Nach der Veröffentlichung des englischen Originalartikels hat sich auch das FBI eingeschaltet. Inzwischen hat Brian Chesky, der CEO und Mitgründer von Airbnb, in einer firmeninternen Mail weitreichende Veränderungen angekündigt: Das Vertrauen der Gäste soll wiedergewonnen werden, indem das Unternehmen unter anderem ab nächstem Monat eine mindestens gleichwertige Alternative oder die volle Rückerstattung der Kosten anbietet, wenn die gebuchte Unterkunft nicht dem Inserat entspricht. Zudem sollen die Angaben bei allen sieben Millionen Airbnb-Inseraten verifiziert werden. Und man will die manuelle Überprüfung von verdächtigen Buchungen ausweiten, um Betrüger schneller zu entdecken und zu stoppen.
Der Anruf kommt zehn Minuten, bevor wir in die Airbnb-Wohnung einchecken wollen. Wir sind quasi schon um die Ecke, in der North Wood Street in Chicago, als mir der Mann am anderen Ende der Leitung mitteilt, dass unser geplanter Aufenthalt nicht mehr möglich ist. Die vorherigen Gäste hätten etwas Sperriges im Klo runtergespült. Deswegen stehe die Wohnung jetzt unter Wasser. Er entschuldigt sich und verspricht, uns in einem seiner anderen Apartments übernachten zu lassen, bis ein Klempner das Problem behoben hat.
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Ich bin mit zwei Freunden in Chicago, um das letzte schöne Sommerwochenende dort zu verbringen. Dabei ging unser Trip schon vor dem Anruf ziemlich holprig los: Etwa einen Monat zuvor hatte uns schon einmal ein Airbnb-Gastgeber abgesagt. Wir hatten also nur wenig Zeit, eine Alternative zu finden. In unserer Hektik stieß ich auf das Inserat von Becky und Andrew. Die Wohnung sah zwar auf den Fotos ziemlich unspektakulär aus, aber wir waren in Zeitnot. Also war das schon in Ordnung.
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Und jetzt sind wir schon mit der zweiten potenziellen Katastrophe dieses Ausflugs konfrontiert. Aber irgendwie kommt mir der Mann am Telefon komisch vor. Er ruft mit einer Nummer aus Los Angeles an. In der Hoffnung auf ein Treffen frage ich ihn, ob er in der Gegend ist. Er sagt, dass er gerade arbeite und nicht wirklich Zeit zum Reden habe. Dann drängelt er: Ich müsse jetzt sofort entscheiden, ob ich meine Buchung ändern wolle oder nicht.
Und als könnte er hören, wie ich gerade darüber nachdenke, wie nervig die Hotelsuche jetzt wäre, fügt er noch etwas hinzu: “Die andere Wohnung ist rund dreimal so groß. Das sind doch gute Nachrichten!”
Die schlechten Nachrichten verschweigt er mir: Ich bin zum Opfer einer USA-weiten Betrugsmasche geworden, die wohl acht Städte und fast 100 Airbnb-Inserate betrifft. Irgendjemand oder irgendeine Organisation hat herausgefunden, wie einfach es ist, die nicht eindeutig formulierten Richtlinien von Airbnb auszunutzen und durch täuschende Inserate, falsche Reviews und – wenn nötig – Einschüchterungsversuche Tausende Dollar zu ergaunern. Eigentlich war so etwas nur eine Frage der Zeit, wenn man bedenkt, wie lasch Airbnb die Umsetzung der eigenen Regeln überwacht.
Die Fotos, die mir der Mann schickt, wirken in Ordnung. Wegen der erneuten Last-Minute-Hektik sage ich schließlich zögerlich zu. Ich habe aber eine Bedingung: Ich will schriftlich festhalten, was wir mündlich besprochen haben – nämlich, dass wir so schnell wie möglich in die ursprünglich gebuchte Unterkunft zurückwechseln. Wenn das nicht klappt, bekomme ich das Geld für die Hälfte des Trips zurück. Der Mann am Telefon willigt ein. Ich akzeptiere per Airbnb-App die geänderte Buchung.
Meine Freunde und ich nehmen ein Taxi zur neuen Wohnung. Als der Fahrer dem Ziel näher kommt, wird es komisch: An der angegebenen Adresse steht kein Haus. Nachdem wir die North Kenmore Avenue mehrmals auf und ab gegangen sind, stoßen wir in einer Seitengasse schließlich auf ein verstecktes Gästehaus mit einem Keypad an der Eingangstür. Was wir dann innen vorfinden, erinnert mehr an eine billige Absteige als an ein gemütliches Zuhause. Zwar bieten die drei Stockwerke viel Platz, aber sonst wirkt quasi alles falsch. Im Vorratsschrank steht nur eine einzige Flasche Sojasoße. Die Couch sieht komplett anders aus als auf den Fotos. Die Schlafzimmer sind mit mehreren komisch angeordneten Betten vollgestellt. Die ganze Unterkunft wirkt total schäbig, in eine Wand hat sogar jemand ein Loch geboxt. Die Deko besteht lediglich aus einem großen Holzkreuz und ein paar Bildern von Chicago. Und die billigen Barhocker im Esszimmer sehen so aus, als würden sie beim Draufsetzen direkt zusammenbrechen.
