In Bern beklagt man sich über nichts so gerne wie über Lärm. Und die Anrufe bei der Polizei sind leider oft auch noch erfolgreich. Zuletzt musste sich mit der Brasserie Lorraine schon wieder ein Kulturbetrieb geschlagen geben: Sie stellten diesen Sommer ihre jahrelange Konzerte-Reihe ein. Wenn das so weitergeht, müssen in der Hauptstadt bald ab 21 Uhr sogar private Bluetooth-Boxen mit einem Dezibelmessgerät kontrolliert werden. Dagegen wehren sich nun 1.070 Hauptstätterinnen und Hauptstätter mit einer Petition und fordern den Gemeinderat auf, das Kultur-Sterben zu verhindern.
Man könnte meinen, montagabendliche Konzerte im hübschen Garten des Quartierlokals sollte die ganze Nachbarschaft freuen. Nicht in Bern: Einem Anwohner ging die Livemusik in der Brasserie Lorraine so auf die Nerven, dass er die Polizei rief: “Weil eines der Konzerte etwas länger ging, reichte er eine Lärmklage ein”, sagt Miturheber der Petition Johannes Wartenweiler vom Gewerkschaftsbund des Kantons Bern zu Noisey.
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Leider reichte es dem Anwohner aber auch nicht, dass die Betreiber der Brasserie die Konzerte ins Lokal selbst verlegten. “Sie erhielten immer höhere Bussen und hatten schliesslich die Schnauze voll”, sagt Wartenweiler. Die Brasserie Lorraine kämpfte schon seit der Eröffnung 1980 mit Beschwerden.
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Das Problem betrifft in Bern seit Jahren nicht nur einzelne Läden. Bernerinnen und Berner wollen jetzt, dass die Stadt aktiv wird. “In Bern haben wir keine Regelungen, die grosszügig genug sind, um Kultur zu schaffen – und die Polizei setzt die Gesetze sehr strikt durch”, erklärt Wartenweiler das Problem. Mit der eingereichten Petition “für eine kleine Nachtmusik” verlangen die Initianten und die 1.070 Unterschreibenden nun vom Gemeinderat der Stadt Bern, dass sich dieser für die Kultur in der Hauptstadt einsetzt. Anstatt sie mit strengen Regeln nach und nach zu ersticken.
“Wir fordern den Gemeinderat der Stadt Bern auf, alle Hebel in Gang zu setzen, um die kulturelle Entwicklung in den Quartieren zu fördern”, schreiben die Initiantinnen und Initianten in der Petition, die sie am Montag Stadtpräsident Alec von Graffenried übergaben.
Beim Thema Lärm wünsche man sich mehr Toleranz und Spielraum und weniger direktes Durchgreifen, so Wartenweiler. Bei einer Lärmklage solle erst das Gespräch gesucht werden, statt sofort eine Busse auszusprechen.
Der ewige Fight zwischen den Behörden und den Kulturschaffenden der Hauptstadt wird wohl erst zu Ende gehen, wenn Bern erfolgreich alle seine Lokale geschlossen oder auf ein Minimum von Spass reduziert hat. Dass nicht mehr 10.000 Menschen für “Tanz dich frei” auf die Strasse gehen, sondern sich 1.070 Berner eine “kleine Nachtmusik” wünschen, zeigt, wie sich Resignation bei den Freunden einer Kultur-Stadt-Bern einschleicht. Das einst so laut geschriene “Figg di Frou Müller” gleicht nur noch einem niedergeschlagenen Flüstern.
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