Sex

Alles, was ich in einem Monat Tinder Social gelernt habe

Nach einer miesen Trennung durchlebte ich einen kleinen Schwächeanfall und installierte Tinder auf meinem Handy. Schon bald wischte ich mich Tag für Tag durch das nie enden wollende Menschenkarussell, um über meinen Ex hinwegzukommen. Ich bin nicht gerade stolz darauf, aber ¯\(ツ)/¯.

Die meisten Erfahrungen mit der App waren ziemlich oberflächlich, wenngleich auch sexuell. Es war nicht unüblich für mich, mich zu treffen, es krachen zu lassen und danach die Nummer des Typen zu blockieren. Als dann aber das neue Tinder Social Feature hinzugefügt wurde, das einem erlaubt, mit ganzen Gruppen zu matchen, fragte ich mich sofort, wofür man das jetzt eigentlich benutzen soll.

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Bei den ganzen “Keine ONS”-Profilen da draußen scheint es eindeutig eine größere Zahl von Menschen zu geben, die Tinder für etwas anderes als Sex verwenden. Keine Ahnung warum, aber so ist es halt.

Was genau Tinder Social eigentlich sein soll, ist jedenfalls nicht so klar. Als es rauskam, wurde es als Möglichkeit angepriesen, um endlich mit der Dating App Orgien organisieren zu können. Das Unternehmen selbst hat allerdings eine andere Vermarktungsstrategie gewählt. Wenn du Freunde zu einer Gruppe zusammenfügst, um Tinder Social überhaupt erst verwenden zu können, musst du die Frage “Was hast du heute vor?” mit einer von mehreren vorgefertigten Antworten beantworten. Diese Antwort taucht dann auf, wenn andere Menschen beginnen, eure Gruppe zu swipen. Genau wie beim normalen Tinder funktioniert auch hier alles über das bekannte Wischen und wenn aus jeder Gruppe mindestens eine Person nach rechts wischt, gibt es ein Match und ihr könnt anfangen, euch im Gruppenchat zu unterhalten.

Die 27 Antwortmöglichkeiten, die du zur Auswahl hast, gehen in den allermeisten Fällen noch nicht mal als zweideutig durch. Hier sind ein paar: “Wir gehen aus!” (die Standardeinstellung), “Hat wer Lust zu grillen?” (OK?), “Bist du mit uns down?” (daneben ein Äffchen-Emoji—es wird langsam wärmer) und schließlich “Rechts wischen für die Nacht der Nächte” (OK!).

Da ich die Welt, in der ich leben muss, besser verstehen möchte, entschied ich mich dazu, Tinder Social so lange zu verwenden, bis ich drei Dates hatte. Ich änderte meine Bio zu “Versucht herauszufinden, ob Tinder Social mehr Abhängen oder Gangbangen ist” und wischte drauf los.

Die Leute sprangen sofort auf meinen Köder an. Manche versuchten mir zu erklären, wofür das neue Feature ihrer Meinung nach da sei, oder drückten ihre eigene Verwirrung über den Sinn oder Unsinn von Tinder Social aus:

Aber gut, ich musste es einfach selbst herausfinden.

Erstes Date

Einer meiner Kollegen, Sahsa Kalra (laut Gawker die zehntschlimmste Person im Bereich Online-Media) willigte gnädigerweise dazu ein, mich bei meinem ersten Tinder-Gruppendate zu begleiten. Wie wir allerdings schnell herausfanden, ist es verdammt schwer, die Gruppenfunktion als Mann-Frau-Duo zu verwenden. Wir matchten mit keiner einzigen Gruppe mit Frauen—und Sasha ist Hetero. Also durfte er größtenteils dabei zuschauen, wie mich eine Männergruppe nach der anderen rücksichtslos anbaggerte. Dabei kam es auch zu dem tragikkomischen Vorfall, bei dem ein Typ, der meinen Namen falsch buchstabiert hatte, versuchte, mich mit Fetty Wap Lyrics rumzubekommen.

Das eigentliche Date war dann auch nicht sehr anders. Eigentlich hatten wir mit einer Gruppe von zwei Typen gematcht, wie sich dann aber herausstellte, entstehen Tinder-Social-Gruppen nicht unbedingt einvernehmlich. Wenn jemand das Feature aktiviert hat und mit dir bei Facebook befreundet ist, kannst du ihn bei Tinder einer Gruppe hinzufügen, ohne dass er das weiß. (Das ist mir übrigens auch mal passiert und es war nicht witzig.) Einer von den Typen aus unserer Match-Gruppe konnte an dem Abend jedenfalls nicht kommen, weil er gar nicht mitbekommen hatte, dass er überhaupt in der Gruppe war.

