Popkultur

Auf einen Fischsalat mit Aziz Ansari


Fotoillustration von Elizabeth Renstrom

Aus der Up in Flames Issue

Etwa 2008 fing die Website AzizIsBored.com an, auf die gediegenere Adresse AzizAnsari.com umzuleiten.

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Alte Website-Namen können uns manchmal etwas über die Menschen dahinter verraten. In diesem Fall ist dieser Mensch Schauspieler und Comedian Aziz Ansari. Als die Domain AzizIsBored.com 2005 gekauft wurde, beendete Ansari gerade sein Marketing-Studium an der New York University und trat auf kleinen Bühnen in der ganzen Stadt auf. Seitdem ist er zu einem der beliebtesten Stand-up-Künstler und Comedians der USA geworden. Seine landesweiten Touren sind ausverkauft und in der Hit-Serie Parks and Recreation war er in allen sieben Staffeln neben Amy Poehler zu sehen. Innerhalb des letzten Jahres hat Ansari Modern Romance: Auf der Suche nach Liebe im 21. Jahrhundert, ein überraschend recherchelastiges Pop-Psychologie-Buch, veröffentlicht (es soll im September 2016 auf Deutsch erscheinen), er ist zweimal an einem Abend im Madison Square Garden vor ausverkauftem Haus aufgetreten, ist mit Amy Schumer auf Tour gegangen und hat seine eigene Serie, Master of None, gedreht. Die ersten zehn Folgen sind im November erschienen und wurden von Kritikern gefeiert.

Ein paar Tage vor der Premiere der Serie habe ich mich mit Ansari zum Lunch in einem edlen Bagel-Bistro in SoHo getroffen, wo die Belegschaft ihn namentlich begrüßte. Obwohl er jetzt in Manhattan lebt, wird viel darüber gesprochen, dass Ansari aus South Carolina stammt, wo auch ich als Sohn asiatischer Immigranten geboren wurde und aufgewachsen bin. Ich wollte von ihm wissen, wie es war, in Bennettsville aufzuwachsen, einer Stadt mit 9.000 Einwohnern, von denen Asiaten weniger als 0,5 Prozent ausmachen.

„Es war seltsam”, sagte er, „aber ich hatte ja keine Vergleichsmöglichkeit, um es damals auch schon seltsam zu finden. Ich war die einzige Minderheit; auf meiner Schule waren sonst nur Weiße. Ich werde immer gefragt: ‚Waren die Leute rassistisch?’, und ich sage dann: ‚Nein, nicht wirklich.’ OK, manchmal, aber es war nie total gemein wie in Geschichten, die ich von Freunden gehört habe.”

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet, denn ich hatte South Carolina als einen sehr feindseligen Ort erfahren. In seinem Comedy-Programm beschrieb er den Bundesstaat unverblümt als Kreuzung aus Rassismus und guten Keksen.

Ich fragte ihn, ob eine Jugend als Außenseiter ihn als Comedian beeinflusst habe, und Ansari wandelte die Frage ab. „Wie gesagt, so ging es mir dort nicht”, sagte er. „Ich, der Inder aus South Carolina, wurde erst als Kuriosum behandelt, als ich nach New York kam. In South Carolina gab es das nicht.”

Die Bedienung stapelte unsere Teller zu einem beeindruckenden Gebilde auf. Es gab Maränensalat, Kohlenfisch und perfekt geschnittene Tomaten, Gurken und rote Zwiebeln, dazu weitere Salate und einen Korb Bagels. Während wir unsere Sandwiches zusammenstellten, sprachen wir über die Hintergründe der neuen Serie. Dev ist eine semiautobiografische Figur, ein Schauspieler indischer Abstammung, der in New York Erfolg sucht und wie Ansari das ganz normale Leben in den frühen Dreißigern lebt: Dates, Hochzeitseinladungen, Kaffee mit Freunden, Pasta kochen für die Freundin (Noël Wells), die sich wandelnde Beziehung zu den alternden Eltern und das Feilen an der Karriere—kurz gesagt: Dev ist eine dreidimensionale Figur, dessen Eltern zufällig aus Indien kommen. Als seine guten Freunde sind Kelvin Yu, Lena Waithe, Ravi Patel und Eric Wareheim (vom Comedy-Duo Tim & Eric) zu sehen. „Eric ist der Quotenweiße unter meinen Freunden”, sagte Ansari neulich in Jimmy Fallons Tonight Show. Die Besetzung ist eine erfrischende Abwechslung von schneeweißen New Yorker Comedy-Ensembles wie jenen aus Girls, Seinfeld, Friends und vielen mehr.

