Seien wir ehrlich. Wenn wir auf die eigene Gaming-Biographie zurückschauen, blicken viele von uns in einen Abgrund, ein Massengrab. Auch wenn uns die Story-Schreiber von Call of Duty, Fallout 4 oder The Division weismachen wollen, dass wir alle Helden sind, die in Eigenregie wieder und wieder die Welt retten: Oftmals handelt es sich bei unseren Videospiel-Alter-Egos um skrupellose Psychopathen, Serienmörder und Kriegsverbrecher.
Viele Games lassen uns die Freiheit, so rücksichtsvoll—oder so sadistisch—zu sein, wie wir wollen. Das lädt zum Ausleben von Gewaltfantasien ein und zum Experiment mit gesellschaftlich akzeptierten Grenzen. Und manchmal führt der Weg über Leichenberge einfach deutlich schneller zum Ziel als mühevolles Schleichen oder das Diskutieren mit Videospielfiguren.
Videos by VICE
Kein Wunder also, dass sich soviel angestaute virtuelle Schuld irgendwann Luft machen muss. So findet sich seit Samstag auf Reddit ein Thread, in dem Gamer ihre schlimmsten Sünden beichten. Gestartet hat ihn ein Redditor mit dem Usernamen GergenBergen, indem er diese Frage in den Raum warf: „Wenn ihr für die Verbrechen verurteilt werden könntet, die ihr in Videospielen begangen habt, was wäre der schlimmste Anklagepunkt?” Innerhalb eines Tages erhielt er mehr als 4500 Antworten.
Einige der Gesetzesübertretungen sind noch vergleichsweise harmlos: „Ich bin im Euro Truck Simulator auf der falschen Seite gefahren”, gesteht Redditor ajrGames. Und firered1207 gibt zu, in dem Fantasy-Rollenspiel Skyrim ein oder zwei Hühnern den Hals umgedreht zu haben.
Alles Kavaliersdelikte im Vergleich zu den Verbrechen an der Menschlichkeit, zu denen erfolgreiche Mainstream-Games immer wieder gern auffordern: Jene Flughafen-Szene aus Call of Duty: Modern Warfare 2 etwa, in der man als Undercover-Agent des CIA gemeinsam mit russischen Terroristen ein Massaker anrichtet, hat sich vielen Spielern tief ins Gedächtnis eingebrannt. Genauso wie das Auslöschen ganzer Alien-Völker in der Science-Fiction-Trilogie Mass Effect. Auch die Erinnerung daran, in diversen Kriegsspielen Luftangriffe auf Marktplätze und Flüchtlingscamps geflogen oder in Fallout 3 per Knopfdruck eine Stadt mit einer Atombombe dem Erdboden gleichgemacht zu haben, löst noch heute Unwohlsein unter Gamern aus. Das zumindest zeigen die Beiträge vieler Reddit-User.
Doch nicht jeder hat ein Problem mit den eigenen Gewaltexzessen. Manche Aufzählungen im Beicht-Thread von GergenBergen lesen sich wie ein munteres Bekenntnis zur Grausamkeit: „Ich habe Kinder kastriert, unzählige schwangere Frauen ermordet und Land erobert, nur weil dort eine andere Religion praktiziert wurde als die meine”, berichtet Redditor Simmons_M8 über seine Erlebnisse in dem Strategiespiel Crusader Kings II. Und als ein anderer Redditor damit prahlt, in Grand Theft Auto V ganze 115 Prostituierte ermordet zu haben, wird das nur müde belächelt: „115?! Wie lange hast du gespielt? 12 Minuten?” antwortet User Super_Satchel spöttisch.
Es ist jedoch kein realistisches Kriegsspiel und kein satirisch überzeichnetes Gesellschaftsportrait à la GTA, das einige Spieler offenbar besonders zum Sadismus anstachelt. Diese Ehre gebührt der familienfreundlichen Alltags-Simulation The Sims. So beschreibt User malenkylizards genussvoll, wie er eine Sims-Figur in einen kleinen, fensterlosen Raum gesperrt und zu einer freudlosen Existenz ohne Hoffnung verdammt hat. Und Redditor roobopp gibt zu, eine ganze Sims-Familie solange gefoltert zu haben, bis er sie schließlich im Swimmingpool ertränkt und von ihrem Leiden erlöst hat.
Trotz solch sadistischer Ausreißer macht die Reddit-Diskussion um das eigene Fehlverhalten in Videospielen aber eines deutlich: Obwohl es sich nur um Computersimulationen handelt, fühlen wir uns auch in Games für unsere Handlungen und deren Folgen verantwortlich. Das macht ihren Reiz aus. Wir nehmen unsere Vorstellungen von Recht und Unrecht mit in die Spielwelten. Und kehren dann, wenn wir uns mal wieder besonders übel daneben benommen haben, mit einem schlechten Gewissen aus ihnen zurück.