Als ich das erste Mal die Familie meiner Frau in Polen besucht habe, war ich nicht auf die kulinarischen Erfahrungenvorbereitet. Ich erwartete—und das bekam ich auch—viel Kohl und Fleisch im Darm. Aber ich hatte keine Ahnung, wie viel Essen man mir aufzwingen würde. Nachschlag konnte ich nicht ablehnen, weil ich nur drei Wörter Polnisch sprach: Käse, Furz und Affe. Davon erwiesen sich auch nur zwei als nützlich. Ich hätte mehr lernen sollen, dann hätte ich diese Völlerei höflich ablehnen können. Oder ich hätte größere Hosen mitnehmen sollen.
Wir kamen in dem kleinen Dorf im Nordosten des Landes an. Meine neuen Verwandten drängten mir sofort einen Berg Essen an, das meiste haben sie selbst in ihren kleinen Gärten angebaut. Und für Gastfreundschaft zeigt man sich schließlich dankbar, also fühlte ich mich verpflichtet, so viel zu essen, wie ich mir nur reinstopfen konnte—zumindest redete ich mir das ein, um mein übermäßiges Essen zu rechtfertigen.
Videos by VICE
Als Erstes gab es natürlich pierogi. Zu Hause in den Staaten hatte ich oft pierogi gegessen, aber die Auswahl, die ich hier sehen und probieren durfte—alle möglichen Kombinationen aus Fleisch, Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln, Pilzen und so weiter—, darauf war ich nicht vorbereitet. Für mich waren die süßen pierogi die größte Offenbarung: dieselben Teigtaschen, nur gefüllt mit frischem Obst und darauf ein bisschen Zucker oder Sahne.
Gołąbki gehörten auch zu meinen Favoriten, Polens Antwort auf den Burrito. Nur wird hier nicht alles in eine Tortilla, sondern in Kohlblätter gewickelt. Ähnlich wie die deutschen Kohlrouladen sind sie mit Fleisch und Reis gefüllt, für die Vegetarier gehen auch Pilze als Füllung.
Ich habe endlos viel Borschtsch gegessen, eine Rote-Bete-Suppe mit viel Gemüse und einem Klecks saurer Sahne. Es gab Kartoffelpuffer und bigos, einen Eintopf mit Fleisch und Sauerkraut. Das wohl beliebteste polnische Gericht ist Schnitzel aus Schweine- oder Hühnerfleisch, schön paniert und gebraten. Und zu jeder Mahlzeit gab es natürlich selbst eingelegte Gurken und endlos viel kiełbasa—ah, die Wurst!
Meine Frau hatte mich gewarnt: Sobald ich den Teller leer hatte, würden unsere Gastgeber sofort noch mehr Essen draufpacken. Wenn ich wirklich nichts mehr essen konnte, sollte ich etwas übrig lassen. Die Vorstellung, Lebensmittel zu verschwenden, lief meinemNaturell und meiner Erziehung komplett zuwider, aber mir wurde schnell klar, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich habe also eine der gołąbki zerdrückt und ein bisschen verwischt, sodass der Teller noch voll aussah. Kein Platz für noch mehr Wurst.
Unter der sowjetischen Kontrolle hungerte die polnische Bevölkerung jahrzehntelang, viele erinnern sich immer noch an die Zeiten, als es in den Geschäften nur Salz und Einlegegewürz zu kaufen gab. Wer essen wollte, musste selbst anbauen. Heute existieren diese kulinarischen Traditionen immer noch, gleichzeitig wird die Vielfalt, die durch Frieden und Wohlstand gekommen ist, wertgeschätzt—und miteinander geteilt.
Viel wird immer noch zu Hause gemacht. Auf dem Land bauen die Familien Tomaten, Zucchini, Rüben, Kohl und anderes an. Überall in der Landschaft sieht man Apfel-, Birnen und Pflaumenbäume verteilt, Pilzesammeln im Wald ist immer noch ein beliebter Brauch, die Eier kommen frisch vom Huhn. Wir haben uns auch Kleingärten in Städten wie Białystok angeschaut: Eine riesige Schrebergartenanlage, wo die Familie seit 40 Jahren eine Parzelle hat, übersät mit märchenhaften Gartenhäusern und eingerahmt von bunten Blumen.
Auch das Fleisch kommt teilweise noch aus eigener Produktion: Während ich den Enten zuschaue, wie sie im Hof umherwatscheln, kaue ich auf einer Entenkeule rum, und eine der Tanten erzählt uns, wie sie jedes Jahr ein Schwein züchtet, während sie in der Küche Wurst macht. Zwei verschiedene Sorten gab es: dunkelbraune Blutwurst, und eine etwas hellere Wurst, die meinem amerikanischen Gaumen bekannter sein dürfte. Runtergespült wurde mit selbst gemachtem Wein. Als wir gingen, wurde ich gerüffelt, dass ich nicht genug Wurst gegessen hätte.
Die größte Herausforderung war jedoch—so nenne ich ihn—der „Tag der drei Tanten”. Wir aßen gerade zum letzten Mal Frühstück bei einer Tante, bei der wir die letzten Tage übernachtet hatten, und sie sorgte dafür, dass wir nicht hungrig gingen, und tischte bergeweise Eier, frisches Brot, Speck, Käse, Gemüse und noch mehr auf. Dann ging es zum Mittag zur nächsten Tante, das Mittagessen ist üblicherweise die größte Mahlzeit des Tages. Außerdem war es das einzige Mal, dass wir bei ihr gegessen haben, also bestand sie darauf, dass wir auch ja genügend Krautsalat, Salat, Würste und pyzy essen, baseballförmige Kartoffelklöße gefüllt mit noch mehr Schweinefleisch.
Zum Abendessen ging es dann in die Stadt und wir aßen bei einem ganz anderen Teil der Familie, denmeine Frau seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ihr könnt euch vorstellen, dass wir auch ja nicht hungrig gehen sollten. Dieses Mal gab es gołąbki, Kartoffelpuffer und einen Kartoffel-Zucchini-Auflauf, babka. (Nein, nicht der Kuchen aus Seinfeld.) Ich dachte schon ich könnte nichts mehr essen, als das Kuchenbuffet aufgefahren wurde. Und für ein Stück Käsekuchen mit Wackelpudding ist immer noch Platz.
Nach mehreren Tagen war ich völlig aufgebläht, passte kaum mehr durch Türen und bei jedem Schritt knarzte das Parkett unter meinen Füßen. Ständig hatte ich Angst davor, das Klo zu verstopfen. Unter diesen Umständen hat mich die zerschmetternde Kritik der Oma meiner Frau, als ich sie endlich traf, doch ziemlich überrascht: „Bist du krank?”, fragte sie. „Du bist viel zu dünn. Du bekommst bestimmt nicht genug zu essen.”