Wenn nach Bildern von ItaloJohnson googlest, findest du drei männliche DJs, die ihre Gesichter vor der Kamera verbergen. Berühmte anonyme DJs (wie z.B. Marshmello) erwecken oft den Eindruck, als wären sie eine Parodie maskierter Underground-Legenden wie DJ Stingray. ItaloJohnson hingegen passen nicht so recht in das Klischee dieses Gimmicks.
Die drei Berliner tragen zum Beispiel keine Masken, kommunizieren aber auch nicht über Social Media mit ihren Fans. Sie halten zu jeder Zeit die Aura des Geheimnisvollen aufrecht und lassen ihre fein abgestimmten Tracks regelmäßig in der Panorama Bar für sich selbst sprechen.
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Seit sie 2010 ihre erste 12″ mit dem Titel ITJ01 veröffentlicht haben, liefert das Trio rohe und gefühlvolle Kracher aus brodelndem Acid, tiefen und dubbigen Akkorden und minimalen, techy Beats ab. Auch bei ihren Veröffentlichungen bleiben sie sich treu und so tragen ihre Platten bis auf eine Katalognummer keinen Titel. Die einzelnen Tracks sind außerdem nur aufgrund der Lücken zwischen den Rillen auszumachen oder durch die verspielten Beschreibungen auf ihrer Webseite: “Die A-Seite ist, was sie ist”, zum Beispiel. Na, wer fühlt sich da geholfen?
Ihre Musik veröffentlichen sie zudem nicht mal offiziell online, doch Bootlegger haben ihren Katalog bei YouTube hochgeladen. Die einzige Möglichkeit, ihre Platten zu identifizieren, ist, indem du versuchst, den kleinen, farbigen Labelstempel zu entziffern oder durch die Katalognummer in der Auslaufrille der Platte. Der Rest soll auf dem Dancefloor erledigt werden.
Für ihre elfte Veröffentlichung haben ItaloJohnson neue Interpretationen eines ihrer Klassiker in Auftrag gegeben: “07A1” von 2013 – ein einfacher sich wiederholender Breakbeat mit einem kurzen, aber catchy Vocal-Sample. Dafür konnten sie Jimmy Edgar und Robert Hood alias Floorplan für Remixe gewinnnen. Und mit dieser neuen Platte unter dem Titel ITJRMX01 veröffentlichen ItaloJohnson zum ersten Mal etwas auf ihrem Label, das nicht ausschließlich von ihnen stammt.
Auf der A-Seite hebt Floorplan das Vocal-Sample des Originals hervor. Mit seiner einfachen Drei-Akkorde-Melodie ist es knapp und präzise und der techy Groove hat ordentlich Punch. Auf der B-Seite ruft Edgar das Drama mit einer tighten, sich wiederholenden Bassline und sich auftürmenden Drum-Fills hervor. Über die Zusammenarbeit mit Robert Hood und Jimmy Edgar musste man nicht lange nachdenken, Hoods minimale, sich verwandelnde Trips und Edgars flimmernder, futuristischer House waren schließlich Blaupausen für ItaloJohnsons tighten, schnörkellosen Techno.
In einem Skype-Interview gaben uns zwei der drei Mitglieder von ItaloJohnson, “R” und “M”, einen seltenen Einblick in ihre Gedankenwelt. Am Ende haben wir darüber gesprochen, wie man Platten herausbringt, ohne pleite zu gehen, über die Vor- und Nachteile von “Tool Tracks” und die eleganteste Weise, einen DJ um Gästeliste zu bitten. Außerdem haben sie einen exklusiven Mix für uns zusammengestellt, in dem Minimal-Pioniere wie Daniel Bell, Ricardo Villalobos und natürlich Robert Hood zu finden sind.
THUMP: Hi! Was ist euer Ansatz bezüglich White-Label-Platten und der Aufrechterhaltung eurer Anonymität als DJs?
M: Das war irgendwie eine Art natürliche Entwicklung, weil wir die Musik ohne irgendwelchen Bullshit auf Vinyl veröffentlichen wollten und wir uns dachten: Wie können wir dieses familiäre Gefühl aufrechterhalten und für uns selbst verantwortlich sein?
R: Wir versuchen, so viele Platten wie möglich zu verkaufen, damit wir nicht draufzahlen. Das ist und war der einzige Business-Aspekt. Es sollte nicht darum gehen, Gigs zu bekommen oder so. Also haben wir einfach White Labels rausgebracht und sie selbst gestempelt. Das hat für uns wirklich gut funktioniert. Und es ist noch immer so.
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Warum hat keiner eurer Tracks einen Titel?
R: Weil wir drei Leute sind und wir uns wirklich schwer auf etwas einigen können. Es ist fast so, als wären wir drei Brüder, die immerzu aneinander zerren und in eine andere Richtung ziehen. Also haben wir uns gegen Titel entschieden, damit wir uns deswegen nicht streiten müssen. Das war anfangs die Idee. Es funktioniert, weil es unsere Beziehung am Leben erhält.
Gibt es manchmal irgendwelche Spannungen, wenn ihr ein Set zusammen spielt? Wie geht ihr damit um?
R: Es ist wirklich einfach. Wir versuchen recht demokratisch und vernünftig damit umzugehen, wenn sich zum Beispiel zwei Leute einig sind und der andere nicht zustimmt, dann …
M: … muss er gezwungen werden. Auflegen hatte schon immer eine gewisse Spannung.
