22.2.2015 Ich war gestern auf der Geburtstagsfeier eines Freundes, habe sehr viel Wein getrunken und danach Koffer für New York gepackt. Bin schwer verkatert auf dem Weg zum Flughafen und schon sehr gespannt, was in meinem Koffer drin ist.
22.2.2015 Flughäfen haben so was Faschistoides.
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22.2.2015 Nirgends gibts Wasser, dafür Swarovski und Hugo Boss, überall läuft Fashion TV als wäre die ganze Welt ein reicher Russe. Hier werden auch Leute abgeschoben, alles was ich will, ist ein normales Fanta.
22.2.2015 Es gibt nur stilles und mildes Mineralwasser am Flughafen, alles andere wäre zu radikal.
22.2.2015 Warte am New York Gate auf meinen Flieger mit den andern Coolen.
22.2.2015 Auf meinem Smartphone sind Fotos von gestern, an deren Abbildungen ich mich nicht erinnern kann. Was wohl in meinem Koffer sein wird.
22.2.2015 Flugzeugessen ist das beste, es is so retrofuturistisch und ganz anders als alles andere Essen auf der Erde. Oft is etwas dreieckig z.B.
23.2.2015 Bin nach der anstrengenden Reise bei einem Freund in Brooklyn angekommen, der gerade für drei Wochen eine Loftwohnung gemietet hat. Er ist aufstrebender Jungkünstler und möchte auf eine angesagte Warehouse Party, aber ich bleibe lieber daheim und schaue durch das Fenster auf Manhattan und fühle mich wie in einer Serie.
24.2.2015 Der Freund kam am vor ein paar Stunden verstrahlt mit einem Typen an und sagte, egal, was ich jetzt hören würde, ich dürfe nicht lachen. Ich war verwirrt und nun liege ich hier um sieben Uhr früh halbschlummernd am anderen Ende des riesigen Raums im Bett und versuche Sätze wie „OMG! ITS SO BIG AND ITS NOT EVEN HARD NOW!” angestrengt zu überhören.
24.2.2015 Wann sind die endlich fertig, ich will mich nicht mehr schlafend stellen. „COME ON MY FACE. COME ON. I WANT YOU TO COME IN MY FACE.” Oh Gott, sterben.
24.2.2015 Diese glucksenden Deepthroat-Laute sind unerträglich.
24.2.2015 Dafür müssen die mir nachher beim Scheißen zuhören.
24.2.2015 Endlich sind sie eingeschlafen. Nichts geht über glutenfreies Müsli in Mandelmilch mit Sicht auf die City Skyline, nachdem man von schwulem Sex auf XTC geweckt wurde.
24.2.2015 „Waren wir laut?” „Nein, BIG COCK.”
Diese Stadt gibt einem irgendwie so einen neoliberalen Orschtritt ins Gehirn. Ich meine, ich glaub, hier müsste ich echt was tun, um zu überleben.
24.2.2015 Ich sitz in einem Kaffeehaus voller Williamsburg-Hipsters und bis auf einen haben alle ausnahmslos ein MacBook vor sich. Es wirkt so gestellt, ich weiß nicht, ob die echt sind oder Statisten für eine Klischeeshow für mich. Vorher sind eine Gruppe großer, schwarzer Basketballer hinter mir gegangen und haben laut Hip-Hop gespielt. Ich konnte sie nicht anschaun, ohne rot zu wer- den. Riesenstädte haben aber auch was Deprimierendes, jetzt geh ich mal Juden schaun.
24.2.2015 Ich schwanke hier ständig zwischen dem Gefühl, an einem fürchterlich lebensfeindlichen Ort zu sein und hibbeliger, gereizter Euphorie.
24.2.2015 Diese Stadt gibt einem irgendwie so einen neoliberalen Orschtritt ins Gehirn. Ich meine, ich glaub, hier müsste ich echt was tun, um zu überleben.
