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Katzen sind der plüschgewordene Spiegel unserer Gesellschaft

Egozentrische Wohnzimmer-Terroristen mit starkem Haarausfall? Wenn wir ehrlich sind, hat die Menschheit des 21. Jahrhunderts nichts anderes verdient.

Egal ob Weltkatzentag oder nicht, sobald es um die vierbeinigen Schnurrmonster geht, rasten die Leute aus. Ich bin mir unsicher, wann genau dieser ganze Katzenhype angefangen hat, aber einen ziemlich großen Beitrag dazu hat wahrscheinlich das Internet geleistet (verdammtes Internet). Vielleicht hat aber auch die Tatsache, dass sich unsere Gesellschaft zunehmend in egomane Einzelkämpfer mit Bindungsproblemen entwickelt, etwas damit zu tun (verdammter Kapitalismus). Fakt ist: Wer wirklich aussagekräftige Informationen zum aktuellen Stand der Menschheit haben möchte, sollte sich die Tiere anschauen, die unsere Sofas vollhaaren.

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EGOMANIE

Seiten wie Facebook und Youtube haben aus uns egozentrische Arschlöcher gemacht, die vom stetigen Drang nach Selbstdarstellung getrieben durchs Leben hetzen und nur noch in Hashtags denken. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass wir uns jemanden ins Haus holen, der sich ebenfalls als das warme, pulsierende Zentrum des Universums sieht, dessen Bedürfnissen sich jedes Lebewesen beugen muss. Und dazu brauchen Katzen nicht einmal Koks. Eigentlich sind die allseits beliebten Haustiger wie Twitter: Immer auf der Suche nach allgemeiner Aufmerksamkeit und der Inbegriff der unerträglichen Selbstgerechtigkeit. Wenn sie unentwegt Selfies machen könnten, um euch psychisch zu zermürben—sie würden es tun.

BINDUNGSÄNGSTE

Foto: Captain Pancakes | Flickr | CC BY 2.0

Während in der Popkultur emotional kalte, unerreichbare Menschen als ideales Love-Interest verkauft werden, weil es anscheinend erst dann Liebe ist, wenn man so richtig leidet, übertragen die Leute dieses Idealbild einer Beziehung Eins zu Eins in ihr Privatleben. Und damit meine ich nicht all diese enervierenden Heulsusen, die ihren ewig währenden Schmerz auf Tumblr und Facebook breittreten. Nein, die wahren Trauerjunkies sind die Leute, die sich eine Katze kaufen. Egal ob Perser oder Siam, es ist den Samtpfoten absolut scheißegal, was für Gefühle man ihnen entgegenbringt und sie werden es dir auch ungefiltert zeigen.

Wozu brauchen wir Fifty Shades of Grey, wenn man sich jeden Tag zum Bediensteten eines pelzigen Tyrannen machen kann? Die Menschen wollen keine bedingungslose Liebe mehr, weil sie damit nicht umgehen können. Es setzt sie unter Druck, es engt sie ein und widersprecht dem von der Arbeitswelt übernommenen Dogma, dass nie irgendetwas gut genug ist. Das stetig Unerreichbare hält sie bei der Stange. Kein Wunder, dass Ehen heutzutage so schnell in die Brüche gehen und unsere Großstädte von ewigen Singles bevölkert sind, die ihre Abende damit verbringen, passiv-aggressive Vorstellungstexte auf Online-Dating-Plattformen zu posten.

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ALLGEMEINE ARSCHLOCH-MENTALITÄT

Alles in rauen Mengen und am besten sofort: Katzen sind das Sinnbild unserer konsumgesteuerten Wegwerfgesellschaft. Genau so wie man nie genug Designer-Turnschuhe im Flur stehen haben kann, werdet ihr diesem Tier niemals so viel Thunfisch füttern können, dass es euch zumindest ein bisschen liebt. Sie wollen eure Zuneigung? Sie bekommen sie. Sie haben voll Bock auf das halbe Hühnchen, das auf dem Küchenschrank steht? Fickt euch, sie werden es sich nehmen. Dieses Verhalten dürfte den Meisten von euch aus der Arbeitswelt bekannt vorkommen und scheint mittlerweile der einzige Weg zu sein, sich im Leben überhaupt noch irgendwie behaupten zu können. Spiegeln unsere Tiere uns oder übernehmen wir diese Verhaltensmuster von unseren garstigen Mitbewohnern? Unklar. Womöglich haben sich bei Mensch und Katze einfach verwandte Seelen gefunden.

UNABHÄNGIGKEIT

Foto: d.aniela | Flickr | CC BY-ND 2.0

Das eine große Argument, das Katzenliebhaber immer wieder vorbringen, ist, dass die Flohbälle absolut eigenständig sind und nichts und niemanden zum Überleben brauchen. Das ist zum Einen natürlich Schwachsinn, zeigt andererseits aber auch die große Sehnsucht einsamer Menschen nach einem Lebenspartner, der zumindest den Anschein erweckt, nicht von einem abhängig zu sein. Wer eine Katze hat, muss sie in aller Regel nicht mehrfach am Tag spazieren führen oder stundenlang mit ihnen joggen gehen, damit sie ausgelastet sind. Katzen scheißen auf dich und interessieren sich in aller Regel absolut nicht dafür, ob du ihnen beim Kacken zukuckst oder nicht. Du kannst den ganzen Tag in einem Großraumbüro sitzen und nach der Arbeit noch einen Verzweiflungsdrink in einer nahe gelegenen Bar nehmen, und dein Haustier wird trotzdem noch leben, wenn du nach Hause kommst. In einer Zeit, in der man neben dem Job nicht mal mehr Zeit für sich selbst hat, kann man einfach nichts gebrauchen, das einen terminlich zusätzlich belastet.

Und wenn ihr dann irgendwann in Rente geht, abgekämpft, frustriert, müde vom Leben, werdet ihr nach Hause kommen und in das feiste, motzige Gesicht eurer Exotic Shorthair starren. „Ich hasse dich“, werden ihre eiskalten Augen euch ins Großhirn brennen und ihr werdet glücklich sein. Denn unsere ausbeuterische, zwischenmenschlich erkaltete, grausame und rein auf Leistung getrimmte Gesellschaft hat nichts anderes verdient.

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