Auf meiner jüngsten Reise durch Japan war ich von der Höflichkeit der Einheimischen mit ihrem „domo” und „arigato gozaimas” überrascht. Aber in dieser Oase der Freundlichkeit und des Anstands gibt es einen Ort, an dem sich jegliche Manieren in Luft auflösen. Im Herzen von Tokio befindet sich der Tsukiji-Fischmarkt, ein hektisches Chaos, wo man immer wieder mit Ellbogen gestoßen wird. Er befindet sich nur wenige Meter von der schicken Nachbarschaft Ginza entfernt und gilt seit 1923 als der größte Fischmarkt der Welt. Wenn man den Markt betritt, fühlt man sich wie in einem chaotischen Ballet, in dem die Verkäufer die Tänzer in Gummistiefeln sind, die unzählige Kilos Blauflossen-Thun, Haifischflossen und Seeigel ausladen. Die Zahlen sind schwindelerregend: 1.900 Tonnen Fisch werden hier pro Tag verkauft. Der Markt ist im Grunde seine eigene lokale Wirtschaft. Die Leute gehen schon früh hin—um halb sechs Uhr morgens—und es ist empfehlenswert, hellwach zu sein, um den dreirädrigen Gefährten, tares, aus dem Weg zu gehen, die an den bunten Ständen mit den erfahrenen Markthändlern, den preisgekörnten Gastronomen, den Touristen und dem frischesten Sushi der Welt vorbeifahren.
Trotz alledem steht der olfaktorische Mittelpunkt des Tokioter Lebens bereits mit einem Fuß im Grab. Seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 hat die Gefahr der Radioaktivität zu einem erheblichen Einbruch in den Verkaufszahlen geführt. Noch schlimmer: 2016 soll der Markt ins gut drei Kilometer entfernte Toyosu—ein stinknormaler, moderner Raum ohne jeglichen Charme—umziehen. Nach einem harten Kampf mit seinen Großhändlern, die sich an Tsukiji festklammerten wie Muscheln an einem Felsen, setzten die Manager schließlich die Maßnahme durch. Genau wie das Okura Hotel, ein modernistisches Wunderwerk, das an die Immobilienentwicklung verloren ging, soll auch der Fischmarkt für die 2020 anstehenden Olympischen Spiele Platz machen.
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