Arabische Frauen erzählen, wie es ist, nachts alleine nach Hause zu laufen

Belästigung, Catcalling, gierige Blicke, anzügliche Kommentare, oft sogar ungewollte Berührungen. Das und noch viel mehr müssen Frauen oft durchmachen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit aufhalten. Und das nicht nur abends und nachts, sondern auch tagsüber. Das ist die traurige Realität, aktuell wieder aufgezeigt durch die #metoo-Aktion.

Bereits vergangenes Jahr sprachen wir mit Frauen aus 13 Ländern darüber, womit sie sich herumschlagen müssen, wenn sie nachts alleine unterwegs sind. Nun haben auch unsere Kollegen von VICE Arabia nachgefragt, um herauszufinden, wie sich Belästigungen auf offener Straße auf das Leben der Frauen im Nahen Osten auswirken – und welche Vorsichtsmaßnahmen sie treffen.

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Tunis, Tunesien

Foto: bereitgestellt von Ghada

Ghada, 25

VICE: Fühlst du dich sicher, wenn du in Tunis nachts alleine nach Hause gehst?
Ghada: Im Allgemeinen schon. Ich gehe abends oft fort und habe dabei zum Glück noch nie das Gefühl gehabt, wirklich in Gefahr zu sein. Aber natürlich gibt es auch hier Gegenden, in denen ich mich niemals alleine aufhalten würde.

Triffst du irgendwelche Vorkehrungen, um gar nicht erst in Gefahr zu geraten?
Ich meide die Gegenden um das Stadtzentrum herum. Da gibt es viele Billigkneipen und Cafés und da halten sich nach elf Uhr abends auch keine Frauen mehr auf. Andere Gegenden von Tunis sind für Frauen bis mindestens zwei Uhr nachts aber total sicher, weil dort immer viel los ist.

Ich versuche immer, mindestens zu zweit unterwegs zu sein. Wenn ich jedoch mal alleine nach Hause laufen muss und das Gefühl habe, beobachtet oder verfolgt zu werden, dann rufe ich meine Eltern an. Das würde mir im Falle eines Falles zwar nicht weiterhelfen, aber ihre Stimmen geben mir trotzdem etwas Sicherheit.

Wurdest du jemals körperlich angegangen?
Ja, vor gut zwei Jahren. Normalerweise meide ich öffentliche Verkehrsmittel zu Stoßzeiten, aber damals musste ich die U-Bahn nehmen. Der Wagen war rappelvoll und plötzlich spürte ich, wie ein Mann hinter mir absichtlich meinen Rücken berührte. Das war mir total unangenehm und ich wollte weg, aber es war ja kein Platz. Ich fühlte mich richtig erniedrigt und wollte dem Typen eigentlich eine reinhauen, war jedoch starr vor Schock. Bei der nächsten Haltestelle bin ich dann raus und drehte mich auch nicht mehr um.

Damaskus, Syrien

Foto: bereitgestellt von Hala

Hala, 23

VICE: Wie geht es abends und nachts auf den Straßen von Damaskus zu?
Hala: Während des Kriegs war es in Damaskus nachts teilweise sogar sicherer als tagsüber, weil die Bombardierung abends aufhörte. Wir leben hier auch jetzt noch wie zu Kriegszeiten, die “Regeln” eines normalen Partyabends gelten nicht.

Allgemein ist es aber noch nie schlau gewesen, als Frau hier in Damaskus spät abends rauszugehen. Derzeit scheint sich die Lage jedoch ein bisschen beruhigt zu haben. Jetzt ist es ganz normal, dass sowohl Männer als auch Frauen abends unterwegs sind – vor allem in den Gegenden fernab vom direkten Konfliktgebiet.


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Hast du dich vor dem Krieg unwohl gefühlt, wenn du alleine draußen unterwegs warst?
Abgesehen von den Kommentaren und Blicken von Männern, nicht wirklich. Die können dich aber bei zu viel Nachdenken wirklich in Panik versetzen.

Triffst du trotzdem irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen?
Ich versuche, dunkle oder verlassene Gassen zu meiden. Belebte und breite Straßen sind mir lieber. Manchmal überlege ich mir direkt einen Fluchtweg: Ich halte nach dem nächsten Ausgang Ausschau und lege mir eine Taktik zurecht, falls ich mich im Falle einer Belästigung wirklich mal wehren muss. Außerdem erzähle ich Freunden und meiner Familie immer, wo ich wann hingehe und welchen Weg ich nehme. Manchmal schicke ich ihnen auch Updates. Meistens ist es jedoch am sinnvollsten, abends einfach einen Freund dabei zu haben.

Rabat, Marokko

Foto: bereitgestellt von Salma

Salma, 25

VICE: Gibt es in Rabat Gegenden, die du abends meidest?
Sama: Eigentliche gehe ich abends nie alleine raus. In den meisten Gegenden von Rabat – egal ob reich oder arm – fühle ich mich unwohl und unsicher. Wenn ich doch mal erst spät aus dem Büro komme, was bei meinem Beruf manchmal der Fall ist, dann lasse ich mich immer von einem Kollegen begleiten.

