In den ländlichen Regionen Oberösterreichs und Salzburgs ist es auch im 21. Jahrhundert noch Brauch, ein Schild “zum Büchsenmacher” aufzustellen, wenn in einem Haushalt ein Mädchen geboren wurde. Und das alles hat nicht wirklich mit den Blechdosen zu tun, mit denen die Schilder meistens verziert werden – sondern mit Sexismus, dem Verächtlichmachen von Mädchen und dem damit unterstellten angeblichen Versagen des Erzeugers.
Die Wörter “Büchse” und “Dose” werden in verschiedenen Dialekten wahlweise für “Mädchen” generell oder das weibliche Geschlechtsteil verwendet. Dazu, warum das so ist, findet man auf verschiedenen Webseiten verschiedene mehr oder weniger plausible Begründungen: Zum einen soll das weibliche Geschlechtsteil aussehen wie eine Dose (WHAT?), zum anderen meinen auch einige Quellen, der Begriff “Büchse” habe etwas mit der eigentlichen Bedeutung eines Büchsenmachers zu tun. Ein Büchsenmacher stellt nämlich eigentlich Schusswaffen her und wie jeder weiß, gehört ein Gewehrlauf hin und wieder gestopft. Ihr könnt später lachen und entscheiden, welche der beiden Varianten das kleinere Übel ist.
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Feststeht: Der Begriff “Büchse” ist so oder so abwertend gemeint – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der Büchsenmacher-Brauch ein neugeborenes Mädchen auf ihr Geschlechtsteil reduziert, das zu allem Überfluss von Tag 1 an auch noch mit einem derben Begriff betitelt wird. Gleichzeitig wird der Vater als Schlappschwanz gebrandmarkt, der es nicht zustande brachte, einen Jungen zu zeugen, wofür er laut Brauch die Schmach der Dorfbevölkerung verdiene.
Immer wieder wird in ländlichen Gegenden darüber diskutiert, ob der Brauch des Büchsenmachers noch zeitgemäß ist – wie zum Beispiel 2010 in Bad Vigaun im Tennengau. Die Conclusio des Amtsleiters damals: Wer jedoch keinen Spaß verstehe, solle doch einfach wegschauen. In diesem konkreten Fall wurde letzten Endes mehr über die Entsorgung der Blechdosen diskutiert als über den eigentlichen Inhalt des Brauches.
“Im konkreten Fall handelt es sich um eine Diskriminierung von Mädchen und Frauen und ein solcher Brauch wird daher von unserer Seite nicht unterstützt.”
Aber es sieht nicht überall so aus: In Obertrum wurde der Brauch im Jahr 2012 zum Beispiel verboten, nachdem direkt in der Nähe der Gemeinde immer wieder Büchsenmacher-Schilder aufgebaut worden waren. Das Ganze wurde im Gemeinderat diskutiert und man kam zum Schluss, dass dieser Brauch zu überdenken sei. So sollte zum Nachdenken angeregt werden.
Auch heute gilt dieses Verbot noch, wie Amtsleiter Franz Wirthenstätter auf Nachfrage von VICE erzählt: “Die Bevölkerung wurde in einer Bürgerinformation über diese Maßnahme informiert. Am Anfang wurde es in Einzelfällen ignoriert, worauf wir die Dosen dann immer umgehend durch den Gemeindebauhof entfernt haben. Inzwischen gibt es in unserer Gemeinde damit kein Problem mehr.”
Generell sei die Gemeinde der Ansicht, dass alte Bräuche von Zeit zu Zeit zu hinterfragen seien: “Sofern es sich in diesem Fall überhaupt um einen Brauch handelt. Im konkreten Fall handelt es sich um eine Diskriminierung von Mädchen und Frauen und so etwas wird daher von unserer Seite nicht unterstützt.”
Der Brauch, einen Mann, der ein Mädchen gezeugt hat, als Büchsenmacher zu bezeichnen und sein “Versagen” der ganzen Dorfgemeinschaft plakativ aufzuzeigen, geht selbstredend schon ziemlich weit zurück – in eine Zeit, als es noch einen wirtschaftlichen Nachteil für eine Familie bedeutete, ein Mädchen zu bekommen, für das früher oder später auch eine hohe Mitgift bezahlt werden musste.
Diese Zeit ist lange vorbei. Und nicht alles, was schon immer so war, muss deswegen auch in Zukunft so bleiben. Nur durch Veränderungen wie diese, die auf den ersten Blick klein scheinen mögen, stehen heute beispielsweise die “Töchter” in der Bundeshymne. Und es gibt mit Sicherheit bessere Wege, ein Mädchen auf der Welt und in der Dorfgemeinschaft willkommen zu heißen.
Verena auf Twitter: @verenabgnr