Auf Aliensuche in Schottlands UFO-Hauptstadt

Alle Fotos: Alistair Pryde

Auf den ersten Blick macht die mitten in Schottland gelegene Kleinstadt Bonnybridge einen eher unscheinbaren Eindruck. Einst waren dort eine Menge Industriezweige ansässig, darunter Ziegelbrennereien und Eisengießereien. Aber dank seiner kurzen Entfernung zu Glasgow und Stirling hat sich der Ort inzwischen eher zu einem beliebten Wohnsitz für Pendler entwickelt.

Dennoch erfreut sich Bonnybridge einer internationalen Beliebtheit, die in keinem wirklichen Verhältnis zur Größe der Stadt steht. Das lässt sich darauf zurückführen, dass für die Menschen, die immer noch fest an Aliens glauben, hier das Roswell von Schottland liegt. Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte wurde dort von hunderten UFO-Sichtungen berichtet. Wenn man diesen Berichten glauben kann, dann wurde der Ort nach einem Vorfall aus dem Jahr 1992 zu einem intergalaktischen Touristen-Hotspot. Damals behauptete ein Mann, er hätte beobachtet, wie ein sternförmiges Objekt über einer Straße schwebte. Daraufhin wurde allein zwischen 1992 und 1994  angeblich über 600 Mal ein UFO gesehen.

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Die Anwohner hielten Versammlungen im Rathaus ab, bei denen man über das Phänomen diskutierte und der Gemeinderat schrieb Briefe an den britischen Premierminister und verlangte nach Antworten. Was als eine witzige Story für die schottische Presse anfing, geriet schnell außer Kontrolle, als sogar Filmcrews aus Russland nach Bonnybridge kamen, um eventuell eine Aufnahme eines außerirdischen Raumschiffs machen zu können.

Als ich 2010 als Lokaljournalist zum ersten Mal in Bonnybridge unterwegs war, schien das örtliche Interesse an UFOs allerdings verflogen. Ich war mir dem Ruf des Ortes bewusst, aber genau wie die meisten meiner Gesprächspartner hielt auch ich ihn nur für eine Kuriosität der 90er-Jahre; ein Produkt einer Zeit, in der die TV-Serie Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI sehr beliebt war und Hollywood noch Filme über kleine, grüne Männchen gedreht hat.

Den besagten Ruf als schottische UFO-Hauptstadt konnte Bonnybridge jedoch nie komplett abschütteln. 2011 listete das Magazin Time die Gegend in einem Artikel mit dem Titel „6 UFO Hot Spots Around the World” auf. Obwohl das Phänomen nie wirklich ganz abgeklungen war, überraschte es mich doch ein wenig, als ich zu einer „Himmelsbeobachtung” in der Nacht nach Halloween eingeladen wurde. Das Ganze war Teil des ersten schottischen „Paranormal Festivals” in Stirling. 

Die Teilnehmer der Himmelsbeobachtung

Die Voraussetzungen waren denkbar einfach: Jeder Interessierte sollte um 22:30 Uhr zum Treffpunkt kommen. Von dort aus geht es zu einem erhöhten Aussichtspunkt in der ländlichen Gegend außerhalb der Stadt. Ein paar UFO-Experten halten dann kurze Vortrage über Sichtungen und anschließend kommt der Hauptteil: Das Absuchen des Himmels nach hellen Lichtern, die nicht als Flugzeuge abgetan werden können, die andere Schotten in Richtung Sonne und Wärme transportieren.

Ich bezweifelte, dass wir irgendetwas Außergewöhnliches beobachten würden, aber ich wollte die Menschen treffen, die sich selbst als „Ufologen” bezeichnen. Außerdem war ich neugierig, wie sich die unwahrscheinlichste alle schottischen urbanen Mythen über zwei Jahrzehnte lang halten konnte.

Ich hatte meinen Bruder im Schlepptau, weil ich mir dachte, dass ein weiteres Paar skeptische Augen bei so einer Veranstaltung nicht schaden könnte. An diesem typisch schottischen Novemberabend trafen wir uns also alle auf dem Parkplatz eines Supermarkts, während die kostümierten Einwohner von Bonnybridge an uns vorbei in die warmen Pubs strömten.

Die Teilnehmerzahl überraschte mich. Ungefähr 35 Leute zwischen Anfang 20 und Ende 70 hatten sich in wasserfeste Kleidung geschmissen und ihre Wollmützen aufgesetzt, um ihren Samstagabend freiwillig draußen in der Kälte zu verbringen. Viele sind von weit hergekommen, mindestens ein halbes Dutzend hatte sogar die Reise aus England auf sich genommen. Er herrschte eine aufgeregt-freudige Stimmung und ich kam mir vor wie bei einem Teambuilding-Ausflug zu einer Paintball-Anlage.

Malcom Robinson von „Strange Phenomena Investigation”

Der liebenswürdige schottische Ufologe Malcolm Robinson beschäftigt sich schon seit mehr als 20 Jahren mit den UFO-Sichtungen von Bonnybridge und war einer der beiden Organisatoren des Events. „Wir haben uns heute hier wegen den zahlreichen UFOs versammelt, die im Himmel über Stirlingshire gesichtet wurden”, erklärte er.