Was genau macht dir am meisten Angst?
Ich persönlich habe zwar noch nie etwas Schlimmes erlebt, aber ich höre oft von Frauen, die verbal und körperlich missbraucht wurden. Eine meiner Verwandten wurde zum Beispiel von drei jungen Männern ausgeraubt, in der Nähe des Bahnhofs im Viertel Agdal.

Wie kommt man als Frau in Rabat sicher nach Hause?
Die mit Abstand beste Option: selbst Auto fahren. Taxis sind eine relativ sichere Alternative.

Beirut, Libanon

Foto: bereitgestellt von Laila

Laila, 21

VICE: Wo in Beirut hältst du dich abends lieber nicht alleine auf?
Leila: In einigen Gegenden fühle ich mich abends und nachts tatsächlich nicht sicher – allgemein dort, wo dann viele Straßen leer sind und keine Autos mehr fahren.

Ist dir schon mal etwas passiert, als du alleine nach Hause gegangen bist?
Mir persönlich noch nicht, aber wir hören hier ständig von Frauen, die belästigt werden. Eine meiner besten Freundinnen war auf dem Heimweg, als ihr plötzlich ein Auto voller junger Männer folgte – und das bis zu ihrer Haustür. Zum Glück ist nichts weiter passiert, aber das Ganze ereignete sich schon um acht Uhr abends, was ja gar nicht so spät ist.

Welche Vorsichtsmaßnahmen triffst du?
Dass man in Beirut abends mal alleine nach Hause läuft, lässt sich nicht vermeiden. Deswegen haben meine Freundinnen und ich immer Pfefferspray bei uns, falls wir uns mal verteidigen müssen. Taxis sind die sicherste Option, leider aber ziemlich teuer. Fahrgemeinschaften werden hier aber auch immer beliebter.

Amman, Jordanien

Foto: bereitgestellt von Dana

Dana, 36

VICE: Wo in Amman hältst du dich abends nur ungern auf?
Dana: Meiner Meinung nach ist Amman eine sichere Stadt – auch wenn es für Frauen nicht immer angenehm ist, hier durch die Straßen zu laufen. Im Normalfall nehme ich mein Auto. Und wenn man als Frau wirklich auf der sicheren Seite sein will, dann sollte man abends nur noch in der Gruppe rausgehen.

Ziehst du dich anders an, wenn du alleine zu bestimmten Orten gehst?
Das kommt natürlich ganz darauf an, wo ich hingehe und wie ich da hinkomme. Aber ja, manchmal ziehe ich schon extra ein langärmliges Oberteil an.

Jerusalem, Israel

Foto: bereitgestellt von Ranin

Ranin, 26

VICE: Fühlst du dich abends in Jerusalem sicher?
Ranin: Ja doch, vor allem in den arabischen Vierteln. Mir macht es nichts aus, abends und nachts alleine rauszugehen, aber es ist trotzdem immer besser, einen Verwandten oder einen Freund dabei zu haben. Hier in Jerusalem ist das israelische Militär immer sehr präsent, gerade in der Altstadt. Oftmals fühlt es sich so an, als breche hier gleich ein Krieg aus.

Gibt es bestimmte Gegenden, die du als Frau abends meidest?
Ja. Als Palästinenserin fühle ich mich in den israelischen Siedlungen und in der Altstadt oft unsicher, weil dort so viele Soldaten sind.

Wurdest du oder eine deiner Freundinnen jemals Opfer eines Übergriffs?
In Städten wie Jerusalem oder Ramallah werden Frauen häufig verbal angegangen oder komisch angeschaut. So etwas sollte man hier am besten einfach ignorieren.

Kairo, Ägypten

Foto: bereitgestellt von Mai

Mai, 25

VICE: Wie fühlt man sich als Frau abends in Kairo?
Mai: Als ich anfing, von sechs Uhr abends bis Mitternacht zu arbeiten, ging ich davon aus, mich auf meinem Heimweg mit vielen Belästigungen und Übergriffen durch Männer herumschlagen zu müssen. Bis jetzt hatte ich aber noch keine Probleme.

Du hast also noch nie körperliche Übergriffe erleben müssen?
Nein, es hat noch niemand versucht, mich zu beklauen oder körperlich zu belästigen. Manchmal passiert es nur, dass mich die Taxifahrer bescheißen wollen, weil ich eine Frau bin. Sie weigern sich dann, das Taxameter anzuschalten, und verlangen einen höheren Fixpreis. Das nervt richtig.

Wie reagierst du auf unangebrachte Kommentare und Beleidigungen?
Wenn ich abends alleine unterwegs bin und mir irgendwelche Typen etwas hinterherrufen, dann erwarten sie keine Antwort. Deswegen sind sie immer richtig überrumpelt, wenn ich mich verbal zur Wehr setze.

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