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Was die Smartphone-Hetze über Flüchtlinge und „Asylkritiker“ verrät

Wenn Rechte Flüchtlinge diffamieren wollen, prangern sie deren Smartphones an. Das funktioniert, weil sie keine Ahnung haben, wie man Smartphones benutzt.
Ein Flüchtling mit einem Smartphone in Essen | Foto: imago | Ralph Lueger

Es ist einer der beliebtesten Tricks, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen: Man findet irgendwo ein Foto von einem oder mehreren Flüchtlingen, auf dem sie Smartphones in der Hand halten, postet das in seine örtliche „asylkritische" (= rassistische) Facebook-Gruppe und schreibt einen empörten Text dazu, dass das jawohl kein echter „armer Flüchtling" sein könne, wenn er sich so ein tolles Smartphone leisten kann.

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Dass das natürlich vollkommener Schwachsinn ist, haben schon einige Medien erklärt. Kurz zusammengefasst:

  • In den Herkunftsländern der meisten Flüchtlinge gibt es meistens billigere Varianten der gängigsten Smartphones zu kaufen.
  • Für viele Menschen dort ersetzt das Telefon den Fernseher, den Computer und die Playstation, die sie sich niemals leisten könnten.
  • Wenn man vorhat, sich auf eine lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer zu begeben, dann ist ein internetfähiger Mini-Computer mit GPS-Tracking eine der nützlichsten Sachen, die man dabeihaben kann. Deshalb sparen Menschen oft für ein Smartphone, bevor sie die Flucht überhaupt antreten.

Diese Gründe sind eigentlich so einleuchtend, dass man sich wundert, dass überhaupt noch Menschen auf diese „Echte Flüchtlinge haben kein Smartphone!"-Nummer reinfallen. Je mehr man darüber nachdenkt, desto stärker fällt auf, wie viel der Erfolg dieses Evergreen-Hetzposts über die praktische Intelligenz von Flüchtlingen im Vergleich zu der von Asylkritikern aussagt. Warum?

Nehmen wir zum Beispiel mal diesen ziemlich typischen Post auf einer ziemlich typischen rechten Verschwörungsseite (kämpfen gegen die „Lügenpresse" und für das Recht auf Rassismus, etc.). Dort heißt es:

„Wie kann man sich als Flüchtling ein Smartphone leisten und dazu noch eine Flatrate? Wer zahlt die Roaming-Gebühren ins außereuropäische Ausland? Das geht doch schnell in die Tausende!"

Der Post wurde natürlich auch auf der Pegida-FB-Seite geteilt, wo man sich auch genau diese drei scharfsinnigen Sätze raussuchte. Das Interessante daran ist, dass Leute das nicht sofort als absoluten Schwachsinn entlarven: Flatrates gibt es mittlerweile für 10 Euro im Monat (und trotzdem haben viele Flüchtlinge es gar nicht so leicht, die aufzubringen). Aber vor allem: Warum soll jemand irgendwelche Roaming-Gebühren bezahlen müssen, wenn er ein Smartphone hat?

Geflohene rufen natürlich nicht einfach mal eben auf dem Festnetz bei ihrer Familie in Damaskus an, sondern sie benutzen Apps wie Skype, Viber oder Whatsapp- und Messenger-Anrufe, um mit ihren Angehörigen und Freunden zu kommunizieren. Dazu setzen sie sich an Orte, wo es W-LAN gibt, damit sie Datenvolumen sparen können. Weil sie eben wissen, wie man moderne Technologien benutzt, um Alltagsprobleme zu lösen. Was womöglich auch daran liegt, dass man auf der Flucht nicht den Luxus hat, nicht jedes mögliche Hilfsmittel zu nutzen.

Die Zielgruppe der „Asylkritiker" wiederum scheint sich mit der ganzen Technologie nicht so gut auszukennen. Natürlich verlangt auch niemand, dass jeder Viber kennen muss. Wenn man in einer gemütlichen Kleinstadt in Deutschland lebt und seine Verwandten auch einfach übers Telefonnetz anrufen kann, weil das hier eben flächendeckend relativ reibungslos funktioniert, muss man sich natürlich nicht mit so Tricks wie Voice-over-IP rumschlagen. Bei uns kann man auch problemlos überleben, wenn man gerade erst verstanden hat, wie man bei „Asylanten raus aus Österreich" den Like-Knopf drückt.

Aber ist es nicht irgendwie interessant, dass die meisten Flüchtlinge sich besser mit moderner Technologie auskennen als die Leute, die sie ständig als nutzlose Schmarotzer diffamieren wollen? Könnte man nicht irgendwie auf die Idee kommen, dass so ein praktisch veranlagter Flüchtling vielleicht sogar einen größeren Beitrag zur Gesellschaft leisten kann als der Typ, der einen Post voller Rechtschreibfehler darüber schreibt, wie die Asylbetrüger uns das Roaming verstopfen? Man könnte.