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Dieses Ungeziefer findet man in Zürcher Wohnungen

Der Job eines Schädlingsbekämpfers ist vielseitig. Ratten werden bekämpft und Menschen im Umgang mit Zecken, Flöhen und Ohrwürmern beraten.
Foto von Gisela Giardino

Es gibt Viecher, die einfach eklig sind. Ich habe keine Spinnenphobie und habe auch schon über mich krabbelnde Kakerlaken überlebt. Aber irgendwo hört dann die Toleranz für Kriechendes, Krabbelndes und Huschendes einfach auf. „Ohrengrübler" sind so Tierchen. Ich hatte früher panische Angst, dass sie nachts gezielt in mein Ohr kriechen, sich durchs Trommelfell beissen und dann ihre Eier in meinem Hirn ablegen.

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Als ich frisch in die Pubertät gekommen und zu meinem Vater gezogen war, nisteten sich in seiner Küche irgendwelche Vorratsschädlinge ein. Ich weiss nicht mehr, ob es Mehl- oder Speichermotten waren, aber ich weiss noch, dass sich die Dinger abscheulich hartnäckig in allen stärkehaltigen Lebensmitteln vermehrten, schliesslich als ekelige weisse Larven schlüpften und sich anschliessend in hässliche Falter metamorphten, die sich dann in allen Ritzen des Küchenmobiliars einnisteten und versteckten. Nur um beim Frühstück in die Teetasse zu fallen. Ich habe diese Tiere gehasst.

Foto: Leonora Enking | Flickr | CC BY-SA 2.0

Mottenarten unterscheiden kann die Biologin Gabi Müller, die beim Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich arbeitet. Die Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung berät Bewohner der Limmatstadt bei Schädlingsproblemen. Gleich habe ich mich hier also über die „Ohrengrübler", der eigentlich „gemeiner Ohrwurm" (was ihn nicht primär sympathischer macht) heisst, informiert. Daneben bekämpft die Einrichtung Ratten rund ums Seebecken und in den Parks. Um die 2.000 Fälle werden hier pro Jahr gemeldet und in einer Datenbank erfasst. Gabi Müller hat also den perfekten Überblick über Insekten, Ratten und anderes unerwünschtes Ungeziefer. Ich habe sie über den Job eines Kammerjägers und dessen Lebensgrundlage ausgefragt.

VICE: Was tun Sie bei der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung genau?
Gabi Müller: In Häusern, in denen mehrere Wohnungen mit beispielsweise Kakerlaken, Ameisen oder Bettwanzen befallen sind, machen wir Inspektionen und können die Eigentümer zu einer Bekämpfung auffordern. Und wir müssen, wenn jemand längere Zeit tot in der Wohnung gelegen ist, dafür sorgen, dass geruchsverursachende Dinge wie Leichenflüssigkeit, Abfallsäcke oder verderbliche Lebensmittel aus der Wohnung geräumt werden, damit die Nachbarschaft vor Geruchsbelästigung geschützt ist und die Erbenden die Wohnung betreten können. Also eine sehr abwechslungsreiche und spannende Arbeit.

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Welche Schädlinge gibt es in Zürich?
In Zürich gibt es eine breite Palette von Schädlingen, wobei die Definition von Schädling sehr subjektiv ist. Für mich sind zum Beispiel Wespen keine Schädlinge, weil sie in der Natur eine wichtige Aufgabe erfüllen. Hingegen finde ich Zecken ganz schlimme Schädlinge, weil sie ernste Krankheiten übertragen können. Überhaupt: Alle blutsaugenden Schädlinge, wie Bettwanzen, Zecken, Flöhe oder Mücken, finde ich persönlich am schlimmsten.

Foto: John Tann | Flickr | CC BY 2.0

Welche Schäden richtet das Ungeziefer an?
Es gibt Hygieneschädlinge wie die Kakerlaken, die mal durch den Abfall oder durch die WC-Schüssel laufen und dann wieder über den Teller. Die verbreiten Krankheitskeime und verschmutzen alles mit ihrem Kot. Fliegen übrigens auch. Dann gibt es Gesundheitsschädlinge wie die Blutsaugenden. Es gibt aber auch Vorratsschädlinge, wie die Dörrobstmotte, die sich in unseren Vorräten entwickeln. Und es gibt Materialschädlinge wie die Teppich- oder Pelzkäfer und die Kleidermotten. Diese entwickeln sich an tierischen Fasern wie Wolle, Haaren oder Federn und richten dann zum Beispiel am Kaschmirpullover Schäden an.

Wie sollte ich mich am besten verhalten, wenn ich irgendwelches Krabbelvieh entdecke?
Das kommt darauf an, was du hast. Das Wichtigste ist, dass man die Tierchen nicht einfach das WC runterspült oder im Abfall entsorgt. Man kann nur eine seriöse Beratung oder Bekämpfung machen, wenn man weiss, mit welchen Tieren man es zu tun hat. Das heisst: Tierchen einfangen und zur Bestimmung einschicken.

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Und ohne eure Hilfe?
Es gibt Schädlinge, bei denen man selbst etwas machen kann. Das sind beispielsweise Dörrobstmotten oder Teppichkäfer. Und es gibt Schädlinge, bei denen zwingend eine Fachfirma vorbeikommen muss und man mit Insektenspray die Sache nur noch schlimmer machen würde. Das sind Bettwanzen, Kakerlaken und gewisse tropische Ameisenarten. Auch ein grosses Wespennest würde ich als Privatperson ohne Schutzausrüstung nicht selber bekämpfen.

Wie geht ein Kammerjäger bei Mäusen vor?
Bei Mäusen und Ratten wird meistens ein Köder angewendet, der mit einem Blutgerinnungshemmer versetzt ist. Die Nager fressen davon und sterben einige Zeit später an inneren Blutungen.

Foto: Mark Fowler | Flickr | CC BY-SA 2.0

Wie geht man als Schädlingsbekämpfer mit Ekel um? Verschwindet der irgendwann?
Als ich an dieser Stelle angefangen habe, fand ich es ziemlich befremdlich, wenn mein Büronachbar an seinem Pult das Mittagessen eingenommen hat. Das ganze Pult war voll von Gläsern und Röhrchen mit teilweise noch lebenden Krabbeltieren. Aber heute mache ich das auch, man gewöhnt sich daran. Die Todesfälle, die wir machen müssen, können einem schon recht nahe gehen, weil man sieht, was die verstorbene Person gemacht hat, bevor sie plötzlich einfach umgefallen und gestorben ist. Diese Fälle erinnern einen daran, dass das Leben schon morgen vorbei sein kann und dass man nichts auf später verschieben sollte, was man noch gern machen möchte.

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Und es bleibt immer spannend…
Ja. Einmal hatten wir eine ältere Dame in der Beratung, die Filzläuse mitgebracht hat. Sie hatte einen Untermieter, der neu eingezogen war und ihr die Tierchen aus seinem Zimmer gebracht hatte. Er sei ein sehr seriöser Mann, ein Bankangestellter. Als wir ihr dann sagen mussten, dass das Filzläuse sind und dass man die nur beim Geschlechtsverkehr auflesen kann, war sie ziemlich geschockt und desillusioniert von ihrem Untermieter. Wir haben ihr dann Informationen dazu kopiert, damit sie diese ihrem Untermieter geben kann, ohne näher auf die Übertragungsart eingehen zu müssen.

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Titelfoto von Gisela Giardino | Flickr | CC BY-SA 2.0