Zwischen dem Moment, als Miley Cyrus ihr erstes Instagram-Foto mit rosa Achselhaaren postete, und dem Moment, in dem die Presse behauptete, es handle sich hierbei um eine „neue Bewegung”, sind schon ein paar Tage vergangen. Aber auf die Presse sollte man sowieso niemals hören. Die Neuigkeiten auf diesem Gebiet sollte man sich eindeutig nur aus dem Internet holen. Und das Internet bestätigt, dass es seit Anfang des Jahres schon zahlreiche Hashtags gibt, die ganz der gefärbten Achselhaarpracht gewidmet sind. Sie heißen #dyedpits oder #freeyourpits, und Französinnen posten auch unter #aissellescolorées. Neu ist das Ganze also nicht.
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Doch diese Bewegung ist gerade dabei, Frankreich zu erobern. Wie üblich stellen die meisten jungen Frauen, die sich daran beteiligen, den Feminismus und die Gleichheit vorne dran, um ihren Eltern zu erklären, warum plötzlich blaue Haarbüschel über den Säumen ihrer Trägertops hervorblitzen. Aber in Wirklichkeit wissen viele gar nicht so richtig, warum sie das auf einmal tun. Der Trend entwickelte sich unter US-amerikanischen Bloggerinnen: Zuerst war da Roxie Hunt, eine Friseurin aus Seattle, die letzten Dezember ein „Free your pits”-Manifest veröffentlicht hat. Etwa zur selben Zeit postete die 17-jährige Destiny Moreno aka DestinyM ein YouTube-Video (inzwischen mehr als 300.000 Klicks), in dem sie ihr frisch gefärbtes Achselhaar zeigt und sagt: „Es ist etwas, das einem ein sehr ermächtigtes Gefühl gibt, und womit man der Gesellschaft mit all ihren Vorurteilen den Mittelfinger zeigen kann.” Dann schalteten sich Seiten wie die Huffington Post und Washington Post ein. Mehr und mehr Mädchen fingen an, die Farbe ihrer Achselbehaarung an ihre Haarfarbe anzupassen—und schließlich ließ Miley Cyrus die Zahl der Retweets explodieren und machte es ganz offiziell zu einem Trend.
Um diesen Trend zu verstehen, habe ich mich mit ein paar Französinnen, die weder einen Blog noch ein Instagram-Profil haben, über ihre gefärbten Achselhaare unterhalten und sie gefragt, welche Botschaft sie damit ihren Eltern, dem Internet und der restlichen Welt senden wollen.
Pauline, 21 Jahre
Kunstgewerbe-StudentinVICE: Hallo, Pauline. Warum färbst du dir die Achselhaare?
Pauline: Es hat mich genervt, dass Mädchen, die ihre Körperhaare wachsen lassen, als „ungepflegt” bezeichnet werden, oder dass es heißt, sie würden sich „gehen lassen”. Hinter dieser Ausdrucksweise steckt etwas, das ich schon immer abstoßend fand. Es ist, als würde man diesen Mädchen sagen, sie hätten es vergessen oder seien in der Körperpflege gescheitert, und als würde sie das lächerlich und schmutzig machen.
Ich hatte also Lust, deutlich zu zeigen, dass es sich dabei um eine bewusste Entscheidung handelt, und ich dachte mir, wenn man eine ästhetisch gestylte Angelegenheit daraus macht, dann kann das die Meinungen der Leute zu diesem Thema auch ändern. Das Witzige ist, dass mir die Idee schon lange vor dem momentanen Trend kam.
OK. Wie hast du das mit dem Färben gemacht?
Ich habe mit ein paar Freundinnen mehrere Sachen ausprobiert. Denn es ist gar nicht so einfach, wie es vielleicht aussieht. Anfangs habe ich die Farbe für Kopfhaare genommen, aber das ging nicht so gut, denn meine Achselhaare sind feiner als mein Haupthaar. Das Mittel färbte also die Haut mit. Am nächsten Tag war der rosa Effekt auf der Haut wieder weg. Das war zwar schon besser, aber es hatte immer noch nicht den Neon-Effekt, den ich wollte. Die besten Resultate haben wir bisher bekommen, indem wir einen sehr feinzinkigen Kamm und königsblaue Acrylfarbe benutzt haben. So sieht es wirklich klasse aus. Das hält natürlich auch nicht ewig. Das nächste Mal will ich sie grün färben.
