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Popkultur

Zensur und die Zukunft des Internets

Yasmin Green ist Chefin für Forschung und Entwicklung beim Technologie-Inkubator Jigsaw, einer Tochterfirma des Google-Mutterunternehmens Alphabet. Zugang zu Informationen ist für Green ein Menschenrecht—eines, das sie zu ihrer Mission gemacht hat.

Porträt von Shaniqwa Jarvis

Aus The Borders Issue

Zwei Drittel der Weltbevölkerung haben keinen Internetzugang, doch es gibt mehr Bemühungen denn je, das zu ändern—von Mark Zuckerbergs ambitioniertem Plan, die nächsten fünf Milliarden Menschen online zu bringen, bis hin zu den Internetballons, die Google in die Stratosphäre schicken will.

Aber eine Internetverbindung allein garantiert noch keine Information. In repressiven Staaten nimmt die Zensur zu und laut einem Bericht der NGO Freedom House, die sich international für liberale Demokratie einsetzt, hat die Internetfreiheit 2015 das fünfte Jahr in Folge abgenommen. Als Chefin für Forschung und Entwicklung beim Technologie-Inkubator Jigsaw, einer Tochterfirma des Google-Mutterunternehmens Alphabet, arbeitet Yasmin Green an Produkten, die diese Mauern überwinden. Wir haben sie nach den größten Problemen bei der weltweiten Vernetzung befragt.

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VICE: Was macht Jigsaw und was macht euren Ansatz einzigartig?
Yasmin Green: Wir nutzen Technologie, um geopolitische Probleme zu lösen. Das Besondere an unserem Ansatz ist, dass wir unsere Ideen direkt von Menschen holen, die Konflikte und Unterdrückung erleben. Wir stellen nichts her, das nicht vor Ort getestet wurde, um menschliche Erfahrung im Zusammenhang mit Technologie verstehen zu lernen.

Kannst du mir etwas über uProxy erzählen?
Das ist eines der Projekte, die wir entwickelt haben, um unserem Hauptziel, dem Ende der repressiven Zensur, näherzukommen. Es ist im Grunde ein Tunnel, der durch nationale Firewalls geht, sodass Leute in diesen Ländern Zugriff auf ein offenes Internet haben. Es gibt schon Proxys, doch uProxy ist besonders: Es ist ein Open-Source-Projekt, also kann weltweit jeder Code beisteuern, und es ist peer-to-peer, das heißt man kriegt den Zugang zum freien, offenen Internet direkt von Leuten wie Angehörigen und Freunden, denen man vertrauen kann. Es ist dezentral und daher unauffällig. Es geht darum, Menschen mit nur ein paar Klicks Zugang zum freien und offenen Netz zu geben.

Habt ihr dabei an eine bestimmte Bevölkerung gedacht?
Wir wollen Werkzeuge schaffen, mit denen wir ein Internet ohne Grenzen Wirklichkeit werden lassen können. Im Moment nutzen drei Milliarden Menschen das Internet. Die nächsten drei Milliarden, die online kommen, werden sich in ganz anderen Umgebungen befinden. Sie werden an Orten sein, an denen es zunehmend Konflikte und schlimme Unterdrückung gibt. Wir denken bei der Entwicklung an diese nächsten drei Milliarden Menschen, deren physische Umgebung geprägt ist von Konflikten und Unterdrückung, und diese Bedrohungen werden sich auch online manifestieren. Bei Jigsaw haben wir das Privileg, unsere Produkte aus dieser Perspektive heraus zu entwickeln.

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"Das Internet sowie der Zugang zu Informationen sind ein Menschenrecht. Wir müssen dieses Recht allen auf der Welt zugänglich machen."

Inspiriert dich deine iranische Herkunft in dieser Arbeit?
Ich habe schon in einigen repressiven Kontexten gelebt, doch Iranerin zu sein, macht es für mich auch sehr persönlich, denn ich habe erlebt, was eine unterdrückerische Regierung mit Menschen machen kann. Das hier ist das Wichtigste überhaupt. Es hat nicht nur Einfluss darauf, ob Menschen Zugang zu Informationen haben, sondern auch Zugang zu Kultur und Kommunikation, sogar auf ihre Existenzsicherung—es ist mir also ein sehr persönliches Anliegen.

Wie entscheidet ihr, welche Regionen oder Konflikte ihr priorisiert?
Wir reisen um die ganze Welt, um zu verstehen, was in verschiedenen Gegenden passiert. Aber Technik kennt keine Landesgrenzen; wenn ich ein Produkt für den Iran entwickle, wird es trotzdem um die Welt gehen, wenn es gut ist. Das ist eine der sehr befriedigenden Seiten dieses Jobs: Zeuge zu werden, wie die Technologie sich verbreitet.

Wie passt Jigsaw in die größeren Bemühungen von Google, die digitale Kluft zu schließen?
Es gibt sehr viel wichtige Arbeit im Zusammenhang mit der Vernetzung der unvernetzten Welt. Wir stellen die Frage, was passiert, wenn der Zugang da ist. Sind die Menschen sicher? Können sie auf ein freies und offenes Internet zugreifen? Wir von Jigsaw spielen im Grunde eine ergänzende Rolle, weil wir versuchen, sicheren Zugang zu einem offenen Netz zu gewähren.

Mit welcher großen Veränderung rechnest du, wenn die Zahl der Internetnutzer steigt?
Ich denke, das Internet wird auf eine ganz andere Art genutzt werden. Wir werden erleben, wie all diese geopolitischen Herausforderungen, die es schon seit Ewigkeiten gibt—wie Terrorismus—sich mit Technologie und dem Internet verbinden. Es ist wichtig, dass unsere Reaktionen auf diese Dinge das Internet mit einbeziehen; wir müssen online und offline reagieren.

Welcher großen Herausforderung steht die Internetfreiheit als Nächstes gegenüber?
Der Anerkennung, dass das Internet sowie der Zugang zu Informationen ein grundlegendes Menschenrecht sind. Wir müssen dieses Recht allen auf der Welt zugänglich machen.

Im Interesse der Transparenz: Jigsaw sponsert eine demnächst erscheinende Serie für VICE News.