Ich beginne darüber nachzudenken, dass ich Opfer einer Betrugsmasche geworden sein könnte
Inzwischen ist es später Nachmittag. Der erste Tag unseres Urlaubs ist im Grunde futsch. Wir beschließen, die ganze Sache einfach zu ertragen und auf die ursprüngliche Wohnung zu hoffen. Am nächsten Tag erfahren wir dann aber: Das verstopfte Klo in der ursprünglichen Wohnung sei immer noch nicht repariert und in der derzeitigen Absteige kämen am nächsten Tag neue Untermieter an. Wir müssten also gehen. Frustriert buchen wir uns ein Zimmer in einem richtigen Hotel und entscheiden, uns später um die Rückerstattung zu kümmern.
In der letzten Nachricht, die ich von “Becky and Andrew” bekomme, bitten sie mich, ihnen eine Fünf-Sterne-Bewertung zu geben und alle negativen Anmerkungen nur per Privatnachricht zu kommunizieren –, weil Airbnb angeblich den Algorithmus geändert hat.
“Ich bitte Sie höflich, dass Sie mir jegliche Probleme mit meiner Wohnung direkt hier in diesem Nachrichtenverlauf mitteilen, anstatt eine Vier-Sterne-Review zu schreiben”, heißt es.
Auf meine Nachfrage nach der vereinbarten Rückzahlung folgt nur Stille. Also kontaktiere ich Airbnb direkt. Obwohl ich mit einer heruntergekommenen Absteige hingehalten und dann noch früher rausgeschmissen wurde, erstatten mir Becky und Andrew nur 399 der ursprünglich gezahlten 1.221,20 Dollar – und das auch nur, nachdem ich über mehrere Tage hinweg mehrere Airbnb-Mitarbeitende mit dem Fall genervt habe. Die 399 Dollar decken nicht mal die Servicegebühr, die mir Airbnb für das Vergnügen abgeknöpft hat, auf die Straße gesetzt zu werden. Aber was soll ich ausrichten gegen ein Unternehmen, dessen Wert dieses Jahr auf 35 Milliarden Dollar geschätzt wurde?
Zum Glück habe ich die Last-Minute-Einigung mit dem Mann am Telefon schriftlich. Aber ich frage mich auch, was in Chicago wirklich passiert ist. Ich werde den Gedanken nicht los, dass ich da an mehr als nur einen lustlosen, schlechten Gastgeber geraten bin. Also suche ich nach Warnhinweisen, die ich bei meiner Buchung vielleicht übersehen habe, und werde schnell fündig.
Die Nummer, mit der mich der Gastgeber angerufen hat, ist eine Google-Voice-Nummer, die man nicht zurückverfolgen kann. Durch eine Bilder-Rückwärtssuche finde ich heraus, dass das Profilfoto von Becky und Andrew ein Stockfoto ist. Und in anderen Reviews zu Becky und Andrews Inseraten lese ich, dass auch andere Airbnb-User verdächtig ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich. Eine Frau schreibt etwa, dass sie ihre Buchung drei Minuten vor Check-in wegen angeblicher Abflussprobleme ändern musste. Und einem Mann wurde wohl eine Rückerstattung versprochen, weil seine gemietete Unterkunft “auseinander fiel”. Natürlich hat er sein Geld nie wieder gesehen.
Aber auch einige der positiven Reviews unter den Inseraten von Becky und Andrew in Chicago machen mich stutzig – vor allem die von anderen Gastgeber-Pärchen. Kelsey und Jean beschreiben Becky und Andrew zum Beispiel als “wunderbare und aufgeschlossene Gäste”. Dabei stammen Kelsey und Jean angeblich selbst aus Chicago, sie vermieten dort sogar mindestens zwei Wohnungen. Warum sollten sie sich da selbst eine temporäre Unterkunft in der US-Metropole suchen? Zudem stammt Kelseys und Jeans Profilfoto von einer Reise-Website. Und die Beschreibung eines ihrer Inserate (“Westloop 6 Bed Getaway – Walk the City”) ähnelt der von einem von Beckys und Andrews Inseraten (“6 Bed Downtown / Wicker Park / Walk the City”) sehr. Es dauert nicht lange, bis ich bei Kelsey und Jean ein Apartment finde, das quasi eine Kopie der Wohnung ist, die ich ursprünglich bei Becky und Andrew gebucht habe. Es gibt keine Zweifel, die Couch, der Sofatisch, die Einrichtung des Esszimmers und die Bilder an der Wand sind bei beiden Wohnungen gleich.
Ob “Becky and Andrew” und “Kelsey and Jean” überhaupt existieren?
Außerdem will ich herausfinden, ob Becky und Andrew und Kelsey und Jean dieselbe Wohnung wie drei andere Pärchen haben – oder nur die gleichen Verzierungen an den Fenstern und teilweise die gleichen Möbel. Das Inserat von Kris und Becky sieht abgesehen von einem viereckigen statt eines runden Sofatisches identisch aus. Bei Alex und Brittany lässt sich im Wohnzimmer noch ein weiterer Sessel finden. Rachel und Petes Apartment hat am meisten Variationen, aber gewisse Ähnlichkeiten zu den anderen Inseraten lassen sich dennoch nicht von der Hand weisen. Und als ich die Adresse meiner ursprünglich bei Becky und Andrew gebuchten Wohnung bei Google Street View eingebe, wird es richtig seltsam: Auf den Fotos des Airbnb-Inserats sind keine raumhohen Fenster zu sehen, bei dem Gebäude, das mir Google anzeigt, aber schon.
