Fotos: Screenshots von YouTube & VIMEO aus den Videos „Jennifer Rostock – Hengstin (Offizielles Video)” und „Bass Sultan Hengzt – STUTE (Official VIDEO)”
Es gibt durchaus Dinge, die man an „Hengstin”, der neuen Girlpower-Hymne von Jennifer Rostock, kritisieren kann. Dass das Ganze etwas kalkuliert wirkt vielleicht. Dass für große Teile der Zielgruppe womöglich nicht sofort erschließbar ist, warum nackte Frauenhaut in der Bildzeitung sexistisch, in einem Musikvideo aber das genaue Gegenteil ist—und man sich als Band damit nicht unbedingt einen Gefallen getan haben dürfte, dass nach Veröffentlichung weniger über den Inhalt, und mehr über die Nacktszenen von Sängerin Jennifer Weist gesprochen wurde. Und dieser eine zoologische Fakt, der die eingängige Hook leider ein bisschen albern macht: Hengste sind—ebenso wie Stuten und Wallache—Pferde und somit eben auch Herdentiere. Sorry.
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Der Song wurde insbesondere unter Rapfans zwiespältig aufgenommen. Zum einen, weil Jennifer im Video rappt, zum anderen, weil inhaltlich genau der problematische Umgang mit Frauen aufgegriffen wird, der sich in der deutschen Rapszene in den vergangenen Jahren eingebürgert hat. Nun könnte man diese Provokation sicherlich dazu nutzen, um unter Beweis zu stellen, dass es ungerecht ist, alle Männer in einen Topf zu werfen, weil man selbst ja gar kein Frauenhasser ist. Man kann das Ganze ironisch aufgreifen und dadurch einen Diskurs über Sexismus in der Musikbranche aufmachen, in dem verschiedene Perspektiven beleuchtet werden.
Oder man macht es einfach wie Bass Sultan Hengzt und ballert den vielleicht sexistischsten und dümmsten Song des Jahres raus, um Promo für sein bald erscheinendes Album zu machen.
„Stute” ist das weißgelblich geronnene Ergebnis davon, „Hihi, Sex!”-Pubertätsgekichere, allgemeine männliche Unsicherheit, Präejakulat und zerstampfte ADHS-Tabletten in einen Mixer zu werfen. Eine Art Jennifer-Rostock-Fanfiction, in der sich der Berliner en detail ausmalt, wie das so wäre, wenn Jennifer Weist sein Flehen nach sexueller Zuwendung erhören würde. (Und absurderweise inhaltlich sehr nah an dem Song „H.E.N.G.Z.T.”, in dem Bushido über seinen damaligen Feind rappte: „Du bist kein Hengzt, du bist eine Stute. Wir machen Gangbang, du bist meine Hure.”)
Diese „Hengstin”-Antwort ist kein „Ich verstehe deinen Diskussionsansatz nicht”, das ist kein „Warum musst du dich, um über das Thema zu sprechen, ausziehen?”, das ist kein „Ich als Mann fühle mich angegriffen, weil nicht alle Männer gleich sind” und das ist noch nicht mal ein: „Warum machst du plötzlich Rap?” Es ist weder raptechnisch interessant, noch inhaltlich unterhaltsam. Alles, was der Künstler zu sagen hat, ist: Ich bin ein Mann. Ich habe einen Penis. Du bist eine Frau. Du hast keinen Penis. Und deswegen halt die Fresse, denn alles, wofür du da bist, ist von mir gefickt zu werden. (Um danach vermeintlich unbedarft die Frage aufzuwerfen, ob er denn ein schlechter Mensch sei, nur weil er gerne Sex hat. Als wäre das zu irgendeinem Zeitpunkt Gegenstand des Sexismusdiskurses gewesen.)
Das ist nichts Neues im Deutschrap, in dem in ebenso zuverlässiger wie ermüdender Beständigkeit von irgendwelchen „Bitches” gesprochen wird, die alles dafür tun würden, vom jeweiligen vortragenden Musiker penetriert zu werden. Weil er so reich ist und so muskulös oder einfach nur, weil er sehr viele Follower auf Instagram hat. Und klar, das war, ist und wird immer problematisch sein, gleichzeitig richtet es sich aber an keine bestimmte Person. So wie diese „Bitches” gesichtsloses Material sind, mit dem die eigene Männlichkeit aufgepolstert werden soll, sind auch die namenlosen Gegner, die in Songs angesprochen werden imaginär. Da muss sich niemand angesprochen fühlen. Das ist keine Antwort auf irgendetwas.
„Stute” hingegen ist eine Reaktion auf eine Künstlerin, die es gewagt hat, aus dem kleinen Zirkel, dessen Grenzen ihr die Industrie auf den Boden ejakuliert hat, auszutreten. Die es gewagt hat, zu thematisieren, was sie ankotzt. Die Ungerechtigkeiten anspricht, die sich vor allem auf einen Teil der Gesellschaft auswirkt, dem historisch eine schwächere Position zugewiesen und weniger Freiheiten zugestanden wird. Etwas, was so Rap ist, wie Rap nur sein kann—und was mit der Frage, ob Jennifer Weist nun ganz objektiv rappen „kann” oder nicht, absolut gar nichts zu tun hat. Es ist etwas persönliches und es sagt nichts anderes als: Niemand hier will hören, was du zu sagen hast. Dein Geschlecht ist nur etwas wert in dieser Szene, wenn man dich ficken kann. Und dein Video haben wir nur zu Ende angeguckt, weil du nackt bist.
Deswegen eine ganz offen gestellte Frage an all die Leute, die „Stute” liken, teilen, Herzchen auf Facebook verteilen oder sonst in irgendeiner Art und Weise ihre Zustimmung zu diesem Machwerk bekunden: Warum genau klatscht ihr?
Nichts daran ist männlich. Nichts daran zeigt Stärke. Es zeigt, dass sich anscheinend genau die richtige Art von Szenevertreter angesprochen gefühlt hat—und dem Ganzen nichts entgegenzusetzen hat, außer Beleidigung und verbale Erniedrigung. Das ist ein absolutes Armutszeugnis für einen Künstler, der sich eigentlich zu schade für eine derart inhaltsleere, dumme, vermeintlich provokante Promoaktion sein sollte.
Vielleicht hat Bass Sultan Hengzt in seinem 2006er Song „Komm Klar” aber auch gar kein imaginäres Gespräch mit seinem Penis geführt, sondern mit sich selbst gesprochen, als er gerappt hat: „Mach nicht auf hart, du bist nur ein Schwanz.”
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Bei Broadly hat Jennifer Weist von Jennifer Rostock ausführlich darüber gesprochen, ob man auch dann eine „richtige” Feministin sein kann, wenn man auf der Bühne seine Brüste zeigt.