25.2.2015 Gestern hat mich ein österreichischer Journalist, der in New York lebt, zu einem Abend für deutsch- sprachige Literatur eingeladen. Er will mich offenbar supporten und hat mich Leuten vorgestellt: „This is Stefanie, a young writer from Austria.” Und ich hab ihnen Fanzines von mir in die Hand gedrückt als wäre ich karrieristisch ambitioniert. Anschließend hat er mich noch ins elitäre Autorendinner bei einem Nobelitaliener geschleust. Ich saß neben einem alten Schweizer Diplomaten, der über seine Versetzung in irgendein Land erzählte, in dem er dann im Reichenghetto leben muss. Rührend wie er richtig betroffen erzählte, dass er doch lieber mit der Bevölkerung in Kontakt stünde als mit irgendwelchen Expats in isolierten Wohnvierteln. Gegenüber von mir saß eine New Yorker Bestsellerautorin und ich fragte mich, was ich da eigentlich zu suchen habe. Aufgrund meiner gefühlten Deplatziertheit war ich aber sehr befreit. Ein paar Schweizer Jungautoren saßen auch da, die über die Einsamkeit ihrer Writers Residency in Los Angeles jammerten. Es gab so zehn Gänge und ständig schenkte man mir Rotwein nach. Ich war schwer vollgepumpt mit Rotwein und schob mir gierig massenhaft Meeresfrüchte rein.
Beim Rauchen erzählte eine lesbische Afroamerikanerin, die fließend deutsch sprach, dass sie jetzt Jus studie- ren muss, damit sie eines Tages auch die Schulden für ihr Geisteswissenschaftsstudium zurückzahlen kann. Wenn sie von meinem Langzeitstudentendasein wüsste. Wahn- sinn. War aber irgendwie geil.
25.2.2015 Heute liege ich einfach nur verkatert auf der Couch. Fühle mich aber nicht mal schuldig dabei, weil ich Tacos esse vom Mexikaner und aus dem Fenster schau ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
25.2.2015 Die Großstadt verändert mich. In meinem Dorf werde ich nicht mehr dieselbe sein.
25.2.2015 Wo sind eigentlich die ganzen Fetten?
26.2.2015 Wenn man hier einfach in der U-Bahn sitzen bleibt, ist man irgendwann die einzige Weiße.
27.2.2015 Nach dem Literatendinner besuche ich heute noch das VIP Preview vom New Museum, weil eine Freundin dort ausstellt und dann such ich mir das billigste Crack und vertschüss mich endlich in die New Yorker Abgründe.
27.2.2015 Junge Künstlerinnen erleben manchmal, dass sie plötzlich nicht mehr auf Veranstaltungen sind, weil sie sich reingeschmuggelt haben, belogen und betrogen haben, durch den Hintereingang oder durchs Klofenster geschlüpft sind für ein paar Brötchen, sondern dass ihre Anwesenheit legitim ist und sie sind von der Umstellung total verwirrt. Das Gefühl der Illegalität geht nicht ganz weg, aber der Wein schmeckt gleich viel langweiliger.
27.2.2015 Ich steh grad an der Bowery. Rechts von mir eine Schlange schwarzer Männer vor der Bowery Mission, links von mir nur Weiße in der Schlange zum New Museum Preview. Naja, ich geh mal links.
27.2.2015 So viele Weiße wie auf dieser Veranstaltung habe ich in New York bis jetzt noch nicht gesehen. Kunsthipstermassen sehen auf der ganzen Welt irgendwie gleich aus. Seltsam eigentlich, Typen mit Metallhüten und 30 Zentimeter hohen Stöckelschuhen, Frauen mit rasierten, gelb angemalten Köpfen, Menschen im crazy Partnerlook, Gesichtstattoos, Geschlechtslosigkeit. Diese Masse an Exzentrik in diesem abgeschotteten Elfenbeinturm lässt sie plötzlich durchschnittlich und uniform wirken.
27.2.2015 Mein Lieblingssatz heute bei der Eröffnung: „I liked the show because it was so internet … without being too internety!” Als ich lachte und den Satz laut wiederholte, schaute mich der Typ total entsetzt an. Ups.