Es scheint, als habe eine Person oder eine Gruppe mehrere falsche Accounts erstellt, um eine Airbnb-Betrugsmasche aufzubauen. Wenn das zutrifft, dann hat der oder die Verantwortliche hinter den fünf von mir aufgespürten Accounts mindestens 94 Wohnungen in acht verschiedenen Städten inseriert. Wie viele andere Menschen wurden wie ich um ihr Geld betrogen? Ich schreibe eine Nachricht direkt an Airbnb und versuche, das Unternehmen auf das aufmerksam zu machen, was immer mehr wie ein ausgeklügelter Schwindel wirkt.
Aber das Unternehmen, das nächstes Jahr an die Börse gehen will, scheint nur wenig Interesse daran zu haben, ein solches Übel von seiner Plattform zu entfernen. Als die verdächtigen Accounts mehrere Tage später immer noch online sind und ich immer noch keine Antwort von Airbnb erhalten habe, beschließe ich, selbst herauszufinden, wer oder was mir meinen Kurzurlaub so versaut hat.
Auch andere Airbnb-User sind auf die Masche hereingefallen
Zuerst will in den Besitzer des Gebäudes ausfindig machen, in dem wir nach der Umbuchung eine Nacht verbracht haben. Leider finde ich auf einer entsprechenden Such-Website nicht viel – nur, dass die GmbH, der das Haus gehört, mit einigen Anwälten in Chicago und New York zusammenarbeitet. Ich muss die genauen Adressen von einigen der anderen Inserate herausfinden, um mehr über die jeweiligen Besitzer zu erfahren. Deshalb versuche ich, die Leute zu kontaktieren, die bei Becky und Andrew negative Bewertungen hinterlassen haben.
Als Erstes schreibe ich Jane Patterson aus Holland im US-Bundesstaat Michigan. Sie ruft mich sofort zurück und erzählt, dass sie Anfang 2019 von Becky und Andrew über den Tisch gezogen wurde und seitdem ständig daran denkt.
Patterson hatte laut eigener Aussage nicht viel Airbnb-Erfahrung, als sie und ihre Tochter eine Unterkunft im kalifornischen Marina del Rey buchten. Als Rechtsanwältin ging sie jedoch davon aus, dass ihr Bullshit-Radar gut funktioniert.
Wie Patterson erzählt, hat sie genau wie ich kurz vor dem Check-in einen Anruf bekommen, der quasi genauso ablief wie meiner in Chicago: Der Mann am anderen Ende der Leitung behauptete, dass es Probleme im Badezimmer der Unterkunft gebe, er die beiden Frauen in der Zwischenzeit aber in einer viel größeren Wohnung unterbringen könne. Begeistert war Patterson nicht, aber gleichzeitig klang der Aufenthalt in einer Villa in einer der exklusivsten Gegenden des Landes nach einer guten Alternative.
“Wir dachten uns: ‘Verdammt, das ist Malibu, warum nicht?’”, erinnert sich Patterson. “Wir schauten uns die Bilder an und hielten den Vorschlag des Mannes für eine gute Lösung.”
Als die beiden Frauen bei der Ersatzwohnung ankamen, war die Lösung dann nicht mehr so toll. Die Eingangstür war nicht verschlossen und das Innere des Apartments war nicht nur verdreckt, sondern auch mit Möbeln ausgestattet, die wie vom Sperrmüll wirkten: Die Bezüge der Sofas waren zerrissen, ein Sessel hatte Kippenbrandlöcher und die Tische sahen sehr mitgenommen aus. All das hielt Patterson damals auf Fotos fest.
Wie Patterson berichtet, kontaktierte sie direkt die von Becky und Andrew hinterlegte Nummer und sagte, dass sie in einer solchen Wohnung nicht bleibe. Die Person am anderen Ende der Leitung versicherte zwar, das man wegen der beschriebenen Probleme zurückrufen werde, aber dazu kam es nie. Also quartierten sich Patterson und ihre Tochter notgedrungen bei einem in der Nähe wohnenden Freund ein. Dort begann die Anwältin direkt damit, sich um die Rückerstattung für die eigentlich gebuchte Wohnung zu kümmern – und dachte, dass das Ganze eigentlich kein Problem sein sollte.
