Am Sonntagnachmittag verbreiteten linke Aktivisten in soziale Medien, aus Protest gegen Wohnungsnot und Mietsteigerungen hätten sie neun Häuser in Berlin besetzt. Wenig später stellte sich heraus, dass sie nur zwei Adressen permanent besetzt hatten: das Erdgeschoss eines Hauses in der Reichenberger Straße in Kreuzberg und ein Haus in Neukölln, in dem ganze 40 Wohnungen leer stehen sollen.
“Die haben sich da eingerichtet und die Türen verschraubt und verbarrikadiert”, sagt der Fotograf Björn Kietzmann, der in Neukölln vor Ort war. Das Haus gehört der “Stadt und Land”, einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. “Der schöne Seitenflügel in der Bornsdorfer Straße steht seit mehr als fünf Jahren leer”, hatten die Aktivisten in einem Blogeintrag kritisiert. “Trotz explodierender Mieten und Zehntausender Wohnungsloser hat es ‘Stadt und Land’ bis heute nicht geschafft, das Haus wieder für Menschen zu öffnen.” Ingo Malter, der Geschäftsführer der Gesellschaft, war selbst vor Ort und führte Verhandlungen mit den Besetzern.
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“Die Stimmung war ziemlich entspannt, die Besetzer haben aus den Fenstern manchmal Luftballons auf die Polizisten unten geworfen”, erzählt der Fotograf Björn Kietzmann. Die Verhandlungen drehten sich allerdings im Kreis, und gerade als eine Delegation den Besetzern ein neues Angebot der Gesellschaft überbringen wollte, stürmte die Polizei beide Gebäude. “Die Polizisten hatten vorher einen Rammbock über ein Nachbargebäude reingeschmuggelt”, sagt Kietzmann. Kurz darauf brachten Beamte die Besetzer einzeln oder in Gruppen aus dem Haus. “Manche kamen freiwillig, bei manchen wendete die Polizei sogenannte ‘Schmerzensgriffe’ an, manche ließen sich tragen”, erzählt der Fotograf. Jetzt ermitteln die Behörden gegen 56 Personen wegen Hausfriedensbruchs.
Die Besetzung war nach etwa sieben Stunden vorbei. Die Diskussion, die die Besetzer mit ihrer Aneignung freien Wohnraums sogar innerhalb der Berliner Regierung ausgelöst haben, geht aber auch am Dienstag noch weiter.