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Warum es mir eiskalt den Rücken runterläuft, wenn ich die Polizei sehe

Im Zug, in der Warteschlange, am Bahnhofsgleis: Racial Profiling kann einen inzwischen überall treffen.
Ein altes Kinderfoto
Foto: Privat

Dieser Artikel ist Teil unserer Kolumne 'I said what I said'.

Ein junger Schwarzer Mann wird von der Polizei festgehalten. Ich erkenne ihn sofort. Es ist der Rapper T-Ser. Das Video, das er von der Polizeikontrolle in einem Wiener Stadtpark postete, beherrschte tagelang die Medien. Auch bei meinen Freunden und Bekannten war es der wichtigste Gesprächsstoff. Jeder von uns hat selbst so eine Begegnung mit der Polizei hinter sich oder kennt mindestens eine Person, der so etwas passiert ist.

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Auch ich habe meine Erfahrung mit der Polizei. Die Fahrten mit dem Zug aus Bayern ins Internat nach Innsbruck zum Beispiel. Ich fuhr immer mit zwei Mädels aus München und anderen Schülern und Schülerinnen, das Abteil war jedes Mal zum Brechen voll. Der Grenzschutz kontrollierte aber jedes Mal ausschließlich das andere Schwarze Mädchen und mich.

Oder als ich von Österreich zurück nach Deutschland zog. Der deutsche Bundesbeamte stoppte uns und kontrollierte meine Papiere, aber nicht die meines österreichischen Freundes, der am Steuer saß.

In der Zeit, als am Salzburger Bahnhof Geflüchtete untergebracht wurden. Die Polizei versperrte den Aufgang zu den Zügen in Richtung Deutschland. Widerwillig ließ sie mich durch, nachdem sie meinen Ausweises kontrolliert hatten – meine Freundin wurde einfach so vorbeigelassen.

Für die Exekutive ist schon ein Grund, aktiv zu werden, wenn ich nur am Gleis warte. Einmal umstellte mich eine Gruppe von Polizistinnen und Polizisten. Weil ich ohne Pass unterwegs war, bekam ich eine Verwarnung. Als deutsche Staatsbürgerin muss ich mich jederzeit ausweisen können.

Diese Begegnung hat für mich gereicht, sämtliches Vertrauen in die Polizei zu verlieren. Ich hatte in diesem Moment wirklich Angst, dass sie mich mitnehmen würden. Es ist schon sehr beunruhigend, wenn Beamte dich wie eine Verdächtige behandeln, nur weil du am Bahnhof auf Freunde wartest. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, hatte aber Panik. Was an mir, einer 1,67 Meter großen jungen Frau in Shorts und Top, vertieft in ihr Smartphone, wirkt verdächtig?

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Auch bei VICE:


Nach diesem Vorfall war ich wütend. Ich war wütend auf mich, dass ich meinen Pass nicht dabei hatte. Ich war wütend auf die Polizisten, die mich grundlos kontrolliert hatten. Die ihre Macht so schamlos ausnutzten. Ich begann zu verstehen, wie exponiert man sich gegenüber der Obrigkeit fühlen kann. Ich habe mich alleine gefühlt, ich hatte Angst. Und ich war wütend, dass ich als völlig unbescholtene Bürgerin so etwas über mich ergehen lassen musste. Danach habe ich mich lange Zeit von der Polizei beobachtet gefühlt. Und besonders wütend war ich auf die Menschen, die an mir vorbei gingen. Der Blick starr geradeaus, keine Reaktion. Einige zeigten aus der Ferne mit dem Finger auf mich.

Ich bin immer und überall verdächtig. Weil ich Schwarz bin. Dabei wollte ich in meiner Kindheit Polizistin werden. Mein Onkel ist Polizist. Auf dem Karussell saß ich immer auf dem Polizeimotorrad. Ich habe die Besuche der Beamten in der Schule und im Kindergarten geliebt. Die berittene Polizei, die es in Deutschland schon lange gibt, war für mich als kleines Mädchen ein Traumjob. Heute weiß ich nicht einmal, ob ich aufgrund meiner Hautfarbe dort überhaupt aufgenommen werden würde, geschweige noch wollen würde … Ich will weiter Menschen schützen und helfen. Aber eben nicht in einer Polizei, die so ist wie unsere.

