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​Wir haben mit der deutschen Verteidigungsministerin gegrillt

Schweres Gerät kam Gott sei Dank nicht zum Einsatz.
Fotos: VICE Media

Auch wenn die Sonne heute noch so strahlt, gegen Ursula von der Leyen kommt sie nicht an. Umringt von aufgeregten Bürgern steht die deutsche Verteidigungsministerin einfach so mitten in diesem kleinen Park in Westberlin und beantwortet Fragen.

Die Idee dazu hatte Thomas Heilmann, der Justizsenator und gleichzeitig einer der beliebtesten Politiker Berlins. "Grillen mit der Verteidigungsministerin", sowas kann nun nun wirklich nicht jeder Berliner Kandidat auf Facebook anmelden. Das wird schon Eindruck machen bei den Wählern.

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Der ist auch dringend nötig—am Sonntag wählen die Berliner ihre neue Regierung, und für die CDU sieht es aktuell gar nicht gut aus. In den Umfragen dümpelt sie aktuell sogar hinter den Grünen herum. Aber weil das Event außer auf Facebook nicht besonders beworben wurde, ist die Menge auf dem Markusplatz in Steglitz überschaubar. Vierzig, fünfzig Menschen drängen sich um die energische blonde Frau im rosa Hemd.

Eben hat Ursula von der Leyen noch eine kleine Ansprache darüber gehalten, wie gut es uns hier in Deutschland gehe und wieso wir deshalb den von "Not, Krieg, Terror, schrecklichen Gefahren" Verfolgten helfen müssten. Aber auch nur denen! Die, die nur herkommen, um sich hier ein besseres Leben zu machen, müsse man leider abweisen. In einfachen Worten versucht sie, den Leuten die Flüchtlingspolitik der Regierung schmackhaft zu machen. Und schließt damit, dass sie jetzt gerne "ne zünftige Bratwurst und was zu trinken" hätte.

Die Leute—größtenteils Rentner, Mütter mit Kindern und Endzwanziger von der Jungen Union—interessieren sich aber nicht so brennend für Flüchtlinge. Als die Zeit für die Fragestunde kommt, zeigt ein älterer Mann der Ministerin voller Stolz seine alten Militärpapiere, ein anderer will wissen, ob die Wehrpflicht wiederkommt (nein), ein Dritter will nur ein Autogramm.

Ein junger Deutschtürke wartet geduldig, bis er an die Reihe kommt, und fragt dann, warum man sich als Kampfschwimmer zwölf Jahre verpflichten müsse. Zwar habe er die Aufnahmeprüfung bestanden, aber mit siebzehneinhalb für so lange Zeit unterschreiben, das habe ihm die Mutter verboten. Von der Leyen kann ihm zwar nicht genau erklären, warum das so ist, aber sie verspricht, per E-Mail in Kontakt zu bleiben und sich um seinen Fall zu kümmern. Als die Ministerin mit ihm und seiner Mutter für ein Foto posiert, ruft irgendein Idiot: "Haha, das ist ja jetzt die totale Integration"—und beweist damit, dass es bei manchen noch nicht mal reicht, als Elitesoldat für dieses Land kämpfen zu wollen, um hier wirklich angenommen zu werden.

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Über eine Stunde redet die Verteidigungsministerin schon mit einem Bürger nach dem anderen, ihre Mitarbeiter haben sich längst zum Wurststand verdrückt, nur die drei Personenschützer loten permanent die Bewegungen der Menge um die Frau aus. CDU-Senator Thomas Heilmann strahlt, die eigentliche Kandidatin für Steglitz-Zehlendorf, Cerstin Richter-Kotowski, für die das ganze Spektakel veranstaltet wird, lächelt während der gesamten Veranstaltung etwas säuerlich—warum, bleibt ihr Geheimnis.

Schließlich reicht es auch von der Leyen, die Verteidigungsministerin klettert schnell in ihre Limousine und braust davon. Was die Begegnung konkret gebracht hat, ist unklar. Steglitz-Zehlendorf liegt ohnehin fest in CDU-Hand. Gleichzeitig sagen die Griller von der Jungen Union, dass sie nicht wirklich daran glauben, dass die CDU es in die nächste Berliner Regierung schaffen wird. Heilmann wird seinen Posten als Justizsenator abgeben müssen, und Ursula von der Leyen wird sich wieder mit Drohneneinsätzen und Truppentransportpanzern beschäftigen.

Aber ewig will sie nicht Verteidigungsministerin bleiben. Und während man sie beobachtet, wie sie ihr immer strahlendes Lächeln abwechselnd auf Mütter, Kinder, Rentner und Junge richtet, fragt man sich schon, ob hier eine schonmal für die Rolle als Kanzlerin übt. "Verkehrt wär das nicht", kommentiert einer der Jungs von der Jungen Union, während hinten schon der Stand abgebaut wird.

Zurück bleibt in Steglitz am Ende nur ein leichter Bratwurst-Geruch—der Geruch, nach dem Politik im Wahlkampf immer riecht.