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​Ein Besuch beim Warzenwender

Mit einem aufgeschnittenen Apfel kreiste er über meine Warze und flüsterte dabei einen Zauberspruch.

Selten wird ein Thema von so viel Aberglaube und Hokuspokus umrankt, wie es bei Warzen der Fall ist. Und das, obwohl die Dinger selbst relativ harmlos und gar nicht sonderlich mystisch sind—tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als Humane Papillomaviren, die sich über Hautkontakt verbreiten. Anstecken kann sich damit jeder und die meisten Menschen tun das auch im Laufe ihres Lebens.

Bekommen kann man diese nervigen Dinger eigentlich überall: an den Hände, den Füßen sowie im Intimbereich. Egal, wo sie auftauchen, sie sind auf jeden Fall extrem nervig und auch irgendwie peinlich, ganz zu schweigen von unsexy. Was sie dabei zu so mythischen Erscheinungen macht, ist der Umstand, dass sie wie aus dem Nichts kommen und genauso plötzlich wieder vergehen können oder ohne jede Erklärung einfach bleiben.

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In der klassischen Medizin kann man Warzen vereisen (ja, mit einem Eis-Spray und ja, es tut verdammt weh) oder mit Tinkturen bekämpfen. Der Wiener Hautarzt Martin Torzicky sagt dazu: „Bei einer Warze kann es sehr lange dauern, bis das Immunsystem auf eine Behandlungen reagiert. Der hierbei ablaufende Prozess ist sehr komplex." Diese Langwierigkeit und Komplexität öffnen auch Türen für die Homöopathie, die zur Warzenentfernung eine ganze Palette an Placebo-Lösungen anbietet—von Tropfen über Potenzen bis hin zu Salben.

Screenshot via warzenentfernen.com

Bei mir haben alle Behandlungen, wenig überraschend, nichts geholfen. Irgendwann begann ich aus Verzweiflung, mich für Neues zu öffnen. Und das meine ich genau so esoterisch, wie es klingt. In der oberösterreichischen Pampa gibt es nämlich einige Wunderheiler, die von sich behaupten, Warzen wenden zu können. Als mein Vater mir erzählte, dass er durch die Behandlung eines solchen „Warzenwenders" seine jahrealte Warze am Finger endlich los wurde, beschloss ich, mich ebenfalls zu einem solchen Virenmagier zu begeben.

Die Seite alpenschamanismus.de erklärt den Vorgang dabei so: „Das Wenden ist eine alte Anwendung, die von Mensch und Tier Krankheit abwenden und zum Guten hinwenden kann—ein sogenannter Analogiezauber. Wer so etwas kann, wird Wender genannt und sie gehören im ländlichen Gebiet noch immer zum täglichen Leben."

Das klingt schon irgendwie verrückt—ganz abgesehen davon, dass in diesem Statement sehr oft das Wort „wenden" vorkommt—, aber auch irgendwie spannend. Und glaubt mir, wenn ihr seit Ewigkeiten eine Warze mit euch herumtragt und die medizinische Option mit Vereisung und Schmerzen zu tun hat, dann fürchtet ihr auch keinen Analogiezauber mehr. Also versuchte ich, meine Zweifel und mein logisches Denken kurzzeitig abzulegen und besuchte diesen ominösen Warzenwender.

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Seine Behandlungen finden in einem eigens dafür eingerichteten Zimmer im Keller seines Hauses statt. Dort stehen viele Bücher und Kerzen und sonstiger energetischer Schmafu. Er selbst hat einen großen, kugelförmigen Bauch, trägt Jogginghose und Crocs mit weißen Socken und spricht sehr wenig. An den Wänden hängen jede Menge esoterische Bilder und eingerahmte Zeitungsberichte über den Heiler, mit Titeln wie „Er kann Menschen helfen", „Keiner weiß wie, aber die Warzen sind weg" oder „Der Warzenwender aus Oberösterreich".

Screenshots via Forum sagen.at

Vermutlich sollten diese Zeitungsausschnitte einen darin bestärken, mit dem Besuch beim Warzenwender die richtige Entscheidung getroffen zu haben, aber bei mir lösten sie eher das Gegenteil aus. Ich ärgerte mich über meine eigene Naivität und fragte mich erst recht, was ich hier inmitten des ganzen Wahnsinns eigentlich tat. Trotzdem blieb ich sitzen, weil ich diese blöde Warze endlich töten wollte.