Airbnbs Richtlinien zum Thema Rückerstattung basieren auf einem komplizierten System. Das schreibt zwar nicht vor, dass die Gäste für eine volle Rückzahlung schriftliche Beweise brauchen. Dafür ist aber vermerkt, dass das Unternehmen bei allen Streitfällen das letzte Wort hat. Dadurch wird es für Betrüger sehr einfach, die Richtlinien zum eigenen Vorteil auszunutzen. Ein Beispiel: Wenn ein Gast auch nur eine Nacht in einer Unterkunft – egal wie minderwertig – übernachtet, wird es laut den Airbnb-Richtlinien sehr schwer, das komplette Geld zurückzubekommen. Und wenn ein Gastgeber die Gäste darum bittet, in einer anderen Unterkunft als der gebuchten zu bleiben, dann rät Airbnb dazu, die Stornierung zu verlangen, wenn man mit dem Wechsel nicht einverstanden ist. In beiden Fällen spielen die Richtlinien dem potenziellen Betrüger in die Karten und verschieben den Handlungsbedarf auf die Gäste, die sich mit vollem Reisegepäck und meistens ohne alternative Übernachtungsmöglichkeit in einer fremden Umgebung befinden.
Nachdem sich Airbnb die von Jane Patterson gemachten Bilder angeschaut hatte, teilte ihr ein Mitarbeiter mit, dass Becky und Andrew das Recht hätten, sich zu der Beschwerde zu äußern. Das Bewertungssystem von Airbnb basiert ja auch darauf, dass sowohl die Gastgeber als auch die Gäste eine öffentliche Review schreiben können, um sich im besten Fall einen guten Ruf auf der Plattform aufzubauen. Wegen dieses Geben-und-Nehmen-Prinzips meiden viele User die Konfrontation – was erklären könnte, warum Airbnb-Gastgeber laut Forschungen der Boston University und der University of Southern California regelmäßig besser bewertet werden als Hotels bei TripAdvisor. Wenn Gäste eine negative Airbnb-Erfahrung gemacht haben, ist es unter Umständen besser, das Ganze stillschweigend hinzunehmen. Bei einer schlechten Bewertung gehen sie nämlich das Risiko ein, auf potenzielle Gastgeber als zu anspruchsvoll zu wirken oder selbst eine negative Rachebewertung zu kassieren.
Wenige Tage später bot Airbnb der Anwältin an, ihr das Geld teilweise zurückzuerstatten. Viele Leute wären an dieser Stelle wohl auf das Angebot eingegangen, weil kaum jemand Lust auf ein langwieriges Hin und Her hat. Aber Patterson war das egal. Sie wusste, dass sie auf eine Betrugsmasche hereingefallen war, und wollte das nicht einfach so hinnehmen. “Ich bin Anwältin, ich liebe es, mich zu streiten”, sagt sie. “Ich rief einfach immer und immer wieder an.”
Irgendwann bekam Patterson dann wirklich den kompletten Betrag zurückgezahlt. Es folgte aber tatsächlich auch eine negative Bewertung von Becky und Andrew: “Wir würden sie NICHT MEHR als Gast empfangen und sie auch nicht weiterempfehlen!!” Patterson selbst fragt sich, wie sich Menschen mit weniger Geld und ohne alternativen Schlafplatz an ihrer Stelle verhalten hätten.
“Es gibt bestimmt Leute, die sehr lange für einen solchen Urlaub sparen und dann ohne Unterkunft dastehen”, sagt sie. “Ich verstehe schon, wie es Betrüger schaffen, dass solche Leute in der heruntergekommenen Alternativwohnung bleiben.”
Der Ärger mit versteckten Gebühren
Genau so ist es Juan David Garrido ergangen. Der Student aus St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota hatte Anfang Juli 2019 eine Airbnb-Unterkunft von Kris und Becky in Milwaukee gebucht.
Dann stornierten die Gastgeber die Buchung in letzter Minute. Da waren Garrido und seine sechs Freunde aber schon angereist. Kris bot dem verzweifelten Studenten eine andere Unterkunft an, in die sieben Personen locker passen sollten. Angesichts der Notlage ging Garrido dankbar auf das Angebot ein und buchte die neue Wohnung – so schnell, dass er die Kosten nicht ganz wahrnahm. Wegen der Anzahl der Gäste verlangten Kris und Becky für drei Nächte fast 1.800 Dollar. Das ist rund die Hälfte von dem, was der Student während eines Semesters im Nebenjob verdient.
Ohne sich vorher das Kleingedruckte durchzulesen, stornierte Garrido die Buchung und verursachte so eine Stornierungsgebühr von 950 Dollar. Er rief bei Kris an und sagte, dass er und seine Freunde doch in dem neuen Apartment bleiben würden, wenn diese Gebühr wieder wegfallen würde. Wie Garrido erzählt, willigte Kris mündlich ein.
In der Ersatzwohnung wurde Garrido schnell klar, dass er die Stornierungsgebühr wohl nie zurückbekommen würde – und dass Kris doch nicht so hilfreich war wie gedacht. “Dort lebte niemand”, erzählt der Student. “Da drin waren nur Betten.”
Mehr als eine Woche lang versuchte Garrido, sein Geld über die Airbnb-Kundenhilfe zurückzubekommen (ich konnte die Nachrichten einsehen). Wegen der schlechten Erfahrung gewährte ein Airbnb-Mitarbeiter dem Studenten schließlich eine Rückzahlung von 700 der 1800 Dollar. Gleichzeitig erklärte man Garrido, dass die Gastgeber aber das Recht hätten, die Stornierungsgebühr zu behalten, weil sich nicht schriftlich auf den Erlass dieser Gebühr geeinigt worden war.
Endlich bekomme ich den entscheidenden Hinweis
Maria LaSota, 29, erging es noch schlimmer.
