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Was Nigel Farage in seinem Lieblingsland Übles gesagt hat

„In einem viel grösseren Kampf ist Putin eigentlich auf unserer Seite. So wie Präsident Assad. Jemand anderes, der dämonisiert wurde."

UKIP-Präsident Nigel Farage ist der europaweit erfolgreichste Gentleman-Populist. Er punktet mit Schenkelklopfer-Witzchen, einer Art „Little Britain" für Bornierte. Naheliegenderweise hat er sich auch seinen Zielsatz von einem Komiker ausgeliehen: „You lucky people!"

Trotzdem ist zwischen den ewigen Reihen aus Witz und netten Lebenshilfetipps immer wieder tief sitzen Wut spürbar. Das würde ihm als Komiker zwar stehen, denn Comedians sind radikal, aber als Politiker ist das eher heikel.

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In Winterthur war der EU-Skeptiker „in the EU-free Switzerland" (SVP-NR Lukas Reimann) bei Freunden zu Gast. Da fühlt man sich wohl und ist weit weg von den heimischen Medien.

Als das Mikro nicht geht, ruft Farage seinen 400 Zuhörern zu: „Gibt es überhaupt was in Europa, das funktioniert?" Tosender Beifall.

Nach diesem Aufschrei freut sich Farage, darüber nicht in der EU zu sein. Mikrofone machen aber scheinbar auch in der unabhängigen Schweiz Probleme. Natürlicherweise ist die EU das Hauptfeindbild des Präsidenten einer Partei mit dem Namen United Kingdom Independence Party (UKIP) und natürlicherweise ist sie auch Hauptfeindbild eines 34 000-Mitglieder-Verbands namens Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS).

Und damit sich die AUNSler auch richtig in Farage verlieben, hat er—ganz seinem Naturell entsprechend—massenweise Anti-EU-Sprüche fallen lassen: „Ich will nicht einfach, dass Grossbritannien die EU verlässt—ich will, dass Europa die EU verlässt."

Denn die EU sei eine „expansionistische und immer imperialistischere Institution", die Farage mit einem „gewaltigen Schuldgefühl" belaste. Und die EU sei kein Staatenverbund, sondern weit auf dem Weg zu den „Vereinigten Staaten Europas".

Aber obwohl man Imperialismus als Föderalist nicht besonders mag, ist Farage nicht nur wegen den Eigenheiten britischen Biers („warmes Bier, das nach Seife schmeckt") EU-Gegner, sondern auch, da die „Verbindungen mit dem ehemaligen [britischen] Empire" einer der Gründe sei, weshalb Grossbritannien nicht zur EU passe.

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Ein bisschen „Empire"-Tradition hat sich Farage auch bewahrt. So ist er Gegner eines unabhängigen Schottlands und hält darum die Pro-Unabhängigkeits-Kampagne auch für ein Beispiel für eine „ernste, eklige, anti-englische, hässliche Form von Nationalismus. Es war hässlich. Es war eklig. Und ich bin froh, dass sie besiegt wurde."

Zu Nationalismus hat Farage einen sehr persönlichen Zugang, denn er nennt sich nicht Nationalist sondern „Nationist".

Wie praktisch: Ist ein Begriff zu stark vorbelastet, kann man einfach einen neuen erfinden. Trotz dieser Selbstbezeichnung ist er dem Nationalismus gegenüber aber nicht generell abgeneigt: „Ein kleines bisschen Nationalismus kann eine sehr gute Sache sein, denn so gehören Leute zu einem Land und sind stolz auf dieses Land … Und, und, und sie haben grosse Hoffnungen in ihre Zukunft." Brot für alle, Nationalismus für die Perspektivlosen?

Jedenfalls ist das Argument, dass Nationalismus Zukunftshoffnung schaffe für einen Populisten sowas wie ein Konzept-Striptease.

Gerne erzählt Nigel auch aus seinem Familienleben: „Meine Söhne, die in ihren 20ern sind, haben in ihrem Leben nie eine Zeitung gelesen." Da ist man am Familientisch wohl froh, dass Papa alles weiss. Etwa in der Aussenpolitik.

In Aussenpolitik ist Papa Farage ohnehin Experte. Frankreich? „Dass der Front National die Wahlen gewonnen hat, zeigt wie unglücklich die Franzosen sind." Gegen Marine Le Pen hat Farage nämlich nicht so viel: „Wenn Marine Le Pen nicht in der Kombo mit ihrem Vater käme … Entweder sie … Oder sonst jemand. Sonst jemand wird in Frankreichs Politik aufsteigen […] und Frankreich aus der EU führen." Aber da Farage der eigenen Meinung nach eh in den „Vereinigten Staaten Europas" lebt, ist Frankreich ja gar nicht Aussenpolitik.

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Also: Ukraine? „Vielleicht war Janukowitsch korrupt, aber er wurde demokratisch gewählt und wurde von Leuten gestürzt, die EU-Flaggen geschwenkt haben."

Auch sonst vertrauen die europäischen Regierungen immer den Falschen: „Im viel grösseren Kampf gegen den IS ist Putin eigentlich auf unserer Seite. So wie Präsident Assad. Jemand anderes, der dämonisiert wurde. Wir haben praktisch alles falsch gemacht in der Aussenpolitik der letzten Jahre."

Nachdem alles auf der Welt den Ansprüchen der Anwesenden gemäss erklärt worden ist, können wir uns nur den verabschiedenden Worten von SVP-Nationalrat Lukas Reimann anschliessen: „We all wish you good luck for the future … And for äh … Winning the next elections in United Kingdom. Be member of … Have more members. Have a majority. You're in the English parliament. That would be great. Äh."