogar zur Meisterschaft. Torgefährlich war er aber trotzdem nie. In seinen ersten fünf Profisaisons kam er auf magere fünf Törchen. Auch bei Feyenoord sollten seine Ausflüge nach vorne fast immer verpuffen. Johan Derksen nannte Östlund in Football Inside abwechselnd „wilden Wikinger” und „hüftsteifen Verteidiger einer Kneipenmannschaft, der überfordert ist, sobald er den Ball erhält.” Autsch.

Trotzdem sahen viele Feyenoord-Fans ihren Schweden weiterhin als Kultspieler an, auch wenn die Fachwelt und die Presse den Daumen unaufhaltsam senkte. Östlund hatte darauf gegenüber der Sports Week eine eindeutige Antwort parat: „Ist mir scheiß egal.” Scheiß egal wurde er 2006 dann auch Feyenoord, die ihn Richtung Southampton ziehen ließen. Bevor du jetzt die Augen weit aufschlägst: Southampton spielte damals noch in der zweiten englischen Liga, also fernab vom Glamour der Premier League. Und da Östlund nie ein glamouröser Fußballer war, machte das durchaus Sinn.

In Southampton wurde er schnell zum Publikumsliebling, seiner Arbeitsmoral und Leidenschaft sei Dank. Gleichzeitig wurde er aufgrund seiner eklatanten Patzer in der Abwehr ordentlich auf die Schippe genommen. Die englischen Fans gaben ihm den Spitznamen „Jesus”, was nicht mit überirdischen Leistungen auf dem Platz zu erklären war. Die Southampton-Fans hatten einfach Spaß daran, dass in ihrer Abwehr ein Typ Wikinger mit wehender Mähne und Rauschebart spielte. Und sind wir mal ehrlich: War nicht klar, dass „Saints” und Jesus einfach zusammen passen müssen? Darum dichteten sie ihm sogar einen eigenen Song. Und brüllten Jesus, wann immer es sich anbot:

Nach 44 Spielen voller Einsatz und fehlender Klasse war das Abenteuer England für den Schweden beendet. 2008 wechselte er dann zum dänischen Erstligisten Esbjerg fB, wo er anderthalb Jahre und nur sechs Spiele später die Fußballschlappen an den Nagel hängte. Aufgrund zahlreicher Verletzungen konnte er nicht mehr schmerzfrei spielen.

Dafür, dass Östlund nie ein brillanter Fußballer war, scheint er genug verdient zu haben. Genug, um sich ein Jetset-Leben mitsamt Luxus-Jachten, schampusschwangeren Partys und teuren Reisen leisten zu können. Dazu kommen jetzt natürlich noch seine Einnahmen als Model. Mit eigener Website und Portfolio, versteht sich. Auf Schwarz-Weiß-Fotos posiert Östlund in einer optischen Mischung aus Jesus und Singer-Songwriter mit tiefsinnigen Blicken. Wenn er nicht gerade seine Muskeln spielen lässt, schaut er lässig-abwesend in Richtung Kamera.

Der Mann und das Meer. Foto via Instagram @alexanderostlund

Viele Modebrands wie Resteröds und VOLT sind glücklich, dass sie den Schweden für ihre Kampagnen gewinnen konnten. Sein Bart wird einfach von der Internet-Community geliebt, und zwar so sehr, dass er im Finale eines schwedischen Wettbewerbs zur besten Gesichtsbehaarung des Landes teilnehmen durfte.

Und in der Zwischenzeit wächst und wächst Östlunds Tattoo-Sammlung. Östlund war auch der Mann, der seinen Bestie Zlatan Ibrahimović für Tattoos begeistern konnte. Die Beiden verbindet viel und Östlund schreckt auch nicht davor zurück, Schnappschüsse ihrer Freundschaft der ganzen Welt zu zeigen: Wie sie zusammen jagen gehen, wie sie zusammen in Privatjets um die halbe Welt reisen oder Zlatans nächste Trophäe abholen. Ebenfalls häufig dabei ist ein dritter Schwede im Bunde, Daniel Majstorović, der vor seiner internationalen Karriere für Fortuna Köln kickte. Zu Dritt geht es dann im beschaulichen Südschweden auf die Jagd. Einer der wenigen Orte in ihrer Heimat, wo sie ihre Ruhe vor Fans haben.

Man darf über so manches Foto von Östlund lachen, etwa wenn er als Pirat verkleidet oder neben einer Buddha-Statue gedankenversunken posiert. Aber eine Sache muss man ihm zugutehalten: Der Typ macht genau das, worauf er Bock hat. Wenn er nicht gerade modelt, unterstützt er seine beiden Töchter, die als zwei der größten Tennistalente Schwedens gelten, gibt sich den Künsten hin, meditiert oder haut nachdenkliche Sprüche („mit Bilder”) raus. Und das so oft, bis auch der Letzte verstanden hat: Der Schweden-Jesus hat ein geiles Leben.