Ansari und Mitschöpfer Alan Yang, ebenfalls Autor von Parks and Recreation, wollten einfach „eine Pay-TV-Serie, mit Fluchen und ohne inhaltliche Einschränkungen” erschaffen. Doch beim Schreiben wurde ihnen klar, dass sie in ihren Geschichten persönliche Erfahrungen erzählen konnten, die man selten im Fernsehen zu sehen kriegt. In der Folge „Parents” wird etwa die Kluft zwischen Immigranten und ihren in den USA geborenen Kindern thematisiert. Ansaris Eltern spielen die von Dev.

„Keine Serie mit einem Weißen in der Hauptrolle würde eine Folge wie ‚Indians on TV’ drehen”, sagte Ansari in Bezug auf die Episode, in der es um rassistische Stereotype und Quoten in den Medien geht, bei einer Podiumsdiskussion mit dem Schöpfer von Empire, Lee Daniels. „Schwarze Leute hassen es, wenn Weiße für Schwarze schreiben”, sagte Daniels dem Publikum. „Das ist oft so beleidigend.”

„Ich konnte ihn gut verstehen, denn die Leute kriegen das oft einfach nicht hin”, erklärte Ansari. Für Master of None arbeitete er eng mit Lena Waithe zusammen, um die Figur Denise zu entwickeln, die eine schwarze Lesbe ist. „[Lena] hat wirklich dafür gesorgt, dass sich alles richtig anhört. Da sind Dinge dabei, die ich ohne ihre Hilfe nicht hätte schreiben können. Ich versuche mir das bei allen Figuren sehr bewusst zu machen.”

Dass eine Serie, die so viel Diversität an den Tag legt, überhaupt existiert, gilt manchen als Beweis, dass sich die Zeiten in der Fernsehindustrie ändern. Es gibt in den USA zunehmend Serien von und mit nichtweißen Menschen, darunter Empire, Key and Peele, The Mindy Project und Fresh Off the Boat.

Doch Ansari ist nicht überzeugt. Bei einer Podiumsdiskussion von Entertainment Weekly sagte er im Oktober: „Tja, alle anderen Serien bestehen immer noch aus Weißen.”

Ansari erzählte mir, bei Brian, Yus Figur, sei ihnen Authentizität besonders wichtig gewesen. „Asiaten werden in Film und Fernsehen wirklich nicht gut dargestellt. Alan hat immer gesagt: ‚Du glaubst, alles sei OK? Wann hast du das letzte Mal gesehen, wie ein Asiate jemanden küsst?’ Das gibt es erst seit ein paar Jahren.

„Sie dürfen am Ende des Films nie jemanden ficken”, fügt er lachend hinzu—doch bei Master of None ist das nicht der Fall. Auch in Ansaris Stand-up-Programm spielt Sex eine Rolle. Hier wird Ansari zu seinem Alter Ego Randy, einem grölenden „Bro”, der mit Leistungen wie Unterwasser-Cunnilingus und Blowjobs im Iglu prahlt.

Doch Dev unterscheidet sich extrem von Randy, wie auch von Ansaris bekanntester Figur, Tom Haverford, dem baggernden Stadtangestellten aus Parks and Recreation.

Die Ansichten der neuen Figur zu Sex und Frauen decken sich mehr mit Ansaris wirklichen Meinungen. In seinem Live at the Madison Square Garden-Programm von 2015 sprach er darüber, wie häufig Frauen von Männern belästigt werden, nämlich im Grunde ständig. Diese Tatsache spiegelt auch die Episode „Ladies & Gentlemen” wider: Sie zeigt den extremen Kontrast zwischen dem furchteinflößenden nächtlichen Heimweg einer weiblichen Figur (sie wird von einem Mann verfolgt) und dem unbeschwerten Nachtspaziergang von Dev und Arnold (Wareheim), untermalt von „Don’t Worry, Be Happy”. Als die Frau Dev von ihrem Erlebnis erzählt, bemüht er sich zu verstehen—und Veränderung herbeizuführen.

Diese sozial engagierte Herangehensweise an die Comedy—und an ein Dasein als anständiger Mensch—muss nicht ohne Drama sein.

