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Musik

Das Sonar war auch sonst sehr differenziert

Letzte Woche fand in Barcelona das Sonar statt. Ich würde gerne etwas Nettes oder wenigstens Substanzielles daüber sagen, aber die Wahrheit ist leider: das Sonar ist ein seelenloser, abschreckender Druffi-Rave.

Letzte Woche fand in Barcelona das Sonar statt. Ich würde gerne etwas Nettes oder wenigstens Substanzielles daüber sagen, da die Veranstalter mir eine Adidas-Tasche, ein Estrella-Shirt, ein Magazin (mit CD der grössten Diskohits!) und noch so Kram geschenkt haben, aber die Wahrheit ist leider: das Sonar ist ein seelenloser, abschreckender Druffi-Rave. Der Alptraum des Alptraums der Nachgeburt von Techno. Ach und teuer wars auch.

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Das Lineup machte einiges her (Aphex Twin, M.I.A., Dizzee Rascal, Steve Reich und die Schlachthofbronx), was bedauerlicherweise durch die Umstände beinahe komplett neutralisiert wurde. Im Dunkeln ging es halbwegs, aber wir trauten uns Samstag aufs Sonar Day, um Four Tet zu sehen. Obwohl wir alle ziemlich auf Four Tet stehen, stand vor uns hauptsächlich ein riesiger Typ mit einer Fresse zum Hart-Reinschlagen, der mit wohlig grinsendem Gesicht seiner tanzenden Freundin an die Brüste fasste. Er und die Brüste standen zwischen uns und Four Tet. Gingen wir nach rechts, drehten sie sich nach rechts. Gingen wir nach links, drehten sie sich nach links. Wir konnten nicht ausweichen, weil rechts und links noch mehr Brüste waren. Und leere Gesichter. Überall waren Brüste und sabbernde, drogenleere Gesichter, und nirgendwo Four Tet, und dann wurde es Gott sei Dank dunkel.

Auf dem Sonar by Night, das in der Nähe des Flughafens in einem verwirrend konstruierten Industrie-Areal stattfand, gab es einen Auto Scooter. Ich traute mich einmal in die Nähe desselben, woraufhin ein Aufseher auf mich zustürmte, "Pay! Pay! You have to pay!" brüllte. Und natürlich kostete ein kleines Bier 4 Euro. Bevor jemand rummosert, "Ey, wenn du was gegen viele Leute und Drogen hast, geh halt nicht aufn Festival"—daran lags nicht. Es gibt einen feinen, aber entscheidenden Unterschied zwischen einem Campinglager und Krieg.

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Dafür waren wir hoffnungslos ins kleinkriminelle und sympathisch abgefuckte Barcelona verknallt. Wir liebten die Hinterhöfe und die ganzen ungeschickten Taschendiebe und Sprayer und Dealer, und unser Kontaktmann kannte die ganzen Orte, wo man den richtig leckeren Scheiß für fast kein Geld essen kann. Dadurch kamen wir insgesamt ohne größere Traumata davon.

Und: Die Antwoord haben gespielt, und sie waren absolut großartig. Ja, der Hype ist schon gut ein Jahr vorbei, und wir finden Die Antwoord immer noch absolut großartig. Die Antwoord haben das Internet besiegt. Amen.

Der Mob und Watkin Tudor Jones (von vorne).

Der Typ im Wu-Tan-Clan-Shirt rettete uns in dem Moment ein bisschen den Glauben an die Menschheit.

Yolandi Visser (von hinten).

Barcelona (von oben, idyllisch).

Jede Menge Katzen.

Es gab Hinterhöfe für Jungs und solche für Mädchen. Alte Männer schnitten sich dort ihre Fußnägel, und uns wurde von Grafittijungs exakt erklärt, wer wen wann übermalen darf und wann nicht (".. und dann sagte der, er konnte nicht größer übermalen, weil er kein Geld hat. Dann soll er halt klauen gehen!") Da in der Ecke trafen wir auch jemandem, der sich auf offener Straße H spritzte. Insgesamt fühlte sich alles an wie in dieser Szene aus Kids, nur, dass keiner verprügelt wurde (trotzdem irgendwie idyllisch).

Bier gab's in 1-Liter-Flaschen. Unser Gastgeber erklärte das so: "Man trinkt eh zu mehreren, und, nun, spanisches Bier, das ist so, wenn das offen ist, nein, eigentlich schon, wenn's geschlossen ist.. also ist vollkommen egal, schmeckt so oder so total beschissen."

FOTOS: Dimitri Dinner