Mit einem Turm von pinken Einkaufstüten in den Armen taumelt die hochgewachsene Blondine auf ihren Stöckelschuhen auf die Haustür ihrer Villa in Malibu zu. Da springt wie aus dem Nichts ihr Freund Ken heran, schnappt sich die Einkaufstüten und schafft es, ihr noch nebenbei die Tür aufzuhalten. Ein Glück, denn wäre die Blondine echt statt animiert, könnte sie weder Einkaufstüten tragen, noch auf ihren Trillionen Zentimeter hohen Absätzen laufen, noch würde ihre Taille genug Platz für ihre Organe lassen. Wenn sie überhaupt bis zum shoppingfähigen Alter überlebt hätte, wäre wahrscheinlich selbst das Türaufmachen schwierig.
Wer es bis hierhin noch nicht geschnallt hat: Die Blondine ist die animierte Version von Barbie, die sich seit rund einem Jahr in ihrer Internetserie Barbie—Life in the Dreamhouse von Ken die Taschen tragen und Gurkengläser öffnen lässt. Passend dazu darf sich Berlin ab dem 16. Mai über sein ganz eigenes Barbie Dreamhouse freuen. Soll heißen: Puppenhaus in Lebensgröße, alles in Pink, alles voll mit Schminke, Küchenutensilien und High Heels. Catwalktraining gibt’s auch. Da lernen sie doch noch was fürs Leben, die Teenies, die da bald in Massen durchgeschleust werden sollen.
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Einige Leute finden die Idee nicht so cool. Die Linksjugend [solid] aus Berlin-Kreuzkölln und die Frauen-AG der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) haben deshalb die Initiative „Occupy Barbie-Dreamhouse“ gegründet. Am 16. Mai wollen sie vor dem Traumhaus protestieren—und ich wollte mir das gerne genauer anschauen und rausfinden, was genau jetzt an ein paar Barbies und Girliefantasien und Spielerein so schlimm sein soll.
Aus diesem Grund surfte ich gerade über ihre Facebook-Seite, als ein Post vom Sonntag mich stutzig machte: „Veranstalter will Barbiehaus Gegnerinnen und Gegner diskreditieren“. Wie sich herausstellte, hatte EMS-Entertainment, die Verantwortlichen für das Berliner Dreamhouse, Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet, mit dringendem Tatverdacht gegen die Aktivisten von Occupy Barbie-Dreamhouse. Was ist da passiert? Es geht um ein paar Schnurrbärte und Monobrauen, die nun Barbies Antlitz auf den Transparenten vor dem Dreamhouse am Berliner Alexanderplatz zieren. Außerdem wurde „Barbie House of Horrors“ und „occupy“ auf die Transparente gesprüht. Gut, die Verbindung, die EMS-Entertainment da hergestellt hat, ist schon irgendwie nachvollziehbar. Aber woher wissen sie denn nun, dass es wirklich die Occupyer waren, die Sprühflaschen in den Händen hielten?
Wissen sie nicht. Müssen sie offenbar auch nicht, um Anzeige zu erstatten. Und es ist ihnen auch egal, schreibt Thomas Lücke, Managing Director bei EMS, in der E-Mail, die Occupy auf der Facebook-Seite veröffentlicht hat: „Für uns spielt es keine Rolle, ob es Mitglieder ihrer Gruppe zu verantworten haben oder Trittbrettfahrer.“ Aber keine Sorge, der Mann hat trotzdem eine gute Begründung: „Die Ursache geht definitiv von ihrer Gruppe aus, daher machen wir sie dafür verantwortlich.“
„Strafrechtlich hat das natürlich weder Hand noch Fuß“, sagt mir Michael Koschitzki, an den Lücke seine E-Mail adressiert hatte. Den Grund für die Anzeige vermutet er woanders: „Das ist der Versuch von EMS, unsere berechtigte Kritik zu diskreditieren und uns in eine gewalttätige Ecke zu stecken.“
Generell sei das schon eine etwas komische Art des Dialogs, der da mit den Barbie-Leuten abgelaufen ist. Nur einmal ist Michael mit den Veranstaltern in Kontakt gekommen. Bei einer ersten Pressebegehung des Barbie-Hauses wurde er von n-tv mitgenommen und konfrontierte Pressesprecherin Stephanie Wegener mit seiner Kritik. Wegener war nicht so happy: „Die hätte mich am liebsten rausgeschmissen.“ Daraufhin ludt Michael sie zur Diskussion mit den Occupyern ein, aber sie wollte wohl nicht.
Und jetzt? Geht alles weiter wie gehabt. Barbie-Hersteller Mattel und EMS werden sich weiter über die Kritiker ärgern und die Linksjugend wird am 16. Mai vor dem Dreamhouse auflaufen. Und dahinter werden achtjährige geschminkte Mädchen auf High Heels über den Catwalk stolzieren, in der einen Hand den Staubwedel, in der anderen einen Korb mit selbstgebackenen Muffins.