Wir trafen uns also nur mit einen Typen. Nach ein paar Minuten in einer Bar stellten wir fest, dass wir beide den gleichen Drogendealer gehabt hatten, den ich damals während meiner Feierzeit noch öfter besuchte. Wir hatten also immerhin ein Gesprächsthema. Als wir die Bar wieder verließen—es war klar, dass wir alle wieder getrennte Wege gehen würden—, zog er einen halbgerauchten Joint aus der Tasche und wir alle nahmen ein paar Züge.

Nach ein paar Minuten merkte ich allerdings, dass ich unfassbar high wurde. “Was für eine krasse Sorte ist das?”, fragte ich. “Oh, da sind Phoenix-Tears drin”, antwortete er. Viel bekiffter als ursprünglich geplant ließ ich mich doch noch von dem Tinder-Typen nach Hause bringen. Als wir in meiner Straße ankamen, beichtete er mir, dass er nur zum Date gekommen war, weil er wirklich auf mich steht. Ich verabschiedete mich mit einer Umarmung und ging allein in meine Wohnung, um auszunüchtern.

Fazit: Abhängen, aber wollte vielleicht bangen.

Zweites Date

Um mir das Leben etwas zu erleichtern, entschied ich mich dazu, Tinder Social mit einer Freundin zu verwenden. Eine war dann sogar dazu bereit, mich in meine selbstgeschaffene Hölle zu begleiten, und … Wow, es gibt nichts Leichteres als Tinder Social als Frauengruppe zu verwenden. Nach fünf Minuten hatten wir über zehn mögliche Gruppendates zur Auswahl. Blöderweise entschieden wir uns dann aber für eine Gruppe aus zwei Banker-Bros, die in einen Club mit Chartsmusik wollten.

“Was kostet der Eintritt?”, fragte ich. “Wir haben uns vier auf die Gästeliste gesetzt”, lautete die Antwort. Wunderbar. Wir kommen also an, die Gästeliste ist geschlossen und der Eintritt kostet umgerechnet 14 Euro. Perfekter Start.

Das sind wir, nachdem wir 15 Minuten in der Garderobenschlange gewartet haben. Man sieht es uns vielleicht nicht an, aber wir wollten sterben. Foto von der Autorin

Die beiden fingen schließlich an, uns Drinks zu kaufen—etwas, für das Banker-Bros ziemlich praktisch sind—und fragten schließlich, ob wir tanzen wollen. “Klar”, sagte ich. “Tanzen finde ich super.” Allerdings hieß Tanzen—zumindest für diese Typen—eher Trockenficken zu Travis Scott auf der Tanzfläche. Ich machte mit dem Typen rum, der mir quasi zugewiesen worden war—anscheinend hatten sie bereits vor dem Treffen ausgemacht, welche Frau für wen bestimmt war. Das war ganz OK, aber beide wollten sich ständig an uns reiben, obwohl wir bereits mehrmals versucht hatten, uns zu lösen und endlich richtig zu tanzen.

Irgendwann wurden ich und meine Freundin getrennt. Die Typen manövrierten uns aus welchen Gründen auch immer in andere Ecken des Clubs. In trauter Zweisamkeit grölte mein Kerl dann aus vollem Hals zu einem 08/15 HipHop-Track mit, inklusive dem einen Wort (und nein, er war nicht schwarz). Kurz darauf geriet ich mit ihm in einen Streit darüber, dass “Blasé” kein Song von Future ist, sondern lediglich einer, in dem Future ein Feature hat. Ich verabschiedete mich auf die Toilette. Dort lief ich meiner Freundin über den Weg. Wir schauten uns kurz in die Augen und sagten gleichzeitig: “Lass uns abhauen.” Die Typen warteten draußen vor der Tür auf uns. Der Kerl, dem ich zugeteilt worden war, fragte, ob wir nicht alle vier zu einem von ihnen in die Wohnung wollen. Ich lehnte ab und gab ihm in bewährter Art meine Nummer und antwortete nicht auf seine SMS.

Fazit: Gangbang (versucht)

Drittes Date

Nach einer Reihe geplatzter Verabredungen, intensiven Ghostings und ein paar Programmfehlern war ich dazu bereit, diese verdammte App zu löschen.

In den frühen Afterparty-Stunden eines Sonntag schrieben uns dann aber drei Typen an, die bei einer Hochzeit gewesen waren. Nenn mich altmodisch, aber es macht mich an, wenn mich ein Typ mehrmals fragt, ob ich in Mississauga lebe, obwohl ich das nicht tue.

Obwohl am Ende nur zwei von drei vorbeikommen konnten, konnte ich meine Hypothese endlich bestätigen.

Fazit: Gangbang