Wir befinden uns längst in der Epoche der High-Tech-Ernährung. Zahlreiche Erfinder arbeiten an neuen und innovativen Lebensmitteln, wie zum Beispiel Labor-Burgern, Nahrungsergänzungsmitteln, gentechnisch veränderten Pflanzen oder synthetischem Fleischersatz. Einfach technische Verfahren die Konsumenten beim Anbau ihres eigenen Essens helfen, sind jedoch noch immer rar gesät. Die Firma „Cloudfarm” will dies mit ihrem crowdgefundeten „Seedsheet” schon bald ändern.
Wie der Name verrät ist das Seedsheet ein mit Saatgut bestücktes Tuch, dass angehenden Gärtnern das Leben erheblich einfacher machen könnte: Die gewünschten Beete werden einfach online zusammengestellt und dann anschließend in einem Stoff verschickt, in dem alle Samen für die ausgewählten bereits Pflanzen eingelassen sind.
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Ein „landwirtschaftliches Malen nach Zahlen”
Die angehenden Gärtner müssen nur noch die Erde vorbereiten, das Tuch auf den Boden legen und hin und wieder gießen—den Rest übernimmt das Sheet, verspricht Cloudfarm. Sogar Unkraut hätte unter dem Tuch keine Chance mehr. (Was vielleicht das überzeugendste Argument für all diejenigen ist, die sich schon mal am Hochziehen von Karotten oder Zwiebeln versucht haben und dabei beinahe an Beikräutern erstickt sind.)
Cameron MacKugler, Geschäftsführer von Cloudfarm, nennt sein Verfahren ein „landwirtschaftliches Malen nach Zahlen”: Nutzer, die sich eine seiner Beet-Blaupausen einrichten wollen, bekommen zunächst einen „Zugang zu einer Software, die es ihnen erlaubt, einen virtuellen Garten anzulegen. Das Programm basiert auf einem umfassenden Algorithmus. Nutzer geben ihre Gartengröße ein, lassen per Eingabe ihrer Postleitzahl die Trag- und Widerstandsfähigkeit ihres Bodens analysieren und können dann über ein simples Drag und Drop die gewünschten Gemüse-, Obst- oder Kräuterpflanzen online zusammenstellen”, erklärt er gegenüber Motherboard.
„Die Idee kam mir, als ich vor einigen Jahren auf den Hof eines Kollegen aufpasste. Das Grundstück umfasste etwa 20 Hektar. Dazu gehörte auch ein sehr fruchtbarer Garten. Mein Gehalt für das Bewachen des Hauses war die Benutzung dieses Gartens—was die Zeit und den Aufwand für mich mehr als wett machte. Beim Ernten hatte ich eines Tages einen Aha-Moment. Ich hatte gerade erst die Uni abgeschlossen, kein Geld, eine winzige Wohnung und war immer viel unterwegs. Mich um einen eigenen Garten zu kümmern, wäre kaum gegangen. Deshalb überlegte ich mir dort, wie ich den Prozess des Gärtnerns vereinfachen könnte und wie jeder sein eigenes Essen anbauen könnte.”
Das Seedsheet soll nicht nur faulen Hobby-Gärtnern helfen, sondern könnte auch nach Naturkatastrophen zum Einsatz kommen.
MacKuglers Geschichte erinnert an die des Soylent-Gründers Rob Rhinehart—nur dass dieser heute einen Nahrungsersatz herstellt, während Cameron an einer effizienteren Art des Gärtnerns arbeitet. „Unser primäres Ziel ist es, gesundes Essen für jeden zugänglich zu machen”, so MacKugler. „Das Seedsheet ist ein wertvoller Zusatz für Leute, die sich bereits um Beete kümmern. Es kann ihnen helfen, Zeit zu sparen und erleichtert ihnen die Arbeit. Mit der nutzerfreundlichen Software machen wir das Gärtnern zudem für die Generation Y zugänglich, die eher keinen hundertseitigen Saaten-Katalog lesen würde. Indem wir die Hürden nehmen, mit dem Gärtnern anzufangen, wollen wir zudem die Leute, die heute schon Bio kaufen, an das DIY-Gärtnern heranführen.”
Indem Cloudfarm Kooperationen eingeht, wie sie es mit der National Gardening Association und Kidsgardening.org bereits getan haben, möchte MacKugler das Seedsheet langfristig auch als „Hilfsmittel beim Einsatz in Regionen, die von Naturkatastrophen betroffen sind” nutzbar machen.
Doch nicht nur Bio-Käufer, junge DIY-Gärtner und Gartenfreunde mit wenig Zeit gehören zu MacKuglers Zielgruppe. Vielmehr träumt der Unternehmer davon, sein Seedsheet auch an Öko-Landwirte zu verkaufen. „Wir können momentan bis zu 30 mal 635 cm große Tücher herstellen, aber wir planen, Stoffe in der Größe eines Feldes zu produzieren. Ein solches könnte ein Landwirt mit seinem Traktor auf einem Feld ausrollen—und es so sofort in ein unkrautfreies Anbaugebiet verwandeln statt mehrere Tage lang Schadpflanzen zu jäten.” Das Tuch soll zudem „den Boden wärmen, um so die Aussaat im Frühling vorzubereiten, die Erde und die Samen stabilisieren, um Erosion zu verhindern und die Wassermenge verringern, die ein Beet benötigt.”
Kein Unkraut mehr? Aussaat, wenn es sonst zu kalt wäre? „Das Seedsheet besteht aus einem Stoff, in den Kammern geschnitten sind, welche die vom Nutzer gewählten Samen in einem schnell kompostierbaren Behälter enthalten”, erklärt MacKugler. „Sobald die Samen gewässert werden, lösen sich die Behältnisse auf, und die Samen können durch die Löcher keimen und gedeihen. Weil der Stoff UV-Licht abhält, können die unterliegenden Unkräuter nicht mehr wachsen.”
Garten-Revolution oder Marketinggag: Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne ist das Pflanzentuch jetzt jedenfalls auf dem Markt und findet bereits in einigen Gärten Anwendung. Nach einer Benutzung kann das Seedsheet übrigens wiederverwertet oder kompostiert werden. Je nach Ernteerfolg kannst du es also doppelt benutzen oder aber deinen Komposthaufen damit füttern.