„[Dev] hat sein Leben zum Großteil im Griff”, sagte mir Ansari und nahm sich noch mehr Fischsalat. „Aber das ist auch beängstigend. Du sagst: ‚OK, ich schätze, das bin ich nun als Erwachsener.’ Ob du heiratest oder Kinder kriegst, ändert den Kurs deines Lebens. Wir sind eine Generation, die so viel entscheiden kann, der ihre Entscheidungen so schwerfallen. In den Dreißigern ist es dann höchste Zeit, sie endlich zu treffen.”

In einer Welt der Entscheidungsmöglichkeiten die richtige Wahl zu treffen gehört auch zu den Hauptthemen in Ansaris Buch Modern Romance. „Diese Zeit ist eine einzigartige”, schreiben er und sein Mitautor, der Psychologe Eric Klinenberg. „Niemals zuvor hatten Menschen so viele Möglichkeiten in der Liebe … Wie soll man bei all diesen möglichen Entscheidungen sicher sein, dass man die richtige getroffen hat?” Auch Master of None stellt derartige Fragen. Ständig kämpfen Figuren mit Entscheidungen: ob Nashville ein gutes Ziel für ein erstes Date ist, ob eine Trennung oder gemeinsame Zukunft besser ist, ob ein rassistischer Akzent für eine Rolle akzeptabel ist, wo es die besten Tacos gibt. Es sind solche Unterhaltungen, die Master of None bisweilen etwas lasch, aber stets mit großer Natürlichkeit wiedergibt.

„Wir waren stark von vielen Filmen aus den 70ern beeinflusst, in denen es etwas mehr Luft zum Atmen gab”, erklärte Ansari. „Heute tendiert alles zu großer Geschwindigkeit. Wir wollten das ein bisschen drosseln”, sagte er und zählte Einflüsse wie Woody Allen, Hal Ashby, The Heartbreak Kid und Die Reifeprüfung auf. Er lobte Richard Linklaters Before-Trilogie für ihre „natürlich klingenden Dialoge”.

Als wir unser Essen beendet hatten, fiel das Thema wieder auf „Indians on TV”. Die Folge beginnt mit einer brutalen Montage indischer Karikaturen in den Medien, von Ashton Kutcher, der im „Brownface” Chips anpreist, bis zu dem Typen, der sich in Indiana Jones über „Affenhirn auf Eis” freut. Als Nächstes sehen wir Dev und Ravis Vorsprechen für eine Taxifahrerrolle. Als Ravi (Patel) mit Akzent sprechen soll, hat er nichts dagegen, doch Dev beschwert sich und hört nie wieder von der Rolle. Ein wenig später bewerben sich die beiden für eine Sitcom und kriegen zu hören: „Es kann nicht zwei geben.”

„Was ich an der Folge am meisten mag, ist, dass sie durchgehend den Gegenbeweis liefert”, sagte Ansari. „Es ist gleich, welche Ethnie diese Figuren haben, so lange es glaubhaft und lustig und gut ist.”

Diese Momente sind es, die Master of None tragen: Die Szenarien sind witzig, aber lassen zugleich eine einschneidende Wahrheit durchscheinen. Dieser Stil erinnert an die urkomische und gleichzeitig scharfe Gesellschaftskritik von Chris Rock und Louis CK, die zu Ansaris Helden gehören. Doch mit ihrer Mischung aus Immigrantenperspektive und kulturellen Themen wie Geschlechterungleichheit und Medienstereotypen bleibt die Serie einzigartig.

„Die Anfangsszene von mir beim Vorsprechen, das ist echt”, gab Ansari gegen Ende unserer Mahlzeit zu. „Du gehst zum Casting und siehst all diese indischen Typen und denkst: ‚OK, ich weiß, was hier los ist.’ Es ist ein seltsamer Moment, wenn dich jemand bittet, mit Akzent vorzusprechen. Du musst entscheiden, ob du es machst oder nicht. Wir wollten alle Perspektiven mit dabei haben.”

Als wir das Restaurant verließen, lief Ansari einer Freundin über den Weg. Die fein gekleidete asiatische Amerikanerin war etwa in seinem Alter. Sie hatten sich schon vor meiner Ankunft unterhalten und ich hatte mich für die Unterbrechung entschuldigt.

„Mach dir keine Gedanken”, antwortete sie. „Ich kann ihn ständig sehen.”

Angesichts des Erfolgs von Master of None, der Ansari—und vielleicht anderen Vertretern einer Minderheit—noch mehr Möglichkeiten einbringen wird, kann der Rest der Welt das hoffentlich auch bald sagen.