Für einen Milwaukee-Trip anlässlich des 60. Geburtstags ihrer Mutter im Juli 2019 buchte sie ebenfalls eine Wohnung von Kris und Becky. Am Telefon erzählt sie, wie sie kurz vor dem Check-in von einem Mann angerufen wurde, der sich als Kris ausgab und sagte, dass er das Apartment aus Versehen doppelt vermietet habe. Er müsse die Frauen in eine größere Wohnung in derselben Straße verlegen. Weil an diesem Wochenende in Milwaukee viel los war, glaubte LaSota, nicht wirklich eine andere Wahl zu haben.
Wie die anderen Wohnungen aus diesem Artikel war auch LaSotas Alternativunterkunft mehr als minderwertig: Alles war staubig, es fehlte an der grundlegendsten Ausstattung. “Das Apartment war offensichtlich nur für die Fotos schön hergerichtet worden”, sagt LaSota. Auf dem Bett befanden sich nur Dekokissen und ein Spannbetttuch. Der Gasofen war nicht angeschlossen. Es gab keine Klimaanlage und aufgrund des fehlenden Sichtschutzes konnten keine Fenster geöffnet werden. Weil die Frauen aber keine andere Übernachtungsmöglichkeiten hatten, blieben sie notgedrungen.
Dann lernte LaSota in einer Bar in der Nähe der Wohnung ein paar Männer kennen. Sie erwähnten, dass sie in einer Airbnb-Unterkunft im selben Gebäude übernachteten. “Wie sich herausstellte, war ihnen genau das Gleiche wie uns passiert”, sagt LaSota. “Ursprünglich sollten sie in unsere Unterkunft. Aufgrund angeblicher Bauarbeiten wurden sie zehn Minuten vor ihrer Ankunft aber in ein kleineres Apartment im oberen Stockwerk verlegt.”
In der darauffolgenden Woche bedankte sich der Gastgeber bei LaSota am Telefon dafür, dass sie so ein guter Gast gewesen sei. Der Mann am anderen Ende der Leitung gab sich wieder als Kris aus. “Das war allerdings auf keinen Fall die Person, mit der ich eine Woche zuvor gesprochen hatte”, sagt LaSota. Als sie von den Problemen mit der Unterkunft berichtete, entgegnete der Mann, dass er verwirrt sei und seine Frau anrufen müsse.
“Ich sagte: ‘Ihre Frau oder die des anderen Typen? Der Mann, der sich letzte Woche ebenfalls als Kris ausgab, hat eine ganz andere Stimme und einen ganz anderen Akzent als Sie’”, erzählt LaSota.
Daraufhin legte der Mann einfach auf, er hat sich nie wieder bei LaSota gemeldet. Kurze Zeit später hinterließen Kris und Becky aber eine Bewertung auf LaSotas Airbnb-Profil, in der sie sich darüber beschwerten, dass die junge Frau überall in der Wohnung Bierflaschen stehen gelassen und sogar Leute belästigt habe. “Die behaupteten, ich hätte eine wilde Party gefeiert”, sagt LaSota. “Dabei war ich mit vier 60-jährigen Frauen unterwegs.” Verzweifelt versuchte sie, das Pärchen bei Airbnb zu melden. Am Telefon versicherte ihr ein Mitarbeiter am 1. August, dass sich das Unternehmen innerhalb von acht Wochen bei ihr zurückmelden würde. Sie hat bis heute nichts von Airbnb gehört.
LaSotas Geschichte passt zu dem, was ich online bemerkt habe: Wenn jemand Becky und Andrew schlecht bewertet, drehen die Gastgeber den Spieß um und behaupten, dass die Gäste selbst Betrüger oder unerfahrene Reisende seien.
Etwas an LaSotas Geschichte lässt mich aber aufhorchen: Der Airbnb-Gastgeber konnte LaSotas Familie und den Männern aus der Bar einfach eine andere Wohnung im gleichen Gebäude anbieten. Ich frage mich, ob der Gastgeber also der Besitzer des Hauses ist. Dann wäre es wahrscheinlicher, dass der echte Name von “Kris and Becky” in öffentlich zugänglichen Dokumenten verzeichnet ist. Auf der Website des zuständigen Immobiliengutachters steht nur der Name einer weiteren GmbH. Ich tippe den Namen dieser GmbH bei der Website der Abteilung für Finanzeinrichtungen des US-Bundesstaats Wisconsin ein. In solchen Datenbanken findet man die Namen der eingetragenen Vertreter, die sich um die rechtlichen Angelegenheiten der Unternehmen kümmern. Normalerweise sind das Anwälte, die nicht dazu verpflichtet sind, einer Journalistin irgendetwas über ihre Klienten zu verraten.
In diesem Fall stoße ich allerdings nicht auf irgendeinen Anwalt. Mir wird ein ganz normaler Name angezeigt: Shray Goel.
