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NOMA

Das beste Restaurant der Welt hat einen Schawarma-Spieß aus Sellerie kreiert

Für sein neues vegetarisches Sommermenü serviert das Noma jetzt Luxus-Fastfood. Und die Zubereitung ist nichts für Hobbyköche.
Alle Fotos: Sarah Buthmann

Dieser Artikel erschien zuerst bei MUNCHIES Dänemark.

Es könnte sich wirklich um einen goldbraunen, rotierenden Lammfleisch-Schawarma-Spieß handeln. Unzählige dünne, fleischartige Schichten ergeben zusammen mit den karamellisierten Säften eine wunderschön glänzende Einheit. Es ist allerdings nicht zwei Uhr nachts und du gehst gerade nicht deinem versoffenen Drang nach einem Late-Night-Snack nach. Nein, du befindest dich im Noma, einem der weltweit besten und einflussreichsten Edelrestaurants, und gönnst dir eine Scheibe des täuschend echten "Schawarma-Fleisches" aus Sellerie.

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"Schawarma kam uns mit als erstes in den Sinn, als wir Ideen für unser neues Menü zusammentrugen", sagt die 28-jährige Mette Brink Søberg, die im Noma als Forschungs- und Entwicklungsleiterin arbeitet. "Wir brauchten einen Hauptgang mit einer gewissen Energie. Etwas wirklich Spezielles."

Søberg mariniert das auf dem Grill liegende Schawarma

Das Sellerie-Schawarma gehört zum neuen vegetarischen Menü, das das Noma jetzt im Sommer anbietet und das als eine Art Hommage an das Pflanzenreich gelten soll (und an ein paar leckere Grashüpfer in Walnuss-Mole, serviert mit gegrillten Wildrosen und Kürbiskern-Quark). Das Menü beinhaltet außerdem Fruchtleder in Schmetterlingsform, hergestellt aus Sanddorn und schwarzer Johannisbeere. Dazu gibt es vegetarische Chorizo-Wurst aus Hagebutte und ein Sandwich belegt mit knusprigen Milchschichten und geräucherter Petersilie. Abgerundet wird das Ganze mit eingelegten Perigord-Trüffeln. Den Höhepunkt des Menüs bildet aber ohne Zweifel der "Kebap"-Turm, dessen komplizierter Entstehungsprozess schon vor über einem Jahr begann.

"Schon als wir 2017 unser Pop-Up-Restaurant in Mexiko eröffneten, haben wir daran gearbeitet", sagt Søberg. "Dort hatten wir einen extra für uns angefertigten Grill, bei dem die Kohle durch ein Schubfach nachgelegt wurde. Und in Mexiko gibt es ein Gericht namens 'Taco al pastor', das stark an Schawarma erinnert. Da kam uns die Idee, für unseren Hauptgang eine vegetarische Variante auf dem Grill zuzubereiten."

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In Mexiko ist es dann doch nicht mehr zur vegetarischen Al-Pastor-Version gekommen, aber als das Noma vor kurzem in ein neues Gebäude am Rand der bekannten Kopenhagener Alternativ-Wohnsiedlung Christiania zog, wurde die Idee wieder hervorgeholt. Die Köche fingen an zu experimentieren und bauten aus verschiedenem Gemüse Schawarma-Türme – darunter Zwiebeln, Karotten, Kohl, Pastinake und Kartoffeln. "Wir haben alles ausprobiert", erklärt Søberg. "Wir tüftelten so lange herum, bis wir schon fast keine Lust mehr hatten. Zwar schmeckten alle unsere Kreationen gut, aber keine hatte diesen Wow-Effekt."

Mit Sellerie gelang schließlich der Durchbruch. Für das Veggie-Schawarma wird das Gemüse zuerst in Hunderte hauchdünne Scheibe geschnitten und dann um den zurechtgeschnitzten Ast eines Johannisbeerbaums aufgeschichtet. Die Schichten selbst sind zusätzlich mit verschiedenen Pürees bestrichen: Selleriepüree mit Trüffelsaft, Sommertrüffelpüree und eine Creme aus Leinsamen, Steinpilzen und einer Sellerie-Reduktion. Wenn alle Bestandteile bereit stehen, brauchen Søberg und ihr Team ungefähr zwei Stunden, um den Turm zu bauen. Das Schawarma-"Fleisch" wird anschließend auf einem Grill gut durchgebraten.

Oben auf dem Turm befinden sich zusätzlich auf Kiefernholz aufgespießte Äpfel. "Beim Pastor in Mexiko findet man obendrauf immer ein Stück Ananas, dessen Saft an der Seite herunterläuft. So entsteht eine süß-saure Note. Bei uns hat das mit Äpfeln sehr gut geklappt", sagt Søberg. "Genauso wie bei einem echten Fleisch-Schawarma sieht man auch bei uns alle Schichten, wenn man den Turm durchschneidet. Die Schichten haften durch die Zubereitung aber zusammen."

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Zuerst wollte man im Noma den Sellerie-Turm direkt am Tisch schneiden und dazu vielleicht ein Stück Fladenbrot sowie eine Portion Chili-Soße reichen. Laut Søberg bestehe der Trick allerdings darin, etwas Bekanntes als Grundlage zu nehmen und daraus etwas Besonderes zu machen. "Wir dürfen das Ganze nicht zu sehr in Richtung Street Food abdriften lassen. Im Fladenbrot und mit Chili-Soße wäre unser Gericht sicher auch lecker gewesen, hätte aber besser zu einem Marktstand gepasst", sagt die Entwicklungsleiterin. "Wir mussten uns etwas einfallen lassen, das einem Hauptgericht im Noma gerecht wird."

Jetzt schneiden die Köche eine Scheibe des gegrillten und verschieden marinierten Sellerie-Turms ab und richten diese zusammen mit einem Stück Schawarma-Apfel, in Holunderblütenöl eingelegten weißen Johannisbeeren, Strandkräutern und Blättern in einer Koji-Emulsion auf einem Teller an. Die dazugehörige Soße besteht aus Seetang, Pilzen, Trüffeln und brauner Butter.

Wenn du deine Portion Sellerie-Schawarma dann verdrückt hast, gibt es von den Köchen noch einen Nachschlag in Form von mehr Soße und einem Stück frischgebackenen Sauerteig zum Tunken. "Es wäre fast schon unhöflich, unseren Gästen kein Brot zu reichen", sagt Søberg. "Und in diesem Moment passt es einfach perfekt."

Wir haben es hier mit einer Schawarma-Art zu tun, die dein Kater nicht kennt. Und auch für das Noma ist das Gericht ein Novum. Søberg gehört seit Anfang 2016 zur Testküche des Restaurants und die Aufgabe, ein komplett vegetarisches Menü zu erschaffen, gehört laut ihrer Aussage zu ihren bisher größten – aber auch lohnenswertesten – Herausforderungen.

"Natürlich haben wir im Noma schon viele vegetarische Gerichte serviert, aber eines der Hauptgerichte hat bis jetzt immer ein Stück Fleisch oder Fisch enthalten. Es hat immer diese Extraportion Protein gegeben", erklärt Søberg. "Wenn Dinge wie Königskrabben oder Islandmuscheln auf der Karte stehen, dann weiß man genau, dass die Gäste sich wohl fühlen und zufrieden sein werden. Wenn einem aber nur Karotten und Sellerie zur Verfügung stehen, dann ist das etwas ganz anderes."

Außer natürlich, man schichtet das Ganze auf einen rotierenden Spieß und grillt es so, wie es auch der Dönermann von nebenan tut. Dann werden garantiert auch die überzeugtesten Fleischesser schwach.

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