Rechte Onlineshops sind kein neues Phänomen, sondern haben schon lange einen festen Platz in den braunen Ecken des World Wide Web. Doch nun ist ein neuer Laden aufgetaucht, der mit dem programmatischen Namen „Migrantenschreck” wirbt und der sein gesamtes Angebot auf militante Flüchtlingshasser zugeschnitten hat.
Der Shop dürfte es auch schaffen, die Aufmerksamkeit von Nutzern außerhalb der traditionellen Neonazi-Szene zu gewinnen—denn er wurde in der vergangenen Woche mehrfach von der neurechten Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv gepostet. Die Seite hat inzwischen die erstaunliche Zahl von fast zwei Millionen Facebook-Fans erreicht—mit Inhalten, von denen sich andere deutsche Anonymous-Aktivisten distanzieren und die nichts mit den Themen zu tun haben, für welche die Aktivisten mit den Masken ursprünglich bekannt wurden.
Videos by VICE
Das Angebot von Migrantenschreck ist zwar übersichtlich, aber dafür um so widerwärtiger: drei Pistolen und ein Gewehr mit vielsagenden Namen wie Migrantenschreck MS60 Professional oder Antifaschreck AS125 sind im Angebot, dazu Zubehör wie Munition und Silikon-Gel. In den Produktbeschreibungen werden „besorgte Bürger” unverhohlen zur Gewalt aufgerufen:
„Werden Sie öffentlich in den Dreck gezogen, weil Ihre Meinung nicht systemkonform genug ist? Lassen Sie sich derlei Frechheiten nicht länger bieten! Machen Sie Ihrem Ärger Luft und nutzen Sie den Antifaschreck AS125 als Meinungsverstärker”, heißt es an einer Stelle.
Ganz offen ruft der Shop dazu auf, die Waffen gegen Linke und Ausländer einzusetzen: „Ob Ficki-Ficki-Fachkraft oder Hobbydieb—der MS55 Lady jagt jedem Schurken einen gehörigen Schrecken ein! Ihr treuer Begleiter auf dem nächtlichen Nachhauseweg oder auf Großveranstaltungen lässt Sie nicht im Stich.”
Die angebotenen Waffen unterscheiden sich vor allem durch ihre Größe, ihre Schusskapazität—und ihren Preis. Zwischen 299 Euro und 749 Euro muss ausgeben, wer sich von Migrantenschreck beliefern lassen will. Das Versprechen der Seite: „diskreter” Einkauf „ohne lästige bürokratische Hürden.” Wie genau das technisch funktionieren soll, bleibt allerdings offen—besondere Möglichkeiten zur Anonymisierung der Käufer wie sie bei Waffenhändlern im Darknet üblich sind, bietet die Website jedenfalls nicht: Weder ist der Shop über eine Tor-Domain erreichbar, noch kann mit Bitcoin gezahlt werden. Waren können nur per Lastschrift bezahlt werden.
Günstig sind die Preise bei Migrantenschreck zudem nicht: Bei der Pistole Migrantenschreck MS 55 Lady für 299 Euro handelt es sich wahrscheinlich um eine Ekol Volga Schreckschusspistole, die seriöse Onlinehändler bereits für 99,95 Euro im Angebot haben. Auch die zugehörige Munition ist auf der ominösen Website rund drei Mal teurer als im normalen Handel.
Unklar ist auch, ob Migrantenschreck tatsächlich Waffen ausliefert—getestet hat Motherboard das Angebot der Seite nicht. Offensichtlich ist jedoch, dass die Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv ein großer Fan des Angebots ist. So verlinkte die Seite beispielsweise kurzzeitig immer wieder auf ein offenbar selbst gedrehtes angebliches Test-Video: In diesem ist zu sehen, wie ein Mann mit einer Guy-Fawkes-Maske (dem Markenzeichen von Anonymous) eine Waffe aus dem Migrantenschreck-Sortiment testet, in dem er auf eine Zielscheibe mit den Fotos von Heiko Maas, Cem Özdemir, Claudia Roth, Angela Merkel und Joachim Gauck schießt—ein unverhohlener Aufruf zur Gewalt. Offenbar um zu verhindern, dass das zugehörige Facebook- und Youtube-Konto gesperrt wird, ist das Video beziehungsweise der Link auf das Video immer nur kurzzeitig online und wird anschließend wieder gelöscht.
Eine bewährte Taktik, mit der Anonymous.Kollektiv verhindert, dass seine Inhalte von den von vielen besuchten Websites Facebook und YouTube gesperrt werden. Auch einige Links in diesem Artikel werden deshalb wahrscheinlich schon bald ins Leere laufen. Mutiger ist Anonymous dafür auf dem russischen Netzwerk VKontakte, wo die Werbung für den Waffenshop unverhohlen stehen bleibt.
Der Betreiber des Webshops ist laut Impressum ein „Thomas Wolf” aus Wien—eine Suche im Firmenbuch nach der „Migrantenschreck GmbH” bringt jedoch kein Ergebnis. Die Firma hinter dem Shop existiert wahrscheinlich nicht. Der Domaininhaber von migrantenschreck.ru ist zudem anonymisiert.
Doch der Shop hat in den vergangenen Wochen eine etwas abenteuerliche digitale Umzugstour hinter sich. Während das Angebot inzwischen auch noch auf migrantenschreck.com gespiegelt wird, tauchte es erstmals unter der Domain migrantenschreck.net auf. Diese war zwar nur kurzzeitig online, jedoch gab es dort zusätzlich laut einer Domain-Abfrage bei Domain-Tools zu der angeblichen Wiener Anschrift detaillierte Angaben über einen Domaininhaber, die nach wie vor abrufbar sind. Demnach stand zumindest hinter migrantenschreck.net ein gewisser Mario Rönsch, der in Erfurt gemeldet ist. Tatsächlich lebt in Erfurt ein Mario Rönsch, der in der thüringischen Landeshauptstadt bereits als Aktivist bereits bei den so genannten Montagsmahnwachen aufgetreten ist. Zuletzt war Rönsch Interviewpartner von Jürgen Elsässer, der das neurechte Compact-Magazin herausgibt.
Wir haben Mario Rönsch kontaktiert, um nachzufragen, ob er der für das Angebot von Migrantenschreck.net verantwortlich sei, ob er als Inhaber der Domain, Einfluss darauf genommen hätte, dass die Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv die Posts bewirbt und ob er auch mit den unter neuen Domainnamen gehosteten Angeboten im Zusammenhang steht. Sollten wir eine Antwort erhalten, werden wir diesen Artikel entsprechend aktualisieren.
Die Aktivitäten rund um den Migrantenschreck-Webshop zeigen, dass die Rechte in Deutschland sich immer stärker fühlt. Selbst offene Werbung für Gewalt gegen Ausländer und Linke schreckt viele Facebooknutzer nicht mehr ab. Der Werbe-Link auf der Facebookseite von Anonymous.Kollektiv wurde inzwischen bereits über 6.300 mal geteilt und geliked—und das ist nur der letzte Post, der aktuell noch online ist. Bereits die vorherigen fanden tausendfache Verbreitung.