R: Unser Stil und wie wir miteinander funktionieren, ändert sich stetig. Manchmal ist er eher “Tool”-orientiert, ein wenig deeper und loopiger, repetitiver. Die Musik fließt sozusagen ineinander. Manchmal haben einige von uns Phasen, die eher Track- oder Song-orientierter sind.
Die Beschreibung “Tool Tracks” wird oft für Musik verwendet, die loopiger und wirklich gut ist und danach schreit, gemixt zu werden, aber nicht wirklich als eigenständige Musik gehört wird. Da eure Produktionen in diese Kategorie passen, frage ich mich, was ihr von der Idee eines Tool Tracks haltet – ist das positiv oder negativ? Und was bedeutet diese Unterscheidung für euch?
R: Ich denke, ein Tool Track ist absolut positiv. Ich habe keine negativen Assoziationen damit. Ein Tool Track ist nicht zwangsläufig einfach zu mixen oder klingt mit etwas anderem gut. Für mich ist ein Tool auch ein Track, der Spannung hervorruft, weil er wirklich minimalistisch, repetitiv und reduziert ist – du wartest, dass etwas passiert. Doch du musst diese Zutat wirklich klug einsetzen. Und es sollte immer spontan sein.
“Unsere Musik ist definitiv dafür bestimmt, geremixt zu werden.”
Wie kam die Verbindung zu Robert Hood für den Floorplan-Remix zustande?
R: Wir haben eine Liste an Remixern erstellt, die wir gerne haben wollten, und wir [alle] wollten Robert Hood. Glücklicherweise kannte er uns und es war wirklich einfach, zu organisieren. Es ist ein wirklich geradliniger Floorplan-Track. Und er ist so gut produziert, dass er beinahe fürs Radio abgemischt ist. Er klingt auf jeder Anlage gut.
Warum hattet ihr ihn auf eurer Liste?
R: Seine Musik von damals und auch die von heute, besonders die Robert-Hood-Sachen, ist wirklich elementar. Und das hat einen großen Einfluss auf unsere Musik. Dasselbe gilt für Daniel Bell/DBX oder Baby Ford. All diese Leute, die diese schräge, reduzierte Musik machen – da kommen wir drei ursprünglich her. Aber es gab auch viele andere Leute, die auf diese Weise Klänge erschaffen haben: reduziert, schräg, ich würde nicht einmal sagen repetitiv … Schrägheit, darum geht es.
Ihr habt mal gesagt, dass ITJ10 von 2016 euer letzter Teil dieser Serie sein wird. Warum habt ihr beschlossen, damit weiter zu machen?
R: Ja, das stimmt. Das war vor zwei Jahren. Wir haben aber nicht gesagt, dass ITJ10 der letzte Teil der Serie ist, sondern der letzte, den wir selbst stempeln werden. Es lief ein bisschen aus dem Ruder mit dem Stempeln, weil es jeder macht und es sich für uns nicht mehr besonders anfühlte. Wir beschlossen, es weiter zu machen, weil es billiger ist. Und wir haben uns irgendwie vom Plan verabschiedet, damit aufzuhören.
M: Ein Stempel ist ein Stempel, und ein Stempel ist cool. Und deswegen würde ich weiter jede Platte stempeln.
R: Ich bin froh, dass wir beschlossen haben, es weiter zu machen. Letztendlich ist das mehr eine emotionale Entscheidung. Dieses Jahr erscheint ITJ11 und wir müssen uns überlegen, wie wir neue Farben finden, weil wir keine Farben mehr haben. Wir wollen neben unseren regulären Veröffentlichungen jedes Jahr eine Remix-EP haben und hoffen, dass das klappt. Die Philosophie dahinter ist, dass unsere Musik definitiv dafür bestimmt ist, geremixt zu werden. Warum sollen sich also nicht andere Leute an unserem Ausgangsmaterial versuchen?
Meine letzte Frage ist eine wichtige, die ich immer gerne stelle: Was ist der beste Weg, eine Person zu fragen, ob sie einen auf die Gästeliste setzt?
R: Die Leute machen sich wirklich zum Affen bei dem Versuch, auf eine Gästeliste gesetzt zu werden. Mich hat heute jedoch jemand gefragt – und zwar auf charmanteste Weise. Es ging um eine Party am Samstag, die ich veranstalte, und er sagte: “Hast du noch Gästeliste für die Party? Wenn nicht, komme ich trotzdem.” So fragt man. Sag: “Ich komme trotzdem.”
ItaloJohnson THUMP-Mix Tracklist:
01. Baby Ford & The Ifach Collective – 24hr
02. DBX – Baby Judy
03. DXC – Qua Dem
04. Stereo MC’s – Good Feeling (Mr G’s Turn On Dub)
05. Emmanuel Top – Say It Loud
06. Lost City Of Atlantis – The Maze
07. Ricardo Villalobos – Logohitz
08. Johnny Fiasco – Jack Da Bass
09. Baby Ford & The Ifach Collective – Ambo (Greenwich Dawn Mix)
10. ItaloJohnson – 07A1 (Floorplan Remix)
11. Cari Lekebusch – Return To Base 1
12. Jeroen Search – Metta
13. Robert Hood – Realm 1
14. Rhythim Is Rhythim – The Dance (Living Room Mix)
ItaloJohnsons nächste Gigs:
9. bis 11.06. Berlin – Her Damit Festival