Warst du überrascht, dass das hier zu einem Trend geworden ist, vor allem durch Miley Cyrus?
Nicht so richtig. Ich habe den Eindruck, dass Mädchen sich diese Fragen ernsthaft vornehmen. Das sieht man sehr gut auf Tumblr mit #freeyourpits—diese Debatten sind aus feministischen Forderungen entstanden. Ich finde es super, dass Frauen mit Superstar-Status auf diese Art mit den Konventionen brechen, denn sie tragen dazu bei, dass sich die gesellschaftliche Einstellung weiterentwickelt und zeigen damit, dass es nicht nur etwas für seltsame Randgruppen ist. Wenn Mädchen sehen, dass ihre Freundinnen ihre Körperhaare stehen lassen, dann erschafft das einen Dialog. Und auf lange Sicht schaffen wir es so, dieses nachahmende Verhalten abzubauen und neu zu denken, was es bedeutet, eine Frau zu sein—jenseits der Klischees, die unter dem Konzept der Femininität zusammengefasst sind.
Laure, 25 Jahre
KellnerinDu bist glücklich mit deinen gefärbten Achseln?
Laure: Ja, sehr. Ich muss dazu sagen, dass ich spanische Wurzeln habe und meine Haare von Natur aus sehr dick sind. Sie wachsen schnell und dicht, und das sieht man sofort. Ich habe meine ganze Jugend gegen genau diese Haare gekämpft, und sie zuerst stehen zu lassen und sie dann später auch noch zu färben, das ist für mich ein ganz neues Kapitel in meiner Selbstakzeptanz. Ich finde außerdem, es ist eine sehr lustige Art, konservative Kleingeister zu provozieren.
Seit wann färbst du dir die Haare unterm Arm?
Seit diesem Winter. Ich hatte schon seit einigen Jahren die Haare an den Beinen oder in den Achseln nicht wachsen lassen, doch dann sah ich die ganzen Artikel über diesen neuen Trend, sich die Achselhaare zu färben, und ich dachte mir: „Wow, das ist so cool!”. Und dann habe ich es eben selbst ausprobiert.
Wie haben die Leute in deinem Umfeld reagiert?
Es ist lustig, meine Eltern sind Hippies, die mir Vorträge gehalten haben, wenn ich als Teenager zu obsessiv gegen meine Körperbehaarung vorgegangen bin. Sie fanden das too much. Und jetzt hat besonders mein Vater ein paar blöde Sprüche gebracht, zum Beispiel: „Pass auf, du hast Schlümpfe unter den Armen!” Mein Freund hat nicht viel gesagt, aber ich habe trotzdem gemerkt, dass er mich erst mal ziemlich komisch angeschaut hat. Aber ich glaube, er liebt mich für die Dinge, die ich so mache.
Und was ist mit Fremden?
Einige Male sind Mädchen auf der Straße auf mich zugekommen, oder in der U-Bahn, oder auf Partys, und haben gesagt: „Ich hätte nicht den Mut dazu, aber ich finde es klasse, dass du das machst.” Das zeigt, dass es die Leute nicht kalt lässt und wie sehr es sich hier um ein empfindliches Thema für alle Mädchen handelt.
Marion, 27 Jahre
Grafikerin
Du hast dir die Achselhaare gefärbt aber dann aufgehört, stimmt’s?
Marion: Es war mir zu stressig. Ich habe ja aufgehört, die Haare wegzurasieren, weil ich keine Lust auf den Aufwand hatte—und Wachs ist teuer. Dann habe ich mir die Achselhaare gefärbt, weil eines Abends eine Freundin mir vorschlug, es zu tun. Wir waren beide ein bisschen angeheitert und fanden es total lustig. Wir sind danach durch die Bars gezogen und haben unser Werk gezeigt. Es war wie eine Art Verkleidung.
Warum hast du damit aufgehört?
Sich die Achselhaare wachsen zu lassen, ist für Frauen in westlichen Gesellschaften ganz klar eine Kampfansage. Wenn ich das mache, dann mache ich es, um zu zeigen, dass ich eine Frau bin, mit natürlichen Achselhaaren, und dass ich nicht ein Vermögen ausgeben muss, um in den Augen von Männern „begehrenswert” zu sein. Färbemittel kaufen und sich systematisch darum kümmern, sowas halte ich für eine Art Rückfall in dieselben schädlichen Muster.