Vor über fünf Jahrzehnten begann in den Bergen West Virginias ein gleichermaßen ambitioniertes wie utopisch anmutendes Experiment: Am Green Bank Observatorium startete der Astronom Frank Drake im Jahr 1960 „Project Ozma”. In der Hoffnung außerirdisches Leben zu finden, richtete er das riesige Radioteleskop der Anlage in Richtung zweier Sterne, deren Radiofrequenz er untersuchen wollte. Aliens fand Drake zwar keine und doch war sein Projekt ein Erfolg: Es markierte den Beginn von SETI; jenem Forschungszweig, der sich mit wissenschaftlichen Mitteln der Jagd nach extraterrestrischem Leben verschrieben hat.
SETI ist seit den bescheidenen Anfängen weit gekommen – und nirgendwo wird dies deutlicher als bei einem Blick auf die Technik, die bei der Alien-Jagd inzwischen eingesetzt wird. Astronomen können heute auf Teleskope zurückgreifen, die viel bessere und tiefere Blicke ins Universum zulassen, als Drake es sich jemals erträumt hätte. Astrobiologen stehen Mondfahrzeuge zur Verfügung, die auf der Marsoberfläche Proben sammeln – damit analysieren sie eine Region unseres Sonnensystems aus der Nähe, die beim Start der SETI-Forschung noch für mindestens zwei Jahrzehnte in unerreichbarer Ferne für die Wissenschaft lag.
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Teleskope, die ins All horchen
Einen der größten Quantensprünge verdankt die SETI-Forschung den Fortschritten in der Teleskop-Technologie. Das betont auch Eric Korpela, der das SETI-Projekt der Universität Berkeley leitet. Der Astrophysiker verweist dabei auf Anlagen wie das ALMA Array, das Square Kilometer Array und das Allen Telescope Array, die die Chancen auf einen Fremdkontakt heute wahrscheinlicher denn je erscheinen lassen. „Der größte Unterschied zu früherer SETI-Forschung liegt darin, dass man in der Vergangenheit auf einzelne, große Teleskopschüsseln angewiesen war. Diese waren auf einen einzelnen Punkt am Himmel ausgerichtet, während die heutigen Array-Anlagen mehrere Punkte am Himmel gleichzeitig anvisieren können. Außerdem verfügen sie über eine viel höhere räumliche Auflösung. Das bedeutet, dass man sich auch sehr viel besser auf einen einzelnen Stern konzentrieren kann, und nicht nur ein größeres Gebiet untersuchen muss.”
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Um zu verstehen, warum die neuen Anlagen so viel besser funktionieren, lohnt sich ein Blick auf die Technik. Das Besondere an den neuen Teleskopanlagen mit mehreren einzeln angeordneten Radioteleskopen: Sie machen die relativ neue Analysemethode der Interferometrie möglich. Grundsätzlich verbindet diese Technik die Radiosignale, die von jedem der kleineren Teleskope empfangen werden, um dadurch das einzelne Signal eines Untersuchungsgegenstands besonders präzise zu messen.
Trotz des technischen Fortschritts hat die SETI-Forschung die alten Anlagen noch nicht abgeschrieben. So kamen die singulären Schüsselteleskope zum Beispiel in einem Berkley-Projekt SETI@home zum Einsatz, das im Jahr 1999 eine besondere Crowdsourcing-Aktion startete: Dank gebündelter Rechenpower zahlreicher Privatcomputer konnten so zehntausende Menschen auf der ganzen Welt bei der Suche nach außerirdischem Leben mithelfen.
Tatsächlich sind die Datenberge, die bei der SETI-Forschung anfallen, enorm. Täglich empfangen die SETI-Wissenschaftler der UC Berkeley dutzende Gigabyte an Radiosignaldaten, gesammelt vom riesigen Arecibo-Observatorium in Puerto Rico und vom Green Bank-Teleskop in West Virginia. Diese kosmischen Geräusche nach einem noch so kleinen Anzeichen auf intelligentes Leben zu filtern, ist eine Mammutaufgabe, selbst mit der heute zur Verfügung stehenden Rechnertechnologie.
Die Explosion der Exoplaneten
Die technischen Fortschritte bei den Observatorien haben auch noch etwas anderes zutage gefördert: Unser Universum verfügt über eine riesige Zahl an Exoplaneten, also potenziell bewohnbaren Planeten, die um andere Sterne kreisen. Der erste von ihnen wurde im Jahr 1995 entdeckt – seitdem ist die Wissenschaft bereits auf tausende weitere Exoplaneten gestoßen, obwohl die meisten von ihnen weitaus größer als die Erde waren und leider keine lebensfähigen Bedingungen boten.
Fast zwanzig Jahre nach der Entdeckung des ersten Exoplaneten stieß das Kepler-Teleskop dann auf den ersten erdähnlichen Planeten, der sich in einer bewohnbaren Region befindet, in der flüssiges Wasser möglich ist. Seit der bahnbrechenden Entdeckung im Jahr 2014 sind die Wissenschaftler auf mehr als ein Dutzend weiterer potenzieller erdähnlicher Exoplaneten gestoßen, die alle theoretisch außerirdisches Leben beherbergen könnten.