Die Behandlung beginnt dann mit Fragen, die nicht ich beantworte, sondern zwei dünne Metallstäbe, die der Wender vor mir in der Hand hält. „Hat sie Warzen?"—die Stäbe kreuzen sich. „Hat sie Feigwarzen?"—die Stäbe bewegen sich nach außen. Alles klar, er scheint nun zu wissen, wie er das behandeln kann.

Danach muss ich mich auf einer mit Papier ausgelegten Liege ausstrecken und der eigentliche Hokuspokus beginnt. Der Warzenwundermann schneidet einen Apfel auseinander und reibt die feuchte Seite in Kreisbewegungen auf meine Warze. Dabei flüstert er etwas—was genau, das kann ich nicht verstehen, und das will ich vermutlich auch gar nicht. Danach kommen die Apfelstücke in eine Holzschale und das Flüstern geht weiter. Währenddessen macht er noch ein paar Handbewegungen und ich fühle mich wie in Hogwarts.

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Screenshots via Forum sagen.at

Nach 10 Minuten ist die Show vorbei und er bittet mich, aufzustehen. „Hast du etwas Warmes gefühlt?", fragt er mich. „Ich bin mir nicht sicher", antworte ich. Dann, sagt er, müsse ich vielleicht noch mal wiederkommen.

Ich frage ihn, was jetzt mit dem Apfel weiter passiert. Im Stillen denke ich mir: Wirklich creepy wäre es, wenn er ihn essen würde. Und wer weiß, vielleicht steht er ja auch einfach nur auf solche Dinge? „Der Apfel wird bei Vollmond, am Tag der Behandlung, im Boden unter meiner Dachrinne vergraben", erzählt der Warzenwender. Die eigentliche Magie würde dann durch das herabtropfende Wasser passieren. Fragt nicht.

Entlang seines Hauses unter der Dachrinne habe er schon viele Äpfel aus derartigen Behandlungen vergraben, erzählt er mir weiter. Und wenn er beim erneuten Eingraben verfaulte Äpfel unter den Behandlungsstücken fände, dann wäre das ein schlechtes Zeichen. Es würde bedeuten, dass die Warze beim Träger noch da wäre.

Screenshots via Forum sagen.at

Mir ist natürlich klar, dass Abtropfwasser aus Regenrinnen in Kontakt mit Apfelspalten keine Viren beseitigt. Ich weiß auch, dass es weder Zauberei noch Hogwarts wirklich gibt. Und ich glaube auch, dass Homöopathie nur hilft, weil man sich die Wirkung eben selbst einredet. „Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass im Apfel enthaltene Substanzen wie etwa Fruchtsäure das Immunsystem stimulieren können. Einen wissenschaftlichen Beweis gibt es meines Wissens aber weder für noch gegen diese Behandlung", so Torzicky.

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Trotzdem hat mir der Warzenwender ernsthaft geholfen. Und ja, vermutlich ist es ziemlich genau dasselbe wie mit Homöopathie und ich habe mich einfach selbst geheilt. So oder so, zwei Wochen später war die Warze jedenfalls verschwunden—so, als wäre das blöde Ding nie da gewesen.

Screenshots via Forum sagen.at

Es war, als hätte ich mir alles nur eingebildet. Und wenn das hier ein M. Night Shyamalan-Film und nicht die Wirklichkeit wäre, dann würde das wohl auch tatsächlich am Ende der Geschichte rauskommen.

In Wahrheit ist es mir aber eigentlich auch egal, wie die Heilung im Detail funktioniert hat. Und solange damit niemand abgezockt werden—dieser Warzenwender nimmt immerhin kein Geld—, ist das Ganze doch recht harmlos. Fakt ist, dass ich meine nervtötende Warze endlich los bin. Und unterhaltsam war die Warzenwunderheiler-Show auf jeden Fall.

Eva, wieder warzenlos, auf Twitter: @immerwiederEva


Titelbild: Schangli| Flickr | CC BY 2.0