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Kinder des Korns

In Amerika stopfen sich die Leute seit Jahrzehnten mit gentechnisch modifiziertem Frankensteinfutter voll. Und zwar ob sie wollen oder nicht, es gibt nämlich praktisch keine Alternativen mehr. Europäer, andererseits, hassen den Genfraß. Sie haben es sich zur Gewohnheit gemacht, jene wissenschaftlichen Gutachten vollständig zu ignorieren, die die Unbedenklichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen beschwören- eine Haltung, die den Fortschritt der europäische Biotech-Industrie maßgeblich lähmt. Das gefällt der US-Regierung gar nicht, was einige neulich durchgesickerte Depeschen des State Department verraten. Die Nachrichten, die eine gewisse Geheimhaltungsabsicht suggerieren und von Operationen berichten, deren methodische Herangehensweisen unverhältnismäßig an den kalten Krieg erinnern, enttarnen die US-Regierung als ambitionierten Unterstützer von Monsanto und anderen Agrarkonzernen mit dem Ziel, die Gesetzgebung der EU zu Gunsten der Konzerne zu ändern.

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Die verhaltene europäische Begeisterung für gentechnisch modifizierte Nahrung ist auf eine Kombination aus wirtschaftlichen Interessen und einer geringeren Risikobereitschaft zurückzuführen. Die wirtschaftlichen Motive basieren weitestgehend auf Mitleid und einer gewissen Besorgtheit gegenüber amerikanischen Kleinbauern. Als MON810 und andere gentechnisch manipulierte Pflanzen angebaut- und großzügig über die Farmen im gesamten Land verteilt wurden, hatten die Bauern, die nicht konvertieren wollten, bald das Vergnügen mit Monsantos Anwälten und einer Klage wegen Patentrechtsverletzungen. Natürliche Fremdbestäubung und der Wind taten nämlich ihr Übriges um die gentechnisch modifizierte Saat in der gesamten Landschaft zu verteilen, und Einzug in die Stammkultur einer jeden Farm zu halten- sogar in die, die mit GMO’s nichts zu tun haben wollten. Eigentlich hat Monsanto seine Saat also „irrtürmlich“ an unwissende Farmer verteilt, die es der Firma dann später erlauben, gerichtlich gegen die Verletzung ihrer Patentrechte vorzugehen. Da die meisten Farmer aber leider keinen dauerhaften Rechtsstreit finanzieren können, wird in der Mehrheit der Fälle auf eine außergerichtliche Einigung abgezielt. Monsanto-Saat hat auf diese Weise die Mehrheit aller amerikanischen Nahrungsmittel unterminiert- und einen großen Teil des landwirtschaftlichen Marktes übernommen. Sollte dasselbe auch in Europa stattfinden, hätte die US-Regierung einen großen Anteil an der Gewinnverdopplung eines gigantischen amerikanischen Konzerns. Alles was dafür notwendig wäre, um Monsanto in Europa einzuschleusen, ist ein bisschen Promo und PR.

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„Mission Paris empfiehlt, dass die US-Regierung unsere Verhandlungspositionen mit der EU bezüglich landwirtschaftlicher Bio-Technologie wiederbelebt, indem man einen Vergeltungsschlag inszeniert, wenn die 'angemessene Frist' abgelaufen ist.“ Was sich liest wie ein Abschnitt aus einem Michael Crichton Roman, ist eine Depesche der US-Regierung von 2007 – genauer von einem amerikanischen Team, das nichts anderes zu tun hat, als Frankreich, Australien und Italien zu einer befürwortenden Haltung zum Thema Biotechnologie zu drängen.

Dieser sogenannte Gegenschlag des US-Außenministeriums war die Antwort auf Frankreichs „Grenelle“- Entscheidung. "Dabei handelt es sich um eine Politik die es rechtfertigt, die wissenschaftlich motivierte Entscheidungen zugunsten der Einschätzung des allgemeinen Interesses zu unterlaufen“. Exponential wachsende Frustration im Außenministerium war die logische Folge der Tatsache, dass Präsident Sarkozy beschlossen hatte, die wissenschaftlichen Beweise für die Sicherheit der Monsanto-Saat zu ignorieren, bevor er sie aus Frankreich verbannen lies. Botschafter Craig Stapleton, Autor der Depeschen, sagt außerdem, dass man das Anbau-Verbot als ersten Schritt der Anti-GMO-Anwälte bewertet, der ein Verbot oder zumindest eine Einfuhrbeschränkung nach sich ziehen werde.

Laut einer Depesche, die fünf Monate später verfasst wurde, ist der Import von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nach Europa eine der größten Geschäfte für die vereinigten Staaten. Als sich in Spanien 2007 die Lebensmittelpreise verdoppelt haben, schnupperte die US-Regierung ihre Möglichkeit als Versorger in Spaniens $27.3 Mrd. Geschäft mit Landwirtschaft und Fischfang einzusteigen. Sie bot Spanien gentechnisch verändertes Saatgut an, das gegen Trockenheit resistent sein sollte, und konnte damit Spaniens Korn- und Getreidemarkt zum einlenken bewegen.

Frankreich wurde dann aber mit seinem erfolgreichen Anbau-Verbot zum Präzedenzfall und für die anderen EU-Länder wäre es ein Leichtes gewesen, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Und genau das ist auch passiert.

Eine Depesche von Mai 2009 sieht „Spaniens MON810 Mais -Ernte bedroht von einer Entwicklung gut koordinierter Kampagnen gegen den Anbau und für ein Verbot jeder Form von gentechnisch manipulierter Saat in Europa… Monsanto bestätigt, dass die anti-MON810-Bewegung eine Eigendynamik entwickelt hat, die nur durch eine Einigung zwischen der französischen Regierung und Greenpeace/Friends of the Earth zustande kommen konnte - wobei die Regierung Frankreichs GMO-frei-Bewegungen potentiell Unterstützung zusichert, sollten Aktivisten im Gegenzug ein Auge für President Sarkozy und seine nuklearen Machenschaften zudrücken.

Nicht nur, dass diese Informationen eine direkte Verbindung zwischen Monsantos Interessen und einem gewissen wirtschaftlichen Eigennutz der US-Regierung nahelegen, sie verraten außerdem Sarkozys hinterhältigen politisch motivierten Vernichtungsschlag gegen den europäischen Fortschritt in Sachen Biotechnologie für den Preis der Vorantreibung nuklearer Energie. Snack on that!