„Ob ich an UFOs glaube? Ob ich glaube, dass im Himmel über Bonnybridge etwas Übernatürliches existiert? Da kannst du aber einen drauf lassen. Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass hier etwas sehr Reales passiert.”

Dave Hodrien, Vorsitzender der „Birmingham UFO Group”

Der andere Organisator war Dave Hodrien, der 37-jährige Vorsitzende der „Birmingham UFO Group”. Seine Leidenschaft für dieses Thema ist so groß, dass er seine Frau am Rande von Area-51 geheiratet hat. „Ich denke, dass das Interesse an UFOs immer noch genau so stark ist wie in der Vergangenheit”, sagte er.

„Leider sind immer weniger Leute dazu bereit, bei solchen Veranstaltungen mitzumachen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Interesse schwindet. Das Ganze hat sich nur verstärkt ins Internet verlagert.”

Wir bewegten uns in einer Kolonne von 12 Autos auf engen Landstraßen fort und kamen schließlich an einem abgeschiedenen Ort in der Nähe von Craigburn Woods an. Hier gab es keine Straßenlaternen und ein beißender Wind hatte die Temperaturen nochmals um ein paar Grad fallen lassen. Die Stimmung blieb trotzdem fröhlich. Viele schienen einfach nur glücklich darüber zu sein, mal etwas Anderes zu machen.

„Um ehrlich zu sein, stehen wir eigentlich gar nicht wirklich auf UFOs”, erzählte mir Robert Sheehan, der zusammen mit seinen Kumpels vom Paranormal Festival gekommen war. „Ich bezweifle, dass wir hier irgendwas sehen werden. Vor Jahren konnte ich auf dem Heimweg von Liverpool aber etwas Komisches beobachten. Bei Bristol blickten wir in den Himmel und da war dieses Dreieck, das sich drehte. Damals taten wir das noch als Unsinn ab. Drei Monate später fanden wir jedoch heraus, dass es ganz viele ähnliche Beobachtungen gegeben hatte.”

Gemeinderatsmitglied Billy Buchanan

Gegen Mitternacht erklärte uns Billy Buchanan, ein langjähriges Mitglied des Gemeinderats von Bonnybridge, dass UFOs nicht gerade ein Thema sind, das Politiker ernst nehmen. „Im Laufe der Jahre wurden wir immer wieder ins Lächerliche gezogen”, sagte er. „Ich erinnere mich noch an damals, als wir zu unserem zuständigen Abgeordneten gegangen sind und ihm erzählten, dass ungefähr 130 Leute Dinge gesehen hätten, die sie sich nicht erklären könnten. Er meinte, dass so ein Thema für ihn politischer Selbstmord wäre.”

„Malcolm und ich haben seit 1992 jeden Premierminister kontaktiert und Antworten gefordert. Wir scheinen der Wahrheit allerdings keinen Schritt näher zu kommen.”

In der Gruppe lauschte wir noch ein wenig den Worten von Dave und Malcolm, die beide über ein beeindruckendes Wissen im Bezug auf unterschiedlichste übernatürliche Beobachtungen im ganzen Land verfügten. Am meisten genossen wir jedoch die panoramahafte Aussicht auf die in der Ferne auszumachenden Ochil Hills.

Wir konnten zwar keine UFOs beobachten, hatten dafür aber einen wunderbaren Blick auf andere funkelnde Dinge im Himmel, nämlich die Sternbilder. Wenn du wie ich ein Stadtmensch bist, dann ist selbst so das schon etwas Besonderes. Nach einer Weile machten wir uns auf den Rückweg, aber ein ziemlich großer Teil unserer Gruppe schien noch lange nicht ans Gehen zu denken.

Am darauffolgenden Tag wollte ich unbedingt noch weitere örtliche Meinungen hören. Ich unterhielt mich mit dem Journalisten Kevin Schofield, der inzwischen der höchste politische Korrespondent der Zeitung Sun ist und ursprünglich aus Bonnybridge kommt. Mitte der 90er-Jahre schrieb er als örtlicher Journalist regelmäßig Artikel über die UFO-Sichtungen. Als ich ihn zum übernatürlichen Ruf seiner Heimatstadt befragte, machte das Schofield nichts aus. Er sagte jedoch auch, dass das nicht bei jedem Bewohner so sei.

„Ich habe schon aufgehört zu zählen, wie oft ich als Antwort ‚Ah, die schottische UFO-Hauptstadt’ gehört habe, wenn ich sage, dass ich aus Bonnybridge komme”, erzählte er. „Ich finde das ziemlich witzig. Allerdings gehöre ich damit im Ort zu einer Minderheit, denn die meisten Einwohner wollen lieber nicht daran erinnert werden. Ich finde alles gut, was Bonnybridge zu einer berühmten Stadt macht. Es wäre aber doch ganz schön, wenn das etwas Anderes als UFOs wäre.”

Es lässt sich nur schwer ein weiterer Grund dafür finden, warum eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus dem ganzen Vereinigten Königreich Bonnybridge einen Besuch abstatten sollte. Die Himmelsbeobachtung hat vielleicht nicht die Existent von Aliens bewiesen, aber es wurde dennoch gezeigt, dass das UFO-Phänomen immer noch Leute von nah und fern anlockt.