27.2.2015 Danach gabs eine Afterparty in einer Bar im obersten Stock eines Hochhauses und atemberaubender Sicht auf New York, zu der mich meine Künstlerfreundin mitnahm. Die Getränke waren alle gratis und ich holte mir ein paar Gin Tonics und griff wieder eifrig bei den Garnelen im Speckmantel zu. Als die Getränke nach zwei Stunden wieder normale Preise hatten (20 Dollar), filterten sich die Freaks langsam aus der Crowd bis überall nur noch Langweiler standen.
27.2.2015 Ich glaub das einzige, was mich an der etablierten Kunst und Kulturwelt wirklich reizt, ist das Gratisessen und das Gratistrinken.
28.2.2015 Das Appartement, das wir hier in Bushwick gemietet haben, ist so eine Art Loft, Wohnatelier von, ich glaube, Illustratoren, die die Gegend gentrifizieren. Alles ist sehr hübsch und stilbewusst eingerichtet. Ich bin fasziniert von ihrem Kühlschrankinhalt: Biotomatensauce, französischer Wermut, Organic Leinöl, Kandis mit Gewürz, Aiolisenf, koreanische Chilisauce, Estée Lauder-Antifaltencreme, L’Oréal-Feuchtigkeitscreme, Ayurveda Creme, Feigenkonfit in schwarzem Pfeffer, Kapern, Wasabimayonaise, Biopesto, Mandelbutter, französischer Weichkäse, arabisches Halva, Parmesan, Safranfäden, eingelegte Spargelspitzen, Oliventapenade und selbstgemachte Marmelade. Ich hab in alles meinen Finger gesteckt und gekostet.
Ich glaub das einzige, was mich an der etablierten Kunst und Kulturwelt wirklich reizt, ist das Gratisessen und das Gratistrinken.
28.2.2015 Ich möchte alle New Yorker Neighborhoods sehen, die für ein Provinzmädchen spannend sind. Das russische Lesbenviertel, die afghanischen Mormonen, das karibische Nazighetto …
28.2.2015 Ich bin auf einem Open Mic Stand-up Abend und es sind echt nur die Frauen, die Schwulen, die Schwarzen und die Fetten lustig. Die Dudes, die über Vaginas witzeln, möchte man einfach nur schlagen.
28.2.2015 Das coole an New York ist, dass es gleich- zeitig kulturelle Hochburg und dritte Welt Land ist und man alle paar U-Bahnstationen in ein anderes Universum abtauchen und Stunden spazieren gehen kann. Sie ist zwar lebensfeindlich, aber für eine Riesenstadt überraschend fußgängerfreundlich, einsam und kalt und pulsierend warm, aufgeschlossen und im Unterschied zu andern Megacitys sehr einfach zu kapieren. Eigentlich die am einfachsten zu verstehende Großstadt für mich, durch das symmetrisch strukturierte Straßennetz, die vertraute Popkultur und die englische Sprache. Man spürt den deprimierenden Struggle, aber tatsächlich auch eine Art von Freiheit.
28.2.2015 Ich würde gerne Käsepartys organisieren. Ein- tritt ist zwei Stück Käse. Dafür kann man so viel Käse von den andern Käsen essen, wie man will und das macht man die ganze Nacht wie verrückt und am nächsten Tag wachen alle auf mit schwerem käsigen Kopf, Blähungen, Gorgonzola Stückchen im Haar und Brie am Leiberl und käsigen Fingern, Camembertlippen, Hüttenkäse in der Unterhose, so auf fertig. Creme cremig
28.2.2015 In den New Yorker Hipsterkneipen sind die Leute viel notgeiler und ich werde viel öfter angebraten. Ich weiß nicht, woran es liegt. An der amerikanischen Datingkultur, die alles was zwischen Mann und Frau passiert gleich irgendwie auf ein Romantiklevel bringt oder daran, dass alles so scheißteuer ist und die Leute sich aufs Ficken konzentrieren, weil das wenigstens gratis is …