Besoffene Köche verderben den Brei

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.

Ich schwöre—an seinem zweiten Arbeitstag hatte er eine unglaubliche Fahne.

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Es war mitten am Tag. Ich hab mir nicht wirklich was bei gedacht, ein bisschen naiv vielleicht. Vielleicht war er einfach noch verkatert und schwitzte gerade den Restalkohol aus? Denn nach einem harten Tag in der Küche gibt es nunmal nichts Besseres als ein kühles Bier.

Ich schrieb meinem Geschäftspartner, uns beiden gehört das Restaurant. Er hatte seine Fahne auch gerochen. Am nächsten Tag stellte ich fest, dass im Kühlschrank fünf Bier fehlten. Einige meiner Angestellten bestätigten meinen Verdacht. Sie haben gesehen, wie er sich die Flaschen einsteckte und gemütlich damit in Richtung Toiletten marschierte. Nach ein paar Minuten kam er rot angelaufen im Gesicht und ohne Bier in den Taschen wieder raus.

Alkoholismus ist leider ein sehr alltägliches Problem vieler, die für dein Essen schuften.

Nachdem mir klar geworden war, dass er ein Alkoholproblem hat, musste ich ihn als Chefkoch entlassen. Die Entscheidung ist mir schwergefallen, denn er arbeitete immer wie ein Tier. Und noch schlimmer: Er war innerhalb von zwei Wochen bereits der zweite Angestellte, den wir wegen Alkohol am Arbeitsplatz feuern mussten. Unser Restaurant ist ziemlich klein, wenn mal also zwei wichtige Mitarbeiter verliert, ist das ziemlich hart.

Und nun ratet mal, wer die Suppe auslöffeln durfte und eine 14-Stunden-Schicht schieben musste? Richtig, ich. In den Medien wird der Beruf des Kochs heutzutage immer glamourös dargestellt. Aber hinter jedem Leckerbissen auf Instagram, den ihr likt, steckt eigentlich jemand, der Eingebranntes von den Pfannen kratzt oder den dreckigen Boden schrubbt—das fotografiert keiner. Bei uns gibt es null Toleranz für Alkohol auf der Arbeit—aus Respekt für unsere anderen Angestellten, die pünktlich sind, sich abrackern und alles für das Restaurant geben.

Das heißt aber nun auch nicht, dass unser Arbeitsplatz klinisch rein ist und Spaß dort nichts verloren hat. Im Gegenteil. Meine beiden Geschäftspartner und ich sind alle Anfang 30 und trinken gerne mal was. Wir versuchen einfach, deutlich zu machen, dass die Arbeit bei uns lustig sein kann, aber wenn es um sowas geht, verstehen wir keinen Spaß. Am Ende geht es immer auch darum, wie der Restaurantbesitzer mit einer solchen Situation umgeht.

Ich habe mich schon früh für diese Herangehensweise entschieden, weil ich von Anfang an alles richtig machen wollte. Ich kann meine Angestellten nicht die ganze Zeit bemuttern oder mich fragen, ob sie heute besoffen oder nüchtern auftauchen. Dann mache ich die Arbeit lieber alleine und rede später mit ihnen. Als junges Unternehmen kann man sich bei den mickrigen Gewinnen keine Schwachstellen leisten.

Ich weiß ja, wie es ist: Man trinkt zusammen und so entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Deshalb ist Alkohol am Arbeitsplatz in der Gastronomie überhaupt erst zur Norm geworden.

Ich habe direkt mitbekommen, was für ein ernsthaftes Problem Alkohol in der Gastronomie ist. Meinem Vater gehört eines der berühmtesten Restaurants in L.A. und ich habe in den letzten 15 Jahren viel mit ihm gearbeitet. Da bekommt man erstmal mit, wie schlimm das mit dem Alkoholkonsum am Arbeitsplatz werden kann. Einige Restaurants, mit denen mein Vater zusammengearbeitet hatte, mussten schließen, weil sie einfach eine laxe Einstellung dazu hatten, à la „Scheiß drauf, solange der Laden läuft!”. Das waren Alkoholiker, funktionierende Alkoholiker, die ihre Arbeit immer noch erledigen konnten.

Mit einer solchen Geschäftsmentalität, die auf heimlichen Drinks und unzuverlässigen Angestellten mit Alkoholproblem beruht, geht am Ende alles den Bach runter—egal, wie gut es von außen aussieht.

Ich hab auch mit Restaurants mit Bar und gestandenen Barkeepern zusammengearbeitet und verstehe daher die Barkultur. Ich weiß ja, wie es ist: Man trinkt zusammen und so entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Deshalb ist Alkohol am Arbeitsplatz in der Gastronomie überhaupt erst zur Norm geworden. Wir alle trinken gerne mal. Ich glaube aber, dass die Küche nicht der richtige Ort dafür ist.

Alkohol ist zu einem echten Problem für mein kleines Restaurant und unseren Einstellungsprozess geworden. Wenn wir Bewerber einladen, dann geht es nicht mehr um Erfahrungen in anderen Restaurants oder herausragende Leistungen. Vielmehr geht es darum, ein Gefühl für die Leute zu entwickeln und genau auf ihre Antworten zu achten. Wenn sie auf die Frage „Wie verbringst du am liebsten deine Freizeit?” Antworten liefern wie „Ich geh gern mit meinen Kumpels ein paar Bier trinken.” oder „Am liebsten häng ich bei einer guten Party ab.”, dann ist das für uns ein Alarmsignal. Es ist schon schwer genug, ein gutes Küchenteam zusammenzustellen. Und viele Arbeitslose, die sich gern auch mal Millennials nennen, können überhaupt nicht kochen und sie geben auch einen Dreck drauf, es zu lernen und es zu ihrem Beruf zu machen.

Mir bleibt nur die Hoffnung, dass mit steigender Bekanntheit und besserem Ruf unseres Restaurants auch bessere Mitarbeiter kommen. Bis dahin muss ich mich wohl an diese langen Schichten gewöhnen. Und wenn das die einzige Möglichkeit ist, den Alkoholismus in der Gastronomie aufzuhalten.

Aufgezeichnet von Javier Cabral