Die Polizei war für mich mein Freund und Helfer. Die netten Beamten und Beamtinnen, die in der Schule Vorträge halten, haben nichts mit den Kollegen auf der Straße gemein, die man als Erwachsene kennenlernt. Andere kennen diese Diskriminierung seit ihrer Kindheit. Ihre Eltern werden von der Polizei verprügelt oder schikaniert. Da ich bei meinen Weißen Großeltern aufwuchs, blieb mir das immer erspart.

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Ich hielt die Exekutive für unfehlbar. Hinterfragt habe ich es nie, warum die Polizei gerade People of Color so oft kontrolliert. Für mich war die plausible Antwort darauf, dass diese Person ja wohl etwas angestellt haben muss, damit es soweit kommt. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass es einen anderen Grund geben könnte.

Die Polizei hat für mich immer Sicherheit bedeutet. Mittlerweile läuft es mir eiskalt den Rücken runter, wenn ich einen Streifenwagen vorbeifahren sehe. Seit die Polizei unserer allseits geliebter BIMAZ Herbert Kickl (Bester Innenminister aller Zeiten – so lautet der inoffizielle Titel, nachdem Vizekanzler Heinz-Christian Strache seinen Parteifreund als besten Innenminister der zweiten Republik bezeichnet hatte) die Polizei unter seinem Kommando hat, werden die Anforderungen für die Diensttauglichkeit bei der Polizei stetig gesenkt. Werbung für den Dienst bei der Polizei erschien sogar in einigen rechten Medien. Wen wundert es also, dass verstärkt auf Geflüchtete, People of Color und Obdachlose losgegangen wird? Und dann wurden auch noch jede Dienststelle und jedes Fahrzeug mit Maschinengewehren ausgerüstet. Wohin soll das führen?

Mein Freund, der ägyptische Wurzeln hat, und ich überlegen uns inzwischen ganz genau, ob wir es riskieren, auf eine Veranstaltung zu gehen, bei der mit hohem Polizeiaufgebot zu rechnen ist. Die Schleusen, durch die man an Eingängen großer Events gepfercht wird, sind der Horror. Alle, die fremd aussehen, können sich für eine Durchsuchung bereit machen. Beim Donauinselfest traten die Beamten gleich in Gruppen von zehn Personen auf. Immer wieder sahen wir, wie Personen umstellt und kontrolliert wurden. Ich kann mir also überlegen, ob ich dort einfach nicht hingehe oder ob ich mich dem Risiko aussetze, von zehn Menschen mit geladener Waffe umstellt und kontrolliert zu werden.

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Was mich zur Verzweiflung treibt, ist der Fakt, dass wir gegenüber der Polizei machtlos sind. Passanten greifen nicht ein und gehen weiter. Sie wollen bloß keinen Ärger haben. Eine Beschwerde hat kaum Aussicht auf Erfolg. Und die meisten Opfer von Racial Profiling sind einfach nur froh, wenn es vorbei ist. Sie fürchten, noch mehr Probleme zu bekommen, wenn sie sich beschweren. Am Ende zählt das Wort der Beamten ja sowieso mehr.

Was kann man also tun, wenn man Zeuge von Racial Profiling wird? Das Mindeste ist, den Vorfall bis zum Ende abzuwarten und mit dem Handy zu filmen, sofern man dabei den Einsatz der Beamten nicht behindert. Man kann Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen und sich als Zeuge anbieten. Ich persönlich würde mich sicherer fühlen, wenn ich sehe, dass der ganze Vorfall gefilmt wird und ich nicht alleine bin.

Auch T-Ser hat das einzig Richtige getan, er hat den Fall gefilmt und veröffentlicht. Außerdem hat er den Hashtag #nichtmituns ins Leben gerufen. Steht auf, setzt euch ein und schaut nicht weg, wenn ihr seht, dass jemand ungerecht von der Polizei behandelt wird. Beschwert euch bei den zuständigen Stellen, was das Zeug hält. Schweigen heißt, dass man akzeptiert, was hier vor sich geht.

Habt auch ihr Racial Profiling erlebt oder beobachtet? Oder habt ihr anders Diskriminierung durch die Polizei erlebt? Dann schreibt an rebecca.baden@vice.com.

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