Erst kürzlich machte die NASA-Meldung Schlagzeilen, dass man auf sieben möglicherweise bewohnbare Planeten im Trappist-1-Sternensystem gestoßen sei. Laut Korpela können wir inzwischen eine Schätzung abgeben, wie viele Exoplaneten es da draußen geben könnte: „Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller Sterne werden von einem erdähnlichen Planeten umkreist, der gleichzeitig auch in der bewohnbaren Zone liegt.”
Mit Landefahrzeugen aufsetzen, wenn die Antennen nicht mehr reichen
Es gibt jedoch noch einen ganz anderen Ansatz in der SETI-Forschung bei dem es nicht darum geht, in hunderten Lichtjahren Entfernung zu suchen: Auch innerhalb unseres eigenen Sonnensystems versuchen Forscher außerirdisches Leben zu finden – allerdings nicht von der intelligenten Sorte. Bei diesen Forschern sind nicht Teleskope das Werkzeug der Wahl, sondern eine neue Generation von Mondfahrzeugen und Planetensonden, die auf der Jagd nach mikrobiologischem Leben die Planeten und Monden in unserer Nähe analysieren sollen. Die bevorzugten Kandidaten für diese Expeditionen sind Mars, der Saturn-Mond Enceladus und der Jupiter-Mond Europa.
Die Monde Enceladus und Europa konnte die Menschheit bisher nur durch Vorbeiflüge von Sonden erkunden, auf dem Mars jedoch sind wir schon mit Werkzeugen gelandet, die ausführliche und präzise Untersuchungen möglich machen. Jüngstes Beispiel ist dabei die ExoMars Mission, ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischn Raumfahrtagentur ESA und der russischen Raumfahrtbehörde Roscosmos. Bereits im Oktober 2016 erreichte die Sonde Trace Gas Orbiter in einer ersten Phase die Marsumlaufbahn. Die Sonde soll den Mars umkreisen und die Frage klären, ob sich in der Atmosphäre neben dem maßgeblich vorhandenen Kohlendioxid auch Spuren anderer Gase wie Methan oder Wasserdampf finden. Sollte die Sonde fündig werden, wären das Hinweise auf mögliches Leben auf der Oberfläche des roten Planeten.
Der zweite Teil der Mission soll dann im Jahr 2021 gezündet werden, wenn ein Mondfahrzeug tatsächlich auf dem Mars landen soll. Dort soll ein zwei Meter langer Bohrer zahlreiche Proben unterhalb der Oberfläche des Mars entnehmen, um möglichem mikrobiologischem Leben näher auf die Spur zu kommen.
Leben auf dem Mond?
Der Saturn-Mond Enceladus und der Jupiter-Mond Europa hingegen bleiben bisher nur verlockende Reiseziele für solche Ausflüge von Landefahrzeugen. Doch auch für die beiden Ziele gibt es bereits Pläne: Im vergangenen Monat reichte die NASA ein Konzept zur Entwicklung eines Fahrzeuges ein, das auf Europa landen und die Oberfläche erkunden soll. Schon das Landekonzept ist wahrhaft futuristisch: Das Fahrzeug soll mit einem „Himmelskran” herabgelassen werden. Der Einsatz von Fallschirmen wäre übrigens so überflüssig wie nutzlos, da der Mond keine Atmosphäre besitzt. Einmal gelandet soll das Mondfahrzeug kontinuierlich Proben von den oberen Zentimetern der Mondoberfläche entnehmen.
Der Mond ist von einer 15-20 km dicken Eisschicht bedeckt, unter der Forscher einen Ozean aus flüssigem Wasser vermuten, der zweimal größer als die gesamten Ozeane der Erde ist. Auch in Vorbeiflügen soll Jupiter erkundet werden: In den frühen 2020er Jahren möchte NASA eine Umlaufbahnrakete starten, die 45 mal nah an dem Mond vorbeifliegt. Die Mission soll mit Instrumenten ausgestattet sein, die die Stärke der Eiskruste messen können. Das Ziel: Klären, ob sich unterhalb der dicken Eisschicht tatsächlich flüssige Wasservorkommen befinden und welchen Salzgehalt und welche Temperatur dieses aufweist.
Die Erforschung der Fontäne
In Sachen Enceladus sind die Pläne noch längst nicht so weit vorangeschritten. Erst als die Cassini-Mission im Jahr 2015 nach einem Vorbeiflug spektakuläre Bilder lieferte, markierte das den Startschuss für die Suche nach extraterrestrischem Leben auf Enceladus: Cassini schickte Aufnahmen an die Erde auf denen von der Oberfläche emporsprühende Wasserfontänen zu erkennen sind. Daraufhin schlug ein Wissenschaftler der Cornell Universität die Entwicklung des Enceladus Life Finders (ELF) vor. Das Hauptziel des Raumfahrzeugs sollte es sein, Proben dieser Wasserfontänen zu nehmen, um deren chemische Zusammensetzung festzustellen. Eine weitere Idee: Eine Sonde direkt durch die Wasserfontänen fliegen zu lassen. In diesem Konzept mit dem Namen Life Investigation for Enceladus (LIFE) würden die gesammelten Proben zur Erde zurückgebracht werden.
Die Enceladus-Erkundungen ELF und LIFE sind bisher noch nicht über das Stadium eines Konzeptvorschlags für eine Mission hinausgekommen. Klar ist allerdings: Die Chancen auf Aliens zu stoßen waren für die Menschheit noch nie so groß wie heute – und das verdanken wir dem technischen Fortschritt und der Hartnäckigkeit der geduldigen Wissenschaftler.