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Für 600 Euro redet dieser Neonazi auch auf deiner Hochzeit

Also wenn du lieber Volksverhetzung und Propaganda willst, statt rührender Geschichten und Liebesschwüren.

Keine Hochzeit, sondern eine Neonazi-Demo in Hamm im Oktober 2014. Der Redner ist Sascha Marcel Krolzig | Foto vom Autor

Um Menschen davon zu überzeugen, dass das deutsche Volk ausstirbt und die Welt von den Juden gesteuert wird, braucht es rhetorisches Geschick. Die Nazis von damals haben mit ihren Reden ganze Säle gefüllt. Bei den Neonazis von heute reicht es meist nur für eher dürftige Aufmärschchen.

Sascha Marcel Krolzig hat das Reden vor Publikum auf rechtsextremen Demos in der ganzen Bundesrepublik geübt. Nun versucht er, damit Geld zu verdienen.

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Screenshot von Sascha Marcel Krolzigs Website

Als freier Redner und Zeremonienleiter tritt er auf Hochzeiten und Beerdigungen auf. Im Vorfeld trifft er sich mit dem Brautpaar oder Hinterbliebenen, um seine Rede ganz nach deren Wunsch zu gestalten. Verstorbene begleitet er für 350 Euro plus Fahrtkosten bis zum Grab. Auf Hochzeiten bleibt er gern auch bis zum Sektempfang—das kostet dann 600 Euro.

Das alles kann man auf seiner Website lesen. Nur dass er einer der wichtigsten Neonazis in Nordrhein-Westfalen ist, verschweigt er.

In der rechten Szene ist Krolzig schon als Jugendlicher. Mit 16 besucht er Neonazi-Demos, wenig später soll er laut dem linken Magazin Lotta an einem versuchten Angriff auf eine Antifa-Veranstaltung beteiligt gewesen sein. Als er 2006 wegen Körperverletzung und Volksverhetzung für ein halbes Jahr ins Gefängnis muss, geht er noch zur Schule. Es ist der Beginn einer langen Karriere in der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene und einem ebensolangen Vorstrafenregister.

Der junge Neonazi knüpft Kontakte zu den wichtigen Figuren der Szene—Menschen wie Christian Worch, der 2012 die Partei Die Rechte gegründet hat, oder dem mittlerweile ausgestiegenen "Hitler von Köln". Er wird zum "Führer" der Kameradschaft Hamm, und engagiert sich nach deren Verbot in Worchs Neonazi-Partei. Seit August 2016 ist er Landesvorsitzender der Partei in NRW.

Screenshot von Sascha Marcel Krolzigs Website

Neben der Arbeit für "Volk und Vaterland" studiert er Jura, denn die rechte Szene braucht Anwälte. Ginge es nach ihm, wäre Krolzig heute einer und würde die Straftaten seiner Kameraden verteidigen. Da gibt es nur ein Problem: Das Land NRW hat ihn aufgrund seiner Vorstrafen, und weil er charakterlich nicht geeignet sei, nicht zum Rechtsreferendariat zugelassen. Oder um es mit den Worten seiner eigenen Website zu sagen: "Nach einigen Tätigkeiten im juristischen Bereich habe ich den Entschluss gefasst, mich beruflich umzuorientieren."

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Nun arbeitet er als Redner für persönliche Anlässe. Vermutlich erzählt der verurteilte Volksverhetzer dem Publikum dort nichts von Überfremdung und Volkstod, den Lieblingsthemen der Rechtsextremen.

Krolzig ist mit seiner Gesinnung ein Exot unter den Freien Rednern und Zeremonienleitern. Man kann sie buchen, wenn man für Hochzeiten, Beerdigungen oder andere Anlässe nicht auf Kirchenvertreter zurückgreifen will. Grundsätzlich gilt auch: So nennen kann sich jeder, die Begriffe sind nicht geschützt.

Anders ist das beim Humanistische Verband Deutschlands. Auch dieser vermittelt Redner, sind aber dafür ausgebildet. "Bei unseren Feiersprechern stehen immer der Mensch und die Menschenrechte im Fokus", sagt Thomas Oppermann, Geschäftsführer des Humanistischen Verbands Nordrhein-Westfalen. "Für die Arbeit braucht man in erster Linie viel Empathie. Dass ein Neonazi das kann, kann ich mir nicht vorstellen."

Auf Nachfrage von VICE wollte Sascha Krolzig sich nicht zu seinen Qualifikationen äußern. "Für nähere Informationen stehe ich aus Rücksichtnahme gegenüber meinen Kunden nicht zur Verfügung", schreibt er per E-Mail.

Rücksichtnahme heißt für ihn wohl, seine Neonazi-Tätigkeiten zu verschweigen. Um Berufliches von Politischem zu trennen, benutzt er auf seiner Website deshalb auch seinen Zweitnamen Marcel statt Sascha.