Bei LinkedIn finde ich heraus, dass Goel in Los Angeles lebt und sich selbst als Director of Operations bei einem “gehobenen Mietunternehmen” namens Abbot Pacific LLC beschreibt. Neben Goel leitet noch ein anderer Mann namens Shaun Raheja das Unternehmen, zumindest laut Rahejas eigenem LinkedIn-Profil. Goels YouTube-Profil enthält Videos, in denen er heruntergekommene Immobilien besichtigt – darunter auch eine mit derselben Adresse, die mir Garrido und LaSota zu ihren Airbnb-Unterkünften in Milwaukee mitgeteilt haben. Auf seiner Instagram-Seite beschreibt sich Goel als Immobilieninvestor, der in Los Angeles, Chicago, Nashville, Austin, Dallas, Milwaukee, Indiana und Orlando tätig ist. Diese acht Städte überschneiden sich mit den Airbnb-Inseraten von “Becky and Andrew” und anderen verdächtigen Profilen. Bei Rahejas öffentlichem Profil lassen sich Bilder der Apartments finden, die von “Kelsey and Jean” bei Airbnb vermietet werden. Auf Anrufe, E-Mails und Twitter-Direktnachrichten mit der Bitte um eine Stellungnahme reagiert Raheja nicht.
Als ich mich durch ältere Airbnb-Bewertungen der Pärchen scrolle, fällt mir noch etwas auf: Im November 2014 lassen sich bei “Kelsey and Jean” Reviews finden, in denen sie anders angesprochen werden. “Shray ist ein toller Gast. Ich würde ihn jederzeit wieder willkommen heißen! Er ist nett, ordentlich und sehr unabhängig.”
Mehr brauche ich nicht. Ich bin überzeugt, den Betrüger gefunden zu haben.
Mein erster direkter Kontakt mit dem vermeintlichen Scammer
Da ich Goels Version der Geschichte hören will, versuche ich mehrmals erfolglos, ihn auf seinem Handy anzurufen. Also probiere ich es bei Abbot Pacific, dem Unternehmen, für das er laut LinkedIn arbeitet. Auf der dazugehörigen Website finde ich nur eine Google-Voice-Nummer, die ich mehrmals anrufe, bevor ich eine Nachricht hinterlasse und sage, dass ich mit Goel sprechen wolle. Am nächsten Tag schreibe ich Goel eine E-Mail an seine persönliche Adresse. Knapp zwei Stunden später ruft mich endlich jemand zurück. Der Mann am anderen Ende der Leitung sagt allerdings, dass er nicht derjenige sei, den ich suche. Sein Name sei “Patrick”, er kümmere sich bei Abbot Pacific lediglich um die eingehenden Anrufe.
Patrick erzählt mir, dass Goel vor neun Monaten aus dem Unternehmen ausgekauft worden sei. Dann bombardiert er mich mit Fragen zu meinem geplanten Artikel. “Ich habe Sie kurz gegoogelt. Es scheint, als schreiben Sie eher negative Sache. Ich will eigentlich nur herausfinden, wie ich helfen kann”, sagt er. Patrick will die Beweggründe für meine Recherche wissen – und mit welchen Leuten ich schon gesprochen habe. Ich sage ihm, dass ich lieber mit Goel reden würde. Patrick verspricht mir, mich mit ihm in Kontakt zu bringen. Ein leeres Versprechen.
Rund 30 Minuten nach dem Telefongespräch will ich noch mal auf die Website von Abbot Pacific gehen, aber das ist plötzlich nicht mehr möglich. Stattdessen starre ich auf einen in Großbuchstaben geschrieben Satz: “THIS WEBSITE IS CURRENTLY UNAVAILABLE.” Ich rufe Patrick an und will wissen, was da los ist. “Ich glaube, die ist seit gestern nicht mehr online”, antwortet er, “Wir fügen ein paar neue Sachen hinzu, neue Immobilien und so weiter.”
Als ich ihm sage, dass ich kurz vor unserem ersten Gespräch noch auf der Website war und es komisch finde, dass sie direkt danach offline genommen wurde, stimmt mir Patrick zu: “Das ist ungewöhnlich.”
Ich frage Patrick, was er vor seiner Anstellung bei Abbot Pacific gemacht hat. Er sagt, er sei in der Immobilienverwaltung tätig gewesen. Auf meine Frage nach seinem LinkedIn-Profil antwortet er nur, dass er zwar einen Account besitze, mir aber seinen Nachnamen nicht verraten wolle (einen Patrick, der bei Abbot Pacific arbeitet, kann ich bei LinkedIn nicht finden). Ich biete zudem an, ihm Links zu den Airbnb-Accounts zuzumailen, von denen ich ihm erzählt habe. Eine E-Mail-Adresse gibt mir Patrick jedoch nicht, er könne das Ganze aber mit Papier und Stift festhalten. Anschließend beschreibe ich die Interviews, die ich bisher geführt habe.
“Ach ja, ich sollte auch erwähnen, dass mir das Ganze ebenfalls passiert ist”, füge ich hinzu. Nach mehreren Sekunden Stille antwortet Patrick: “Das alles ergibt jetzt viel mehr Sinn.” Er gibt zu, dass Abbot Pacific Immobilien in der Straße besitzt, in der Garrido und LaSota untergebracht waren. Dann behauptet er aber, dass er mit den Airbnb-Geschäften des Unternehmens nicht viel zu tun habe und dass das Ganze sowieso zurückgefahren werde. “Lassen Sie mich ein paar Anrufe tätigen und herausfinden, wo genau sich der Fehler eingeschlichen hat”, sagt Patrick.
Ich lege auf und schreibe eine Nachricht an den Airbnb-Account von Kris und Becky. Darin bitte ich um einen Rückruf von Goel, weil ich einen Artikel schreibe. Vier Stunden später folgt die Antwort: “Hi Allie. Ich glaube, du bist da falsch. Willst du die Wohnung buchen?” Weitere sechs Stunden später schießen die Preise einiger der Inserate von Kris und Becky um mehrere Tausend Dollar pro Nacht in die Höhe. Niemand, der eine bezahlbare Bleibe für einen Kurzurlaub sucht, wird die Apartments mehr finden.
Mehrere Wochen später ist die Website von Abbot Pacific immer noch offline. Der Mann, der sich als Patrick ausgab, hat mich weder zurückgerufen noch mit Goel verbunden. Ich schreibe Goel erneut eine E-Mail. Ich versuche zudem, ihn bei Facebook und in dem Immobilieninvestment-Forum BiggerPockets zu kontaktieren – erfolglos. Trotzdem kommt es mir so vor, als wüsste Goel, dass ich mit ihm reden will: Am Tag nach meinem Gespräch mit Patrick verschwinden auf Goels LinkedIn-Profil jegliche Verweise und Erwähnungen von Abbot Pacific.
Die Airbnb-Betrugsmasche ist nichts Neues
Wie sich herausstellt, bin ich durch Zufall auf eine umfangreichere Version eines Tricks gestoßen, den Forschende einer Interessenvertretung aus L.A. vor einigen Jahren auch schon aufgedeckt hatten: 2015 veröffentlichte die Los Angeles Alliance for a New Economy einen Bericht, in dem steht, dass große Immobilienfirmen in der US-Metropole damit begonnen hätten, sich bei Airbnb als normale Eigenheimbesitzer auszugeben und so Profit zu machen. Der aktivste Gastgeber, den die Interessenvertretung dabei ausmachen konnte, war das heute nicht mehr existierende Unternehmen Globe Homes and Condos, das bei Airbnb unter dem Pseudonym “Danielle and Lexi” auftrat.
In den Richtlinien von Airbnb heißt es, dass Gastgeber keine falschen Angaben machen dürfen. Leider setzt Airbnb laut dem Bericht diese Regeln nicht immer durch. “Zwar haben Danielle und Lexi einen verifizierten Account mit Abzeichen im Profil, aber wir wissen dennoch nicht sicher, ob sie wirklich für die Inserate oder nur für das Profilbild verantwortlich sind”, heißt es in dem Bericht. “Dieser Fall schwächt eine der Grundstützen des Airbnb-Geschäftsmodells, nämlich dass das Bewertungs- und Verifizierungssystem den Reisenden dabei hilft, potenzielle Gastgeber zu überprüfen.”
James Elmendorf, ein leitender Analytiker bei der Los Angeles Alliance for a New Economy, sagt mir, dass dieses ungenaue Verifizierungssystem für Betrüger die Möglichkeit geschaffen habe, Airbnb mithilfe von “unechten Otto-Normal-Verbraucher-Profilen” auszunutzen.
“Airbnb überprüft da gar nichts”, sagt Elmendorf. “Und niemand kann mir erzählen, dass ein solch großes Unternehmen es nicht schafft, ein System zu entwickeln, das solche Betrugsfälle verhindert. Wenn Airbnb das Problem wirklich lösen wollen würde, dann würden sie einen Weg finden.”
Das Problem geht aber weit über die von mir entdeckten Betrüger und die aus Los Angeles hinaus. Die Non-Profit-Organisation Better Business Bureau habe durch ihren sogenannten “Scam Tracker” in den letzten drei Jahren um die 200 Beschwerden über Airbnb erhalten. Bei ungefähr der Hälfte davon gehe es um Fake-Profile, so die Sprecherin Katherine Hutt. Dabei bedeuten Fake-Profile nicht immer zwangsläufig auch direkt eine schlechte Erfahrung. Vielen Reisenden ist es egal, wem die Wohnung gehört, in der sie schlafen. Sie wollen einfach nur eine günstigere Alternative zu einem Hotel. Wenn Airbnb es aber so einfach macht, unter einer falschen Identität zu inserieren, dann fühlen sich potenzielle Betrüger in diesem System richtig wohl.
Airbnb hat wohl keine Lust, sich mit meiner Recherche auseinanderzusetzen
Mit dem Gefühl, alle nötigen Beweise gesammelt zu haben, schicke ich dem Presseteam von Airbnb eine lange Mail. Darin will ich unter anderem wissen, wie das Unternehmen sicherstellt, dass sich hinter den Profilen auch wirklich die angegeben Personen befinden, und wie der Kundenservice mit Betrugsvorwürfen umgeht.
Gut 24 Stunden später bekomme eine vorgefertigt wirkende Antwort: “Täuschende Handlungen wie der Ersatz eines Inserats mit einem anderen verstoßen gegen die Richtlinien unserer Community. Wir sperren die Inserate, während wir die Angelegenheit weiter untersuchen.”
Das war’s. Sonst will niemand von Airbnb mit mir über meine Enthüllungen reden. Meine Fragen zum Verifizierungssystem bleiben unbeantwortet. Was die Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber bei Airbnb betrogenen Menschen angeht, heißt es in einer Mail nur, dass Airbnb in Betrugsfällen rund um die Uhr bei Umbuchungen, vollen Rückerstattungen und Entschädigungen weiterhelfe. Vielleicht kann Airbnb ja keine weiteren Details zum Verifizierungssystem nennen, weil es kein großartiges Verifizierungssystem gibt?
Ich überprüfe, was das Unternehmen bei den drei Accounts unternommen hat, die ich im Zuge meiner Recherchen gemeldet habe: Annie und Chase, Becky und Andrew und Kris und Becky. Das Profil von Annie und Chase wurde gelöscht, bei den anderen beiden sind keine Inserate mehr zu finden. Von den anderen sechs Accounts, die ich mit der Betrugsmasche in Verbindung bringen konnte, sind fünf auch Wochen später noch aktiv. Nur der von Kelsey und Jean ist von der Seite verschwunden.
Aber selbst wenn den Betrügern jetzt zumindest kurz das Leben schwer gemacht wird, könnten sie theoretisch einfach mit neuen Profilen weitermachen. Das zum Großteil auf Vertrauen basierende und leicht auszunutzende Airbnb-System mit seinen mehr als sieben Millionen Inseraten wurde ja nicht geändert. Eigentlich ist es nicht überraschend, dass Airbnb lieber halbherzig Fake-Profile löscht, als grundlegende Fragen zum Verifizierungsprozess zu beantworten. Das Unternehmen verdient ja an allen Gästen, denen das Geld nicht komplett zurückerstattet wird.
Kellen Zale ist Dozentin an der University of Houston und beschäftigt sich mit Immobilienrecht und temporären Mietverhältnissen. Sie sagt, dass es in den USA keine Politiker auf Staats- oder Landesebene gebe, die Airbnb wirklich kritisieren. Stattdessen falle diese Aufgabe den Kommunalverwaltungen zu – von denen viele nicht genügend Budget haben, um wirklich etwas unternehmen zu kommen.
2015 gab Airbnb mindestens acht Millionen Dollar für Lobbyarbeit aus, um gegen eine Verordnung in San Francisco anzukämpfen, durch die alle Airbnb-Gastgeber verpflichtet wurden, ihre Wohnungen in einem langwierigen Verfahren bei der Stadt zu registrieren. Der Verordnung ging trotzdem durch, die Zahl der verfügbaren Apartments ging zurück. Aber nicht alle Städte haben ein so großes Budget wie San Francisco. Als New Orleans zum Beispiel im August die Gesetze zu befristeten Mietverhältnissen neu aufsetzte, legte die finanziell eher schlecht aufgestellte Stadt die Übersicht über die neuen Regelungen in die Hände von Airbnb.
Trotz negativer Erfahrungen verliert Airbnb kaum Gäste
Noch stehen wir mit den Folgen der Betrugsfälle quasi alleine da. Auch die Dozentin Zale hat vor einigen Jahren eine negative Airbnb-Erfahrung gemacht: Ihr Gastgeber hatte ihr einen falschen Code für die Eingangstür gegeben, sie musste kurzfristig in einem teuren Hotel einchecken. Obwohl sie sehr wütend war, weil Airbnb ihr die Hotelkosten nicht erstatten wollte, bleibt sie dem Unternehmen treu. Sie möge es einfach, für ein paar Tage quasi in eine andere Stadt zu ziehen und dort in einer richtigen Wohnung zu leben, sagt sie.
Die anderen Betroffenen, mit denen ich gesprochen habe, denken ähnlich. Sie sind sich bewusst, dass sie bei Start-up-Plattformen für temporäre Wohnverhältnisse immer Pech haben können. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, kaum eine andere Wahl zu haben. Patterson möchte zwar zum Airbnb-Konkurrenten Vrbo wechseln, aber LaSota will für ihren anstehende Italien-Urlaub wieder bei Airbnb buchen (sie versucht immer noch, eine negative Rachebewertung entfernt zu bekommen). Auch Garrido sagt, dass er Airbnb wohl sein Leben lang weiter benutzen werde.
“Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde ich Airbnb links liegen lassen”, sagt er. “Der Betrug hat mich wirklich sehr abgeschreckt. Inzwischen glaube ich aber, dass ich bei Reisen nicht wirklich etwas anderes machen kann.”
Ich sitze im gleichen Boot. Obwohl ich mich einen Monat lang durch öffentliche Datenbanken geklickt, das Internet nach Hinweisen durchsucht, mehrfach bei Airbnb angerufen und “Patrick” konfrontiert habe, glaube ich nicht, dass ich Airbnb in Zukunft meiden werde. Die betrugsanfällige und manchmal zur Weißglut treibende Plattform ist eben immer noch günstiger als Hotels.
Eine Bewertung geschrieben habe ich Becky und Andrew trotz allem übrigens nicht.
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Korrektur, Freitag, 22.11.2019: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Airbnb 399 Dollar zurückerstatte hätte. Dieser Satz wurde geändert, um klarzustellen, dass die 399 Dollar von “Becky und Andrew” gezahlt wurden, nachdem sich Airbnb eingeschaltet hat.