Diese Band tätowiert sich während ihrer Auftritte am ganzen Körper

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Musik

Diese Band tätowiert sich während ihrer Auftritte am ganzen Körper

Die Mitglieder von Tat2noisact stechen sich bei jedem Auftritt munter zu. Wir haben uns nach einem der Auftritte mit der Band unterhalten.

Die belgische Band Tat2noisact kombiniert genau die beiden Dinge, bei denen mir noch nie wohl war: in der Öffentlichkeit singen und in der Öffentlichkeit tätowiert werden. Seit Jahren treten sie mit ihrer Show auf, wobei die Bandmitglieder Musik machen und gleichzeitig sich selbst oder einander tätowieren. Mit jedem Auftritt fügen sie ihren Körpern neue Tattoos hinzu, an den Armen, Beinen und sogar im Gesicht. Dabei geht es kaum darum, wie die Kunstwerke aussehen, sondern vor allem um die Energie der Live-Show und das Gefühl, das bei den Männern entsteht, wenn sie Tattoos mit Musik verbinden.

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Der Rücken von Frontmann Fyl

Manchmal wird nur der halbnackte Frontmann Fyl mit einer Nadel tätowiert, die an einen Verstärker gekoppelt ist, während der Rest der Band weiterspielt. Manchmal tätowieren sich auch drei Bandmitglieder gleichzeitig, während alleine der Schlagzeuger noch trommelt. Bei wieder anderen Auftritten sind auch Bodypiercer zugegen. Jede Show ist ein Unikat.

Doch obwohl die Band inzwischen Hunderte Konzerte in der Tschechischen Republik, Frankreich und Belgien absolviert hat, kann man kaum von einer Fangemeinde sprechen. Das ist es nicht, was die Band definiert. Von dieser Tattoo-Kapelle können die Mitglieder nicht leben, doch die Musik-Tätowierer Fyl, Kostek, David, Joakim und Jeff tun das hier auch hauptsächlich zu ihrem eigenen Vergnügen.

Ich habe mich nach einem ihrer Auftritte mit der außergewöhnlichen Band unterhalten.

Hier ist ein Video von Fyl, wie er von Spritzen durchlöchert singt, während ihn ein Typ in einer mexikanischen Ringermaske tätowiert

VICE: Bonjour! Warum tätowiert ihr euch bei euren Auftritten?
Kostek: Das fing 2005 an, als ich in Brüssel ein Tattoo-Studio eröffnet habe. Zusammen mit Fyl habe ich zu diesem Zeitpunkt schon Musik gemacht. Also dachten wir uns: Wir haben viel mit Tattoos zu tun und machen Musik, warum kombinieren wir nicht einfach beides? Das war's eigentlich auch schon.
Fyl: Dann kamen noch ein paar Andere dazu und schon waren wir eine Band. Oder eigentlich mehr sowas wie ein Act.
Kostek: Natürlich war es eigentlich als Witz gedacht. Wir dachten, wir machen das einmal und nie wieder.

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Tat2noisact spielen am liebsten in überschaubaren Locations

Warum habt ihr weitergemacht? War die Sache so ein großer Erfolg?
Kostek: Tja, keine Ahnung. Die Leute fanden die Idee wohl gut, und es herrschte gute Stimmung bei der Show. Also schien es einfach am logischsten weiterzumachen.

Wie reagiert das Publikum bei euren Konzerten? Werden die Zuschauer auch tätowiert?
Kostek: Manchmal wollen Leute aus dem Publikum tätowiert werden, aber wir fordern das nicht heraus. Einmal haben wir einen Fan auf der Bühne tätowiert. Wir haben ihn vorher gefragt, ob wir einen Goldstab in seine Eier einsetzen dürfen. Er hat ja gesagt, also haben wir's gemacht.
Joakim: Manchmal ist das Publikum gar nicht aufzuhalten. Bei einem unserer Auftritte hat sich einer mit einer gerissenen Gitarrensaite den Arm tätowiert.
Kostek: Und einmal gab es eine Messerstecherei!
Fyl: Haha, stimmt. Aber bei uns geht es nicht um Gewalt.
Kostek: Wir sind natürlich keine normale Band. Wir haben nur wenige Fans. Unsere Freundinnen müssen oft mitkommen.

Fyl sticht sich einen Halbkreis ins Gesicht. Später wird er auch noch seine Nasenflügel ausmalen

Wie ist es, sich bei Auftritten tätowieren zu lassen? Spielt oder singt man dann anders?
Fyl: Für mich ist das ganz natürlich. Singen und tätowieren ist eine gute Kombination. Es ist ein ganz anderes Gefühl, und ich spüre dabei überhaupt keinen Schmerz. Ich singe meistens sogar besser.
David: Ich habe lernen müssen, auf andere Art den Rhythmus zu halten, denn beim Drummen tätowiert werden bringt einen ganz schön raus.

Gibt es Körperstellen, die ihr euch nicht tätowieren lasst?
Kostek: Ja, meine linke Hand. Das lasse ich auf Wunsch meiner Freundin sein. Das ist der einzige Teil von mir, der unberührt bleibt. Mein Gesicht ist mir egal, aber meine linke Hand bleibt leer.
Fyl: Bei mir nicht. Bei mir geht's ums Gefühl. Manchmal tätowiere ich mir das Gesicht, manchmal nicht. Am nächsten Tag muss ich mich immer erstmal dran gewöhnen, wenn ich in den Spiegel schaue. Dabei habe ich im Gesicht eigentlich nur Linien. Aber das mache ich nicht, weil ich mich selbst hasse. Ich bin eigentlich ein gutgelaunter Kerl. Die Leute schauen mich komisch an, aber dann lächle ich und sage Hallo. So bin ich einfach und so sehe ich eben aus.

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Kostek ist professioneller Tätowierer

Plant ihr die Tattoos oder ist das mehr eine total spontane Sache?
Kostek: Manchmal habe ich eine Vorstellung davon, manchmal weiß ich es nicht. Es hängt vom Rhythmus der Musik ab. Joakim hat ein System entwickelt, das es uns erlaubt, das Geräusch der Nadel zu verstärken. Also machen wir mit dem Tätowieren auch gleichzeitig Musik. Es ist ein bisschen, als würde man sich die Musik auf den eigenen Körper schreiben. Man könnte die Musik eigentlich fast wieder rauslesen, wenn es nicht alles so willkürlich wäre und mein Arm nicht so voll wäre.

NOISEY: Was dein bedauernswertes Szene-Tattoo über dich aussagt

Ja, wenn man von euren Tattoos ausgeht, dann wirkt es schon so, als müsste eure Musik chaotisch klingen. War für Musik spielt ihr denn genau?
Fyl: Tja, das musst du selbst entscheiden. Es ist ein bisschen wie Punkrock, dann wieder Noise, Hardcore oder sogar Afrobeat.
Joakim: Inzwischen ist unsere Musik viel strukturierter geworden. Anfangs war es noch hauptsächlich Noise—es ging um die Energie der Tattoos. Es gibt uns jetzt seit zehn Jahren. Wir proben jede Woche, aber wir tätowieren natürlich nicht jede Woche. Also denken wir mehr über unsere Songs nach und schreiben besser.

Joakim geht auf sein eigenes Bein los

Kosteks Arms

Was macht ihr außer der Band noch, um die Rechnungen zu bezahlen?
Kostek: Ich bin Tattoo-Artist.
David: Fyl ist fast alles: Friseur, Schauspieler und Künstler. Ich bin Videoeditor.
Joakim: Ich stelle Gitarrenpedale her und arbeite als Tontechniker.

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Fyl liest literarische Texte vor

Euch gibt es jetzt also seit zehn Jahren. Macht ihr weiter oder habt ihr andere Pläne?
Joakim: Wir nehmen eigentlich fast keine Musik auf. Es gibt nur ein paar Tracks online. Wir wollen also mehr aufnehmen.
Fyl: Aber nicht im Studio.
Kostek: Oder vielleicht doch im Studio. Wir wollen weiterkommen, aber wir wissen noch nicht so genau wohin.
Joakim: Wir wollen auch mehr mit einem Bühnenbild arbeiten, mit Lichtern und Skulpturen.
Kostek: Ich kenne auch noch jemanden, der hervorragend Querflöte spielt. Wer weiß, wohin das alles führt?

Weiter unten gibt es noch mehr Fotos von dem Auftritt, den Tat2noisact vor unserem Interview absolviert haben.