Klaus Wowereits Rücktritt als Bürgermeister wäre so überflüssig wie Typ 7 auf der Bristol Stuhlform-Skala—also wie Durchfall.
Es ist ziemlich einfach, sich über den SPD-Typen im Roten Rathaus in Berlin aufzuregen. Fünfmal wurde die Eröffnung des Großflughafens BER in Schönefeld verschoben. Aber deswegen gleich seinen Rücktritt als Bürgermeister zu fordern, ist Schwachsinn.
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Als Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Klaus Wowereit ja bereits zurückgetreten. Aber das allein ist ja schon Schwachsinn. Er bleibt nämlich normales Mitglied des Aufsichtsrats. Daneben war dieser Schritt auch völlig unnötig, denn das, was mit dem BER passiert ist, ist gar nicht so schlimm, wie alle sagen. Aus unternehmerischer Sicht ist das sogar fast normal. Bei solchen Großprojekten kann man gar nicht konkrete Eröffnungstermine Jahre im Voraus festlegen.
Ob bei dem Bau nun wirklich total geschlampt wurde, checkt der Aufsichtsrat sowieso erst, wenn es zu spät ist. Das liegt in der Natur des Aufsichtsrats. Jetzt so zu tun, als hätte Wowereit das alles verbockt, ist also der zweite Schwachsinn. Das einzige, was man Wowereit vorwerfen kann, ist, dass er sich immer wieder mit einem Eröffnungstermin selbst unter Zugzwang gesetzt und damit zum Otto gemacht hat.
Das kann der neue Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Platzeck aus Brandenburg (SPD) vielleicht mal abstellen, wenn er es denn werden sollte. Mehr kann man von Platzeck auch nicht erwarten. Denn der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat keine besonderen Rechte und Pflichten. Ein Aufsichtsrat ist ein Kollegialorgan. Alle, die da drin sitzen, stimmen gemeinsam ab und sitzen deshalb in derselben Scheiße. Ja, das gilt auch für dich, Bund, der mit zwei Staatssekretären aus Peter Ramsauers CSU-Verkehrsministerium ebenfalls im Aufsichtsrat mit von der Partie ist.
Dass sich die gesamte Republik auf die Person Wowereit konzentriert, ist also total übertrieben.
Wer ist denn dann der Verantwortliche?
Die eigentliche Verantwortung, wenn es also darum geht, wer wirklich Scheiße gebaut hat, liegt allein beim Vorstand, und damit beim bisherigen Geschäftsführer Rainer Schwarz. Ob die Geschäftsführung mit Rainer Schwarz Schuld an den Verschiebungen ist, das prüft seit September 2012 nicht nur ein Untersuchungsausschuss in Berlin, sondern auch noch eine Sonderkommission des Bundes. Und seit der letzten Verschiebung auch noch eine externe Anwaltskanzlei. Laut Flughafengesellschaft müssen 50.000 Seiten Akten durchgearbeitet werden. Inwieweit Schwarz für Mehrkosten haften muss, das kann seriöserweise zum jetzigen Zeitpunkt keiner beurteilen. Eine außerordentliche Kündigung, also ohne Kündigungsfrist, ohne Abfindung, kann man auf der Grundlage nicht bringen. Wer was anderes behauptet und jetzt schon laut rumkrawallt: Glückwunsch! Meldet Euch bei der Uri-Geller-Show an.
Natürlich ist es irgendwie scheiße, dass das Ganze so irre viel Steuergelder kostet. Bislang sind es rund 4,3 Milliarden Euro, und das beinhaltet noch nicht die Kosten der neuen Verschiebung. Die Kohle ist im Vergleich zu anderen Super-Projekten zwar fast noch ein Schnäppchen (die schwäbische Sensation Stuttgart 21 kostet satte 6,8 Milliarden Euro), muss trotzdem nicht sein.
Die wichtige Frage im Moment ist: Wie kann man das künftig verhindern?
Bis jetzt läuft es so: Die Politiker sitzen, ohne eine wirkliche Ahnung von der Materie zu haben, in den Aufsichtsräten mit drin. Das ist bei staatseigenen Dingern wie dem BER schon fast Tradition. Also, absolute Ahnungslose sollen jetzt die Geschäftsführung beAUFSICHTIGEN, super komplizierte Bauvorhaben überwachen? Da ist schon ein Haken. Der andere Haken ist, dass die Aufsichtsmöglichkeiten—milde ausgedrückt—echt eingeschränkt sind. Denn die Geschäftsführung muss den Aufsichtsrat nur regelmäßig informieren. In das laufende Geschäft darf der Aufsichtsrat in Deutschland nicht eingreifen. Alles total kompliziert.
Aber hier liegen die Herausforderungen, über die man sich Gedanken machen sollte. Vielleicht ist das den Politikern in Berlin aber auch zu kompliziert und sie wählen—wie immer—den hirnlosen einfachen Weg und brüllen Misstrauensvotum! Rücktritt! Und was dann? Was ändert das am Grundproblem? Nix.
Das Witzige an der ganzen BER-Sache ist, dass es vielen so ziemlich am Arsch vorbeigeht. Die Kosten kratzen keinen, weil es keiner direkt spürt, und angeblich hat der Berliner Haushalt ja auch genug eingenommen, um die Kosten zu decken. Der Bund zahlt auch noch dazu.
Und mal ehrlich: Von Berlin-Mitte nach Tegel in 15 Minuten ist doch auch einfach viel zu geil, um sich wirklich aufzuregen!