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Berliner AfD-Politiker mischen bei den Identitären mit

Ein AfD-Funktionär hilft bei der “Stürmung” des Bundesjustizministeriums, andere AfDler grillen mit den Rechtsextremisten.
Titelfoto: imago | Christian Mang

Mitglieder der Identitären Bewegung versuchten letzten Freitag, das Bundesjustizministerium zu stürmen – schafften es am Ende aber nur, den Bürgersteig zu blockieren. Die Aktion erinnert an die #ibsterblockade im Dezember 2016. Damals versperrten Identitäre den Eingang der CDU-Parteizentrale in der Hauptstadt. Doof nur, dass es Abend und das Gebäude schon längst geschlossen war.

Mit der jüngsten Aktion machten sich die Rechtsextremisten aber nicht nur lächerlich. Sie bestätigten außerdem erneut, dass die ideologischen Grenzen zwischen ihrer Bewegung und der AfD fließend sind. Unter den rund 50 Identitären vom Freitag soll nämlich auch ein AfD-Politiker gewesen sein, der die Identitären zum Ministerium kutschierte.

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Die Rechtsextremisten hatten versucht, mit Leitern auf das Vordach des Justizministeriums zu steigen. Diese Leitern lagen in einem weißen, angemieteten LKW bereit, der vor dem Ministerium parkte. Nachdem Identitäre die Leitern aus dem LKW herausgezogen hatten, flüchtete der Fahrer mit dem LKW. Dabei überfuhr er laut Polizei fast Zivilpolizisten, die versuchten, ihn zu stoppen.


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Laut Informationen von Zeit Online soll es sich bei dem Fahrer des LKWs um den AfD-Funktionär Jannik Brämer handeln. Er sitzt im Landesvorstand der Jungen Alternative und kandidierte bei der vergangenen Abgeordnetenhauswahl in Berlin für die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf. Schon 2016 lief er bei einem Aufmarsch der Identitären als Ordner mit.

Gegen ihn werde jetzt wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt, sagte die Polizei am Freitag gegenüber VICE. Insgesamt erteilten Beamte bei der illegalen Veranstaltung 49 Platzverweise, nahmen Personalien auf und leiteten Strafverfolgungen wegen Verstößen gegen das Sprengstoff- und Versammlungs-Gesetz ein. Zwei Frauen und zwei Männer sollen laut Zeit Online Seenotrettungsfackeln vor dem Ministerium gezündet haben.

Mit solchen Aktionen wollen die Identitären den Kampf gegen "Masseneinwanderung", "Islamisierung" und für die "Bewahrung unseres ethno-kulturellen Erbes" ausfechten. Die völkisch-rassistische Gruppierung ist auch in Frankreich und Österreich aktiv.

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Grillparty mit den Identitären

Am Wochenende berichtete der rbb auch über ein Bild, das der Vorsitzende der Jungen Alternative Berlin, Thorsten Weiß, auf Facebook gepostet hatte. Das Bild zeigt AfDler und Identitäre beim gemeinsamen Biertrinken auf einer Gartenparty. Die Berliner Burschenschaft Gothia in Berlin-Zehlendorf ist ein beliebter Treffpunkt für Rechte. Anfang Mai, so der rbb, trafen sich dort unter anderem vier AfD-Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses mit sechs Identitären.

Auf dem Bild steht Weiß in der ersten Reihe. Er sagte im Januar in einer rbb-Doku, die Mitglieder der Identitären "ticken gar nicht so unterschiedlich zu uns, sie drücken sich nur anders aus."

Gegenüber dem rbb äußerte sich Weiß jetzt jedoch mit einem schriftlichen Statement, dass ihn die "mutmaßliche Teilnahme von Mitgliedern der sogenannten Identitären Bewegung" an dem Gartenfest der Jungen Alternative "sehr besorgt" stimme. Und weiter: "Sollten die Vorwürfe zutreffen, müssen wir von einem vorsätzlichen Versuch der IB ausgehen, die JA und die AfD durch ihr unerkanntes Einsickern öffentlich für sich vereinnahmen zu wollen." Weiß tut damit lächerlicherweise so, als hätte er nicht gewusst, dass er mit Identitären grillte.

Der AfD-Bundesvorstand versuchte letztes Jahr, sich von der Identitären Bewegung zu distanzieren. Im Sommer 2016 verabschiedete der Vorstand den Beschluss, nicht mit den Rechtsextremen zusammenarbeiten zu wollen. Damals relativierte aber Alexander Gauland, nun Spitzenkandidat der Partei, die Entscheidung, indem er sagte, die Identitären könnten alle in die AfD eintreten.

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Verfassungsschutz beobachtet AfD-Landeschef in Bayern

Nicht nur in Berlin vermischen sich AfD und Identitäre. In Bayern lobte der AfD-Landeschef, Petr Bystron, die Bewegung als "tolle Organisation": "Das ist eine Vorfeldorganisation von der AfD, und die müssen wir unterstützen." Wegen seiner Sympathie zu den Identitären beobachtet ihn jetzt der Verfassungsschutz.

Politikwissenschaftler Hajo Funke fordert, auch in Berlin einzelne AfD-Funktionäre, die den Identitären nahestehen, vom Verfassungsschutz zu beobachten zu lassen. Weiß und Brämer wären nur zwei Namen auf der Liste. Dank Foto- und Videomaterial von Identitären-Demos und Grillpartys, die die Teilnehmer selbst auf Facebook stellen, sind die Verbindungen von Partei und Bewegung jedenfalls leicht zu identifizieren und für jeden sichtbar.

Während sich Berliner AfDler unter die Identitären mischen, provozierte der Journalist Matthias Matussek am Freitag mit einem Emoji-verseuchten Post auf Facebook. Der ehemalige Welt-Redakteur schrieb dort: "Wenn es um die lustigen Aktionen der Identitären geht, die ja für eine gerechte Sache kämpfen, da muss ich… sorry … muss ich einfach ein Auge zudrücken. Weil ich die einfach so geil finde."

Wenn eine Partei, die sich selbst nur als "nationalkonservativ" einstuft, Sympathien für eine rechtsextreme Gruppierung hegt, und ihre Mitglieder gemeinsam protestieren und grillen, verliert sie ihre Legitimation. Und wenn ein Journalist die Aktionen der Identitären "einfach so geil" findet, hat er seinen Verstand verloren.

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