Es ist nicht genau bekannt, seit wie vielen Jahrtausenden verschiedene Ethnien des Amazonasgebietes den psychedelischen Pflanzensud Ayahuasca zu sich nehmen. Fest steht, dass er traditionell eine herausragende Rolle im religiösen und kulturellen Leben dieser Volksgruppen spielt, aber auch, dass Ayahuasca längst die westliche Konsumkultur erreicht hat und stärker denn je kommerzialisiert wird.
In Südamerika hat sich in den letzten Jahren ein regelrechter Ayahuasca-Tourismus entwickelt—ein Trend für die teils ahnungslosen, meist aus westlichen Ländern stammenden Backpacker, der aber auch für die Ureinwohner gefährliche Folgen hat. Denn die immense Nachfrage nach dem Pflanzensud droht nun sogar, eine uralte Tradition zu zerstören.
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„Die sakrale indigene Kunst wurde in einen Zeitvertreib verwandelt”, erklärte Moises Pianko gegenüber Motherboard, Mitglied des brasilianischen Asháninka-Stammes, auf der diesjährigen World Ayahuasca Conference in Rio Branco. „Doch Ayahuasca ist kein Spaß. Der weiße Mann versucht, unser Ritual als eine weitere Einnahmequelle zu patentieren—aber die spirituelle Welt ist nicht käuflich.”
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Ayahuasca wird seit jeher von indigenen Völkern in Südamerika in spirituellen Zeremonien eingesetzt. Es wird aus den Blättern des Kaffeestrauchgewächses Psychotria viridis und Teilen der Liane Banisteriopsis caapi gewonnen, die nur in den Tiefen des Amazonas vorkommen. Doch der halluzinogene Tee ist in den letzten Jahren auch zur „It”-Droge für Prominente wie Sting oder Lindsay Lohan geworden, die von seinen spirituellen Wirkungen schwärmen.
Auch in der westlichen Normalbevölkerung erfreuen sich die psychedelischen Trips inzwischen großer Beliebtheit. Die Droge versetzt den Konsumenten in einen bewusstseinserweiternden Zustand und soll sogar dabei helfen können, traumatische Erfahrungen zu überwinden. Für die indigenen Kulturen im Amazonasgebiet, die Ayahuasca seit mindestens 5.000 Jahren in spirituellen Zeremonien verwenden, ist diese Globalisierung ihres Kulturguts jedoch ein gefährlicher Trend.
Durch die große lokale und globale Nachfrage nach dem Gebräu ist die Ayahuasca-Liane in Teilen von Peru nun aber bereits vom Aussterben bedroht. Der Preis für den Sud hat sich deshalb in den letzten drei Jahren auf umgerechnet 225 Euro pro Liter verdreifacht. Es ist beinahe unmöglich, die Liane zu züchten, da sie nur im tiefen Dickicht des Dschungels gedeiht und sehr langsam wächst. Daher sind die natürlichen Ressourcen stark begrenzt.
Inzwischen schießen auf der ganzen Welt Zentren aus dem Boden, die Ayahuasca anbieten. Auch in Berlin werden Ayahuasca-Wochenendevents auf Facebook angepriesen. Laut Pianko nehmen die Veranstalter dabei nur sehr wenig Rücksicht auf die Sicherheit der Konsumenten oder die spirituelle Bedeutung des Tees.
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Nach Schätzungen von Carlos Suarez, der als unabhängiger Forscher die ökonomischen und kulturellen Entwicklungen im Amazonasgebiet untersucht, haben sich inzwischen weltweit schätzungsweise 40 Resorts auf Ayahuasca spezialisiert. Diese Zentren empfangen jährlich mehr als 4.000 Besucher und verlangen bis zu 360 Euro pro Tag. Einige bieten neben Ayahuasca-Sessions auch Schlammbäder, Yogastunden und Ausflüge zum Machu Picchu an.
„Der weiße Mann versucht, unser Ritual als eine weitere Einnahmequelle zu patentieren—aber die spirituelle Welt ist nicht käuflich.”
Andy Metcalfe betreibt das Ayahuasca-Resort Gaia Tree Center in der Nähe von Iquitos in Peru. Er sagt, dass die Zeiten, in denen der Tee ausschließlich von indigenen Völkern gebraut wurde, lange vorbei sind. „Er ist über seine ursprünglichen Verwurzelung in der lokalen Kultur hinausgewachsen”, sagte er gegenüber Motherboard. Zudem seien die meisten Schamanen in der Region inzwischen nicht mehr direkt mit einer Volksgruppe verbunden. „Letztendlich kommt Ayahuasca aus der Natur. Ich glaube nicht daran, dass Menschen die Natur besitzen oder kontrollieren sollten.”
Alle, die sich keinen Ausflug in ein Ayahuasca-Resort am anderen Ende der Welt leisten können, können Ayahuasca problemlos online erwerben. Selbstbausätze für den Sud können bereits ab umgerechnet 270 Euro über Facebook erworben werden. Da die Droge sich weltweit immer größerer Beliebtheit erfreut, wird die Qualitätskontrolle zu einem echten Problem—denn falsch zubereitet oder in Kombination mit anderen Drogen kann der Konsum von Ayahuasca tödlich sein.
Im Jahre 2012 starb der 18-jährige Kalifornier Kyle Nolan in Peru den Behörden zufolge an einer Ayahuasca-Überdosis. Auch der 19-jährige Brite Henry Miller verstarb, nachdem er allergisch auf die Droge reagiert hatte. Zudem gibt es immer mehr Berichte über Frauen, die unter dem Einfluss von Ayahuasca von dubiosen Schamanen sexuell belästigt oder vergewaltigt werden.
Die indigenen Völker sorgen sich derweil, wie lange sie noch Zugang zu ihrem traditionellen Sud haben werden. Sie befürchten, Ayahuasca könnte ein ähnliches Schicksal wie Kokain drohen, das vor seinem globalen Aufstieg zur illegalen Droge Jahrtausende lang von den Inkas zur Bekämpfung der Höhenkrankheit verwendet wurde.
„Sollte es weiterhin Probleme mit Ayahuasca geben, wird es verboten werden und was ist dann mit uns?”, fragt Jose de Lima von der Volksgruppe der Kaxinawá. „Was passiert, wenn unsere Medizin verboten wird? Müssen wir uns dann auf eine Apotheke verlassen? Nein, wir wollen uns weiterhin auf unsere lebende Apotheke, den Regenwald, verlassen.”
Einige Forscher glauben jedoch, dass die Kommerzialisierung von Ayahuasca nicht mehr aufzuhalten ist und denken, dass sich die Ethnien darauf konzentrieren sollten, ein Stück vom Kuchen abzubekommen.
„Wir wollen uns weiterhin auf unsere lebende Apotheke, den Regenwald, verlassen.”
Auch Suarez meint, dass die Kommerzialisierung längst in vollem Gange ist: „Ayahuasca erobert die Welt, und die Welt erobert Ayahuasca. In der indigenen Welt können als einzige die Schamanen Gewinn aus einer traditionellen Zeremonie schlagen. Warum sollten sie nicht auch von diesem System profitieren?”
Einige Volksgruppen würden sich gerne an dem Geschäft mit Ayahuasca beteiligen—es fällt ihnen jedoch schwer mit der rapide steigenden Nachfrage mitzuhalten. Heutzutage werden die größten Gewinne von unabhängigen Zentren erzielt, die behaupten, Verbindungen mit einem der Gruppen zu haben.
„Wir können nicht behaupten, dass Ayahuasca uns gehört, weil wir kein Patent darauf haben. Aber wir wollen es zu unseren Bedingungen vermarkten. Wir wollen, dass die Leute zu uns kommen und Ayahuasca korrekt zu sich nehmen”, erklärte Lurino Pequeno de Souza, ein 26-jähriges Mitglied des Katukina-Volkes. „Einige Zeremonien werden von Schamanen geleitet, die keine Ahnung haben, was sie tun. Sie legen die Weißen einfach rein.”
Angesichts der rasant steigenden Bedarfs an Ayahuasca stellt sich die Frage, wie lange die Alteingesessenen ihre eigenen Zeremonien überhaupt noch abhalten können. Da die Gewinnung von Ayahuasca weitestgehend unreguliert ist, werden Stücke der seltenen Pflanze oft laienhaft abgeschnitten, so dass der Rest der Pflanze verrottet. In der peruanischen Stadt Iquitos, in der die meisten Ayahuasca-Zentren angesiedelt sind, dauert es inzwischen oft Tage, bis man die einst weit verbreitete Pflanze findet.
„Es ist ein täglicher Kampf für den Erhalt unserer Kultur”, sagt Biraci Brasil, Oberhaupt des Yawanawá-Volkes. „Ayahuasca ist nicht einfach nur eine Pflanze—sie